ein Verdacht in ihm zu regen. Doch der Gedanke war so absurd, dass er sich selbst verrückt schimpfte. Dennoch beschloss er, Eric sehr genau im Auge behalten, um zu sehen, ob sich seine Ahnung bestätigte. Denn auf seine Intuition konnte er sich jederzeit verlassen.
Eric indes litt Höllenqualen. Er hatte den Kopf gesenkt, damit niemand die heimlichen Tränen bemerkte, die stumm an seiner Wange hinabperlten. Die Innenseiten seiner Schenkel brannten höllisch und er konnte sich kaum noch auf dem Pferd halten. Damit er nicht runterrutschte, drückte er seine Fersen in die Flanken des Pferdes. Aragon nahm dies als Anreiz und begann zu galoppieren. Völlig überrascht fiel Eric aus dem Sattel und landete unsanft auf seinem Hosenboden.
Die Ritter hielten ihre Pferde an und bildeten einen Kreis um ihn. Gelächter schlug ihm entgegen. Der Kreis öffnete sich und Oliver ritt mit Guy heran.
„Es scheint, als hättest du noch nie im Sattel gesessen, Bürschchen. Oder hast du das Reiten verlernt?“, lachte Oliver.
Eric stand auf, seine Wangen glühten und er biss sich auf die Lippen. Er fühlte sich so gedemütigt. Wie konnte Oliver ihn vor der versammelten Ritterschaft nur so bloßstellen? Zornig funkelte er ihn an. Oh, wie er Oliver verabscheute!
Wortlos nahm Eric die Zügel in die Hand, die ihm Oliver hinhielt. Dann führte er Aragon zu einem umgestürzten Baum und stieg auf. Schweigend setzte sich der Zug erneut in Bewegung.
Die Sonne stand hoch im Zenit und brannte auf sie herunter. Eric spürte die warmen Strahlen in seinem Gesicht, sie berührten sanft seine Wangen als wolle das Licht ihm Trost spenden. Ohne Pause ritten sie, bis die Sonne sich anschickte am Horizont hinter den Bergen zu verschwinden.
Sie erreichten eine Baumgruppe, die von einigen Hecken umgeben war, als Oliver plötzlich rief:
„Wir rasten hier. Macht Feuer! Roger und Martin werden auf die Jagd gehen.“
Eric glitt mühsam vom Pferd. Mit schwankenden Beinen suchte er sich hinter den Hecken einen Platz, wo er seinen Bedürfnissen nachkommen konnte. Als er sich erleichterte, sah er die wunden Innenseiten seiner Oberschenkel.
„Bei Gott, das ist ja fast wie rohes Fleisch“, stellte er fest.
Er holte eine Salbe und Leinenverbände aus seiner Tasche, die er vorsorglich mitgenommen hatte, und machte sich zwei Umschläge, die er fest um die Schenkel wickelte. Es brannte wie Feuer auf den offenen Stellen. Doch nur für einen kurzen Moment, denn sofort setzte die kühlende Wirkung ein. Allerdings konnte er die Linderung noch nicht genießen.
„Eric, wo steckst du, zum Teufel noch einmal?“, hörte er Oliver ungeduldig rufen.
„Ich komme gleich.“ Schnell zerrte Eric seine Hosen hoch. Er wollte auf keinen Fall von Oliver in so einer entwürdigenden Situation entdeckt werden. Gerade hatte er seine Beinkleider fest um seine Hüften gebunden, als Oliver auch schon die Hecke vor ihm teilte. Und wieder zog er seine rechte Augenbraue steil in die Höhe.
„Bevor du das nächste Mal verschwindest, melde dich vorher bei mir ab“, herrschte er ihn an.
„Ich lauf schon nicht weg. Ich habe meinem Vater mein Wort gegeben und außerdem bin ich nicht Euer Leibeigener“, fauchte Eric beleidigt zurück.
Oliver biss die Zähne fest zusammen. Wie gerne würde er diesem vorlauten Grünschnabel eine Tracht Prügel verabreichen, aber Sir Robert hatte ihn ausgewählt, weil er ihn für würdig und fähig gehalten hatte mit Eric klar zu kommen. Alles zu seiner Zeit, beruhigte er sich selbst.
„Du bist mehr als das, du bist mein Mündel.“
Ohne ihn eines weiteren Blickes zu würdigen drehte sich Oliver um und überließ Eric sich selbst. Nach einer Weile folgte ihm der Junge und fand das Lager bereits fertig aufgebaut vor. Ein Feuer brannte und auf zwei Holzspießen wurden Kaninchen gebraten. Ein verführerischer Duft stieg Eric in die Nase. Unsicher blieb er stehen und schaute auf die Männer. Sie saßen um das Feuer und unterhielten sich. Oliver war nirgends zu sehen. Aber dieser stand im Schatten eines Baumes und betrachtete Eric genauer. Die gleichen grünen Augen, wie Deria sie gehabt hatte, dachte er. Olivers Gedanken wanderten zu dem kleinen Wildfang, dem er vor vier Jahren den Hintern versohlt hatte, als sie vor ihm davonlaufen wollte. Damals war er wütend auf Robert und seinen Vater gewesen, die ihm vorschreiben wollten, wen er zur Frau nehmen sollte. Aber inzwischen sah er es anders. Bald würde er heiraten, dieses Mal eine wohlerzogene junge Dame. Sie war das genaue Gegenteil von Deria. Aber auch sie wählte er nicht aus Liebe, sondern weil die Ehe ihm den Frieden sicherte, seine Ländereien und Besitztümer erweiterte und weil er einen Erben brauchte.
Eric setzte sich neben Guy, der ihn zu sich gewunken hatte.
„Alles in Ordnung?“, fragte dieser den Jüngling.
„Ja, ich habe nur das Gefühl, dass Oliver wütend auf mich ist, egal was ich mache.“
„Eric, dein Benehmen ist unreif. Er ist jetzt dein Vormund, er hat die Verantwortung für dich übernommen. Wenn du dich ihm gegenüber nicht anders verhältst, dann wird euer beider Zusammenleben sich sehr schwierig gestalten.“
Da trat Oliver aus dem Schatten ans Feuer heran und nahm einen Spieß vom Feuer. Prüfend betrachtete er das Fleisch, zog sein Messer, schnitt ein Stück ab und hielt es Eric hin. Dieser war überrascht, als Erster das Mahl kosten zu dürfen. Guy nickte ihm aufmunternd zu und so griff Eric zögernd nach dem Stück Fleisch, das auf der Schneide lag. Bevor er es greifen konnte, zog Oliver das Messer zurück:
„Pass auf, es ist noch heiß“, erklärte Oliver.
Vorsichtig nahm Eric das Fleisch entgegen. Dabei berührten sich ihre Finger. Eric erschauerte. Er hob den Kopf und sah direkt in Olivers eisblaue Augen. Für einen kurzen Moment erwiderte dieser den Blick, wandte ihn jedoch irritiert wieder ab und ging zu seinen Männern auf der anderen Seite des Feuers. Gedankenverloren schaute Eric ihm nach und biss in das gebratene Stück Fleisch, das er immer noch in der Hand hielt.
Anschließend leckte sich Eric jeden Finger einzeln ab. Oliver beobachtete ihn dabei und war erstaunt, wie erregend es auf ihn wirkte. Aber das da war ein Mann, nein, ein Jüngling, schoss Oliver durch den Kopf, wie konnte er ihn anziehend finden? Und wieder kam ihm sein Verdacht in den Sinn. Er musste so schnell wie möglich herausfinden, ob sein Instinkt ihm nicht einen Streich spielte.
Oliver teilte die Wachen ein und streckte sich auf dem Boden aus. Über Eric nachdenkend schlief er ein.
Neue Freunde
Eric dachte, auf dem harten Boden könnte er niemals einschlafen, doch bevor der Gedanke sich aus seinem Kopf verflüchtigte, schlief er schon tief und fest. Der anstrengende Ritt und die Schmerzen forderten ihren Tribut.
Bei Sonnenaufgang brachen sie auf und rasteten nur zweimal, um die Pferde ausruhen zu lassen. Als die Sonne blutrot am Horizont in die dunkle Ebene hinabtauchte, erreichten sie die Bärenburg. Sie lag auf einer breiten Anhöhe und zeichnete sich gegen den dunkelroten Himmel ab. Vier große Türme und eine hohe Burgmauer bildeten den äußeren Ring, die Mauern schimmerten rotgolden. Als sie das erste Tor passierten, kamen sie in den unteren Burghof. Hier waren die Ställe und die Häuser der Bediensteten. Über eine Brücke gelangten sie in den zweiten Vorhof. Hier befanden sich eine Bäckerei, das Waschhaus und eine Fleischerei. Weiter hinten gab es weitere Ställe und eine Schmiede.
Oliver stieg vom Pferd und alle anderen folgten ihm. Also glitt auch Eric von Aragon.
„Du kümmerst dich um die Pferde, Eric. Bring sie in den Stall dort und versorge sie. Danach kannst du in die Küche gehen und selbst etwas essen. Guy wird dir dann zeigen, wo dein Schlafplatz ist.“
Während er dies sagte, drückte er Eric die Zügel seines Pferdes in die Hand und verschwand durch das Tor. Eric blies sich die Haare aus der Stirn. Er war hundemüde und sein Vormund ging einfach so davon und überließ ihm auch noch sein Pferd.
„Dieser aufgeblasene Gockel“, grummelte Eric und wollte Aragon und Olivers Pferd in die Ställe führen. Aber das Tier