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Besonderes Verwaltungsrecht


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infolge ihrer Unvereinbarkeit mit der Gesamtkonzeption der abfall- und immissionsschutzrechtlichen Vorschriften des Bundes und begründete dies mit einem Verstoß gegen das Gebot der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung[1115]. Dieses aus dem Bundesstaats- wie Rechtstaatsprinzip abgeleitete Postulat stößt teilweise auf heftigen Widerstand, mitunter weniger im Ergebnis als hinsichtlich seiner grundsätzlichen Dogmatik[1116]. Andere Stimmen erblicken darin eine notwendige Schranke, um – dadurch im Ergebnis privilegierte – Sachregelungen gegen die Unterwanderung durch ihrerseits eigentlich kompetenziell zulässige lenkende Abgaben zu hindern[1117]. Es gilt im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts jedenfalls zu konstatieren, dass im Gebot der Widerspruchsfreiheit eine bedeutsame Kompetenzausübungsschranke für die Erhebung von Umweltabgaben liegt, gerade auch infolge seines potentiell weiten Anwendungsbereichs[1118].

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      Neben den abgabespezifischen sowie den kompetenziellen Voraussetzungen müssen Umweltabgaben auch den sonstigen materiellen Verfassungsanforderungen, insbesondere den Grundrechten, genügen.

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      Der Sozialzweck, die Anknüpfung der Umweltabgaben an Ge- und Verbrauch von Ressourcen, eignet sich eher zur (freiheits-)grundrechtlichen Überprüfung als der allen Abgaben innewohnende Fiskalzweck, der aufgrund des prinzipiell maßlosen Finanzbedarfs des Staates nur begrenzt einer Abwägung auf Verhältnismäßigkeitsebene zugänglich ist – die Art. 2, 12 und 14 GG scheinen dabei potentielle Ansatzpunkte zur Überprüfung aus freiheitsrechtlicher Sicht zu sein[1119]. In diesem Zusammenhang muss im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung vor allem die Wahrung des notwendigen Existenzminimums des Bürgers im Auge behalten werden, da Umweltabgaben mitunter unvermeidbare Handlungen besteuern können: „Die Unerlässlichkeit der Nutzung von Umweltgütern als Voraussetzung der Grundrechtsausübung ist demnach evident“[1120]. Grundsätzlich kann hinsichtlich der Rechtfertigung der freiheitsrechtlichen Eingriffe von Umweltabgaben auf die legitimen verfassungsrechtlichen Zwecke des nachhaltigen Umgangs mit knappen Ressourcen, der Erhaltung natürlicher Lebensgrundlagen und der Bedeutung gesundheitsverträglicher Umweltbedingungen (vgl. Art. 2 Abs. 2; 20a GG) verwiesen werden[1121]. Neben den Freiheitsrechten spielt wie allgemein im Abgabenrecht der allgemeine Gleichheitssatz eine hervorgehobene Rolle: Art. 3 GG überprüft die Zuordnung der mit den Lenkungselementen bewirkten Belastungen und deren Höhe, wobei insbesondere Ausnahmen von der Umweltabgabepflichtigkeit auf dem Prüfstand stehen. Dabei bildet der allgemeine Gleichheitssatz gerade auch für die nichtsteuerlichen Abgaben eine bedeutsame Schranke, da es rechtfertigungsbedürftig scheint, warum der Einzelne neben seiner Steuerpflicht auch noch abgabenpflichtig sein soll[1122].

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      Weiterhin wird aus der Schutzpflichtdimension der Grundrechte auch eine Untergrenze des zu verfolgenden Umweltschutzniveaus und damit zugleich eine weitere grundrechtliche Schranke für den Einsatz von Umweltabgaben hergeleitet. Deren Effektivität erweise sich infolge der verzögerten und unsicheren Wirkung sowie der Möglichkeit zum „Freikauf“ von der Umweltschutzpflicht als zumindest ungewiss, so dass weitere, z.B. ordnungsrechtliche, Mechanismen zur Erreichung eines angemessenen Umweltschutzniveaus aus grundrechtlichen Erwägungen geboten seien[1123]. Aufgrund der weiten Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers ergibt sich daraus jedoch kaum eine justiziable Schranke für die einzelne Umweltabgabe.

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      Die Bedeutung des Unionsrechts für Umweltabgaben aktualisiert sich neben der aus der Natur der Umweltbedrohungen erwachsenden Notwendigkeit koordinierter, überstaatlicher Lösungen[1124] in zweifacher Weise: Zum einen stellt sich die Frage, inwiefern der EU Kompetenzen zur selbstständigen Regelung von (mitgliedstaatlichen) Umweltabgaben zustehen, zum anderen müssen die allgemeinen europarechtlichen Vorgaben bei der nationalen Gestaltung von Umweltabgaben beachtet werden[1125].

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      Die Bestimmung der Kompetenzen der EU zur Erhebung von Umweltabgaben muss zunächst von einem autonomen, unionsrechtlichen Umwelt- wie Abgabenbegriff ausgehen[1126]. Hinsichtlich der Möglichkeiten der EU zur Gestaltung von Umweltabgaben gilt es weiterhin darauf hinzuweisen, dass es im Einzelnen umstritten ist, inwiefern ihr neben der Kompetenz bezüglich des Abgabegegenstandes selber auch Befugnisse zur Regelung der Erhebungsmodalitäten, der Ertragshoheit und des Verwendungszwecks zustehen müssen[1127]. Bezüglich der zentralen Frage nach den Normierungskompetenzen von Umweltabgaben ergibt sich folgendes Bild: Art. 192 Abs. 1 AEUV enthält eine spezielle Kompetenz zum Erlass der erforderlichen Maßnahmen zur Erreichung der in Art. 191 AEUV enthaltenen Umweltschutzziele[1128], wobei auch die Einführung von Umweltabgaben hierzu zählt. Art. 192 Abs. 2 lit. a AEUV führt in diesem Zusammenhang ein besonderes Beschlussverfahren zum Erlass von „Vorschriften überwiegend steuerlicher Art“ ein[1129], wobei hier entgegen dem normalen Gesetzgebungsverfahren zur Bewahrung mitgliedstaatlicher Abgabenhoheit Einstimmigkeit erforderlich ist[1130]. Daneben kommen für Umweltabgaben vor allem noch die Kompetenzen zur Harmonisierung indirekter Steuern in Art. 113, die allgemeinen Harmonisierungskompetenzen der Art. 114[1131], 115 sowie die Ermächtigung zur Finanzierung durch Eigenmittel aus Art. 311[1132] in Betracht, wobei hinsichtlich des Umfangs der Öffnung dieser Titel für Umweltabgaben sowie bezüglich ihres Konkurrenzverhältnisses untereinander im Einzelnen zahlreiche Streitpunkte bestehen[1133].

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      Sowohl im Abgabenrecht als auch in der Umweltpolitik verbleiben den Mitgliedstaaten weiterhin breite Zuständigkeiten (vgl. Art. 4 Abs. 2 lit. e; 193 AEUV), so dass sie vorbehaltlich kompetenzgemäß erlassener und abschließender Unionsregelungen weiterhin durch Erlass von Umweltabgaben tätig werden dürfen. Dabei müssen die Mitgliedstaaten aber die Vorgaben des bestehenden Unionsrechts beachten. Neben wirksamen sekundärrechtlichen Regelungen im Umweltrecht[1134] sind dies insbesondere die Grundfreiheiten, das allgemeine Diskriminierungsverbot (Art. 18 AEUV) sowie das Beihilferecht (Art. 107ff. AEUV) als primärrechtliche Anforderungen[1135].

      Elftes Kapitel Haushalts- und Abgabenrecht§ 67 Abgabenrecht › K. EU-Abgaben und Einwirkungen des Unionsrechts auf das Abgabenrecht

K. EU-Abgaben und Einwirkungen des Unionsrechts auf das Abgabenrecht

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      Die EU finanziert sich durch ein sog. Eigenmittelsystem, Art. 311 AEUV[1136]. Durch den Vertrag von Lissabon wurde die bis dahin bestehende Norm des Art. 269 EGV leicht modifiziert[1137], insbesondere wurde der Wortlaut des Art. 6 Abs. 4 EUV als neuer erster Absatz in Art. 311 AEUV übernommen. Hier heißt es nun: „Die Union stattet sich mit den erforderlichen Mitteln aus, um ihre Ziele erreichen und ihre Politik durchführen zu können“. Allerdings kommt der EU als Staatenverbund keine eigene Steuersouveränität zu, so dass auch aus dem jetzigen Wortlaut dieser Norm keine Kompetenz-Kompetenz abgeleitet werden kann[1138]. Vielmehr besteht jegliche Gewalt der EU – insbesondere damit auch die Befugnis, Abgaben zu schaffen – nur aufgrund von konkreten Ermächtigungen durch die Mitgliedstaaten (Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung)[1139].

1. Europäischer Abgabenbegriff

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