Martin R. Schulz

Compliance Management im Unternehmen


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seiner Geschäftsführungskompetenzen unternehmerische Entscheidungen trifft, so etwa in den Bereichen der Festsetzung der Vorstandsvergütung bzw. der Prämiengewährung (§ 87 AktG) sowie bei der Entscheidung über die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegenüber Vorstandsmitgliedern. In diesem Fall richten sich die Anforderungen an den Aufsichtsrat nach § 116 Satz 1 i.V.m. § 93 Abs. 1 AktG und orientieren sich mithin wie beim Vorstand an der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters. Der Bundesgerichtshof hat dies in der sog. „Mannesmann“-Entscheidung am Beispiel von Vergütungsentscheidungen unter Bezugnahme auf §§ 93 Abs. 1, 116 Satz 1 AktG ausdrücklich entschieden.190 Da der Aufsichtsrat insoweit wie ein Vorstand handelt, verpflichtet der BGH ihn in diesem Sonderbereich damit auch auf das für Geschäftsleiter bei ihren Entscheidungen geltende Pflichtenprogramm. Gleiches gilt für den in der Praxis enorm relevanten Bereich der Pflicht des Aufsichtsrates zur Prüfung und Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen Vorstandsmitglieder. Bei Bestehen von dahingehenden Anhaltspunkten hat der Aufsichtsrat ein potenziell haftungsrelevantes Verhalten des Vorstandes aufzuklären bzw. fachkundig aufklären zu lassen. Ergibt sich hierbei ein Schadensersatzanspruch, ist der Aufsichtsrat verpflichtet, diesen geltend zu machen, es sei denn, es stehen – ausnahmsweise – übergeordnete Gründe des Unternehmenswohls einer Geltendmachung entgegen. Das vorsätzliche Unterlassen der Geltendmachung bestehender Ansprüche kann daher eine unmittelbare strafrechtliche Haftung der Aufsichtsratsmitglieder nach sich ziehen.191 Daraus resultiert für Aufsichtsräte insbesondere im Bereich der Untreue gem. § 266 StGB eine nicht unbeträchtliche Steigerung des originären strafrechtlichen Haftungsrisikos.

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       2. Innerbetriebliche Anweisungen/Täterschaft kraft Organisationsherrschaft

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       3. Fahrlässigkeitshaftung (sog. Organisationsverschulden)

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      Unter dem aus dem Zivilrecht stammenden Begriff des „Organisationsverschuldens“ versteht man die schuldhafte Unterlassung der Wahrnehmung der die Geschäftsleitung treffenden Organisationspflichten bzw. schuldhaft begangene Fehler bei der Organisation des Unternehmens. Da eine solche Vernachlässigung von Organisationspflichten regelmäßig nicht vorsätzlich begangen wird, führt ein solches Unterlassen im Strafrecht „lediglich“ zu einer Fahrlässigkeitshaftung der Unternehmensleitung, wenn aufgrund einer solchen Fahrlässigkeit ein zum Tatbestand eines Deliktes gehörender „Erfolg“, etwa eine Körperverletzung, ein Todesfall oder ein Umweltschaden eintritt. Zu dem relativ unbestimmten Begriff des Organisationsverschuldens haben sich zwischenzeitlich verschiedene Fallgruppen entwickelt, so insbesondere das Auswahlverschulden, das Anweisungsverschulden sowie das Kontroll- bzw. Überwachungsverschulden.

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      Da es bei den klassischen Compliance-Verstößen, etwa im Bereich der Korruption, der Untreue oder des Betruges, keine Fahrlässigkeitsstrafbarkeit gibt, ist die Begründung einer strafrechtlichen (Fahrlässigkeits-)Haftung über die Rechtsfigur des Organisationsverschuldens