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Kriegerherz und Königsehre


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herum. „Und warum werde ich dann hier einquartiert? Es gibt doch sicher andere Räume?“

      So nah wollte sie ihn nicht haben.

      „Was spricht dagegen? Du bist sein Mündel und hast dadurch eine gewisse Stellung.“

      Darauf konnte sie nichts erwidern.

      „Was sind meine heutigen Aufgaben?“

      „Du sollst sein Rüstzeug und seine Waffen reinigen. Sie liegen in seinem Zimmer.“

      Guy führte sie in die privaten Räume von Oliver. Erstaunt blieb Deria in der Tür stehen. Ein riesiges Bett stand an der gegenüberliegenden Wand, rechts und links gab es jeweils ein kleines Fenster mit einer schönen bunten Glasscheibe. Über dem Bett war ein riesiger Wandbehang. Das Motiv ließ Deria erröten:

      „Oh, das ist aber sündig!“

      Guy lächelte: „Es ist ein Liebespaar.“

      „Das sehe ich selbst.“

      Der Wandteppich zeigte einen Mann und eine Frau, beide waren nackt und umarmten sich auf äußerst frivole Weise. Deria musste den Blick abwenden, sonst würde Sir Guy sie bestimmt auslachen.

      „Die Waffen sind nebenan.“

      Er verschwand durch einen kleinen Torbogen und Deria folgte ihm. Dieser Raum war Olivers Ankleidegemach. Aus den offenen Truhen lugten Kleidungsstücke aus verschiedenen Stoffen hervor, zwei Paar Schuhe aus Leder standen in einer Ecke. Auf einem Holzgestell hing Olivers Kettenhemd, dessen Metall matt glänzte. Deria betrachtete ehrfürchtig die auf dem Tisch liegenden Schwerter und Messer.

      Nachdem Guy ihr alles erklärt hatte, überließ er sie ihrer Aufgabe. Den ganzen Tag war sie mit der Reinigung der Kettenglieder beschäftigt, und am Abend strahlten der Kettenpanzer und die Waffen in neuem Glanz. Dann betrachtete sie sich den Wandteppich genauer. Wer hätte gedacht, dass Oliver solch sündige Bilder gefielen? Sie stellte sich direkt vor das Bett und legte nachdenklich den Kopf schief. Wie viele Frauen hatte er schon in so einer Umarmung gehalten? Sie versuchte sich Oliver nackt vorzustellen. Irgendwie wurde ihr dabei ganz flau im Magen.

      Wie im Flug vergingen die Tage und sie half abwechselnd Stephen oder Guy, der ständig mit neuen Aufgaben kam. Mal musste sie in der Küche aushelfen, mal wurde sie Wasserholen geschickt. Die Aufgaben waren an sich keine Arbeiten für Männer, sagte sich Deria. Ob sie Eric bestrafen wollten? Doch auf diese Frage bekam sie keine Antwort, da auch Ester keine Antwort darauf hatte. Da Derias Oberschenkel verheilt waren, und sie für diesen Tag ihre Arbeiten erledigt hatte, bat sie Stephen, ihr das Reiten beizubringen.

      „Wirklich, Eric? Du möchtest, dass ich dir das Reiten beibringe? Es ist mir eine Ehre.“

      Seine Stimme klang dabei stolz. Stephen führte Aragon aus der Burg heraus und sie gingen linker Hand an der Wiese vorbei.

      „Wo gehen wir hin?“, fragte Deria neugierig.

      „Hier ist ein Übungsplatz, wo die jungen Pferde eingeritten werden und hier üben auch die Ritter den Zweikampf“, erklärte Stephen.

      Deria betrachtete den riesigen Platz, der von drei Seiten mit Wald umgeben war. Durch das Longieren der Pferde war auf der einen Seite ein großer Kreis ins Gras getreten worden. Am Ende des Platzes auf der anderen Seite stand eine kleine Hütte. Stephen band Aragon an das Longierseil und half Deria beim Aufsitzen.

      „Ich soll ohne Sattel reiten?“

      „Ja, damit du ein besseres Gefühl für das Pferd bekommst. Vertrau mir, Eric“, erklärte Stephen zuversichtlich. Aragon schritt im Kreis Runde um Runde dahin. Stephen mäkelte ständig an Deria herum.

      „Nicht so steif, pass dich einfach dem Rhythmus des Tieres an. Mensch, Eric, du bist echt ein Angsthase!“

      „Was meinst du wohl, warum ich nicht mehr reite, du Angeber“, fauchte Deria zurück.

      Mit zusammengebissenen Zähnen versuchte sie Stephens Ratschläge umzusetzen, doch je schneller Aragon lief, desto mehr wurde sie hin und her geschüttelt.

      „Ich lerne das nie“, seufzte sie nach einer Weile.

      „Ach Eric, irgendwann klappt es auch bei dir. Jetzt drück die Knie vorsichtig an die Seiten und schließ die Augen. Konzentrier dich auf Aragon! Spüre seine Bewegungen und vertrau dir selbst, du kannst das!“

      Deria tat wie ihr geheißen. Sie konzentrierte sich auf Stephens Stimme und schloss die Augen. Sie hörte seine beruhigenden Worte und mit einem Mal empfand sie einen Gleichklang mit dem Pferd und hatte das Gefühl, sanft geschaukelt zu werden. Sie fühlte sich sicherer und automatisch löste sich ihre versteifte Haltung. Stephen lächelte, es war dem Elfjährigen nicht entgangen, wie sich die Haltung seines Schülers entspannt hatte. Er schnalzte mit der Zunge und Aragon fiel in einen leichten Trab. Deria merkte zwar, dass irgendetwas anders war, aber es machte ihr keine Angst mehr. Stephen sprach weiter:

      „Strecke deine Arme seitlich in die Höhe und spüre die Kraft, die Aragon in dich überträgt.“

      Sie tat wieder wie ihr geheißen und rief vor Entzücken:

      „Ich hab das Gefühl, ich fliege. Oh, Stephen es ist so wunderbar!“ Freudentränen liefen ihr die Wangen hinunter.

      „Jetzt öffne die Augen, gleich wirst du galoppieren!“

      Und wieder schnalzte Stephen mit der Zunge, Aragon fiel in einen Galopp. Deria griff in die Mähne ihres Pferdes, aber sie passte sich sofort dem schnelleren Rhythmus an, ohne wieder zu verkrampfen. Sie lachte laut auf und schüttelte übermütig den Kopf.

      „Ich kann wieder reiten!“

      „Nun, morgen machen wir einen Ausritt und dann werden wir sehen, ob du reiten kannst“, hörte sie plötzlich eine tiefe Männerstimme.

      Ihr Kopf flog herum und sie sah Guy dastehen, der ihr anerkennend zunickte, während er Stephen auf die Schultern klopfte.

      „Das hast du sehr gut gemacht Stephen. Dein Vater und dein Bruder wären stolz auf dich.

      „Danke, Sir Guy.“ Stephen bekam vor Verlegenheit rote Ohren.

      Am nächsten Tag holte Guy Deria ab.

      „Jetzt machen wir den versprochenen Ausritt. Ich werde dir ein wenig Olivers Ländereien zeigen.“

      Ohne Angst bestieg Deria Aragon und folgte Sir Guy durch das Burgtor. Sie ritten gen Westen und nach mehr als zwei Stunden hielt er auf einem Hügel an.

      „Von hier aus kannst du einen weiten Blick über Olivers Land werfen“, sprach er mit Stolz erfüllter Stimme.

      „Es ist ein sehr fruchtbares Land. Und es ist wunderschön.“

      Deria war das saftige Grün der Wiesen und das satte Braun der Erde nicht entgangen.

      „Bei uns ist es auch schön, aber nicht so wie hier. Oliver kann sich glücklich schätzen“, meinte sie aufrichtig.

      Fast den ganzen Tag ritten sie über Olivers Ländereien. Für Deria gab es viel zu sehen und sie konnte sich auch einen Eindruck verschaffen, was die Bevölkerung von ihrem Lehnsherrn hielt. Bewundernd musste sie anerkennen, dass Oliver bei seinen Untergebenen sehr beliebt war. Er fällte gerechte Urteile und schröpfte seine Bauern nicht. Und dies war selten in diesen Zeiten.

      Als die Sonne langsam unterging, verkündete Guy:

      „Es wird Zeit, umzukehren.“

      „Ihr seid sein Onkel, nicht wahr?“

      Deria wollte mehr über Oliver erfahren. Schon die ganze Zeit während des Ausrittes hatte sie darüber nachgedacht, wie sie das Gespräch auf Oliver bringen konnte, ohne dass ihre Neugierde allzu offensichtlich wurde. Guy war nicht dumm, er hatte die innere Unruhe an Deria bemerkt und nur darauf gewartet, dass sie endlich ihrer Neugierde freien Lauf ließ.

      „Ja, mein Bruder war sein Vater.“

      „Warum hast du nie geheiratet?“

      Überrascht