Der gezielt weit gefasste, auf Konturierungen wie Wegnahme oder Schaden verzichtende und nur subsidiär zur Anwendung kommende Tatbestand hat Auffangfunktion und soll alle Formen der rechtswidrigen Zueignung erfassen, die nicht bereits einen mit schwererer Strafe bedrohten eigenständigen Straftatbestand erfüllen.[269] Die Auffangfunktion erfährt aber eine Einschränkung durch das Tatobjekt und die Schutzrichtung der Norm: So hat die Norm weitergehende Voraussetzungen hinsichtlich des Erfordernisses einer vollendeten Zueignung im Gegensatz zu anderen Sachentziehungs- und Vermögensdelikten (insbesondere § 242 StGB), ist also nicht Grunddelikt.[270]
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Geschütztes Rechtsgut ist allein das Eigentum, wobei durch die Beschränkung auf „Sachen“ eine Eingrenzung auf körperliche Gegenstände unter Ausschluss anderer Vermögensrechte stattfindet. Die Sache hatte der geschädigte Eigentümer regelmäßig (wenngleich seit dem 6. StrRG nicht mehr notwendig) bereits zuvor nicht mehr in seinem Gewahrsam. Eine Bereicherung des Täters oder eines Dritten ist nicht vorausgesetzt.[271]
1. Tatobjekt
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Gegenstand der Unterschlagung sind fremde bewegliche Sachen, wobei das Tatbestandsmerkmal gleichbedeutend mit dem des Diebstahls ist. Der frühere Streit um „kleine“[272] und „große berichtigende Auslegung“[273] hat sich erledigt, da das Gesetz nicht mehr voraussetzt, dass der Täter die Sache in Besitz bzw. Gewahrsam hat,[274] weshalb heute ohne weiteres die Fälle der Leichenfledderei,[275] der Fundunterschlagung (soweit die Sachen fremd sind[276]) sowie die sog. Diebesfalle (vgl. auch schon näher oben Rn. 41) mit umfasst sind. Die Streichung des Gewahrsamserfordernisses hat aber eine außerordentliche Weite des Tatbestandes zur Folge (z.B. sind sogar Fälle erfasst, in denen eine fremde, in Drittgewahrsam stehende Sache mit Zustimmung des Gewahrsamsinhabers veräußert wird[277]), weshalb eine Einschränkung beim Zueignungsbegriff vorzunehmen ist.
a) Überblick
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Die Tathandlung besteht in der rechtswidrigen Zueignung der Sache durch den Täter. Der Zueignungsbegriff des § 246 StGB ist grundsätzlich identisch mit dem des § 242 StGB, jedoch setzt § 242 StGB nur eine diesbezügliche Absicht voraus, wohingegen die Zueignung bei der Unterschlagung auch in die Tat umgesetzt werden muss.[278] Hierfür bedarf es aber keines erfolgreichen Eigentumserwerbs (bei dem die Sache i.d.R. nicht mehr fremd bzw. die Aneignung nicht rechtswidrig wäre), es genügt vielmehr die bloße Anmaßung einer scheinbaren Eigentümerstellung. Es erfolgt demnach eine wesentliche Prägung des objektiven Tatbestandsmerkmals durch die innere Einstellung des Täters zur Sache, die sich nach außen manifestieren muss.[279] Ein Zusammentreffen von Zueignung und Erwerb der Eigentümerstellung ist nur in Fällen der gesetzlichen Eigentumsbegründung (§§ 935 Abs. 2, 946 ff. BGB) möglich. Im Gegensatz zu § 242 StGB setzt bereits der Tatbestand die Rechtswidrigkeit der Zueignung voraus, wobei es gleichgültig ist, ob sich der Täter die Sache selbst oder einem Dritten zueignet.
b) Der Zueignungsbegriff und seine Grenzen
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Zunächst ist zu betrachten, was eigentlich unter Zueignung verstanden werden kann.[280]
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aa) Zueignung ist „die in einer äußeren Handlung manifestierte Herstellung der eigentümerähnlichen Herrschaft über eine Sache“.[281] Mit der Zueignung wird das Ziel verfolgt, wie ein Eigentümer endgültig über die Sache zu verfügen[282] und demnach den Eigentümer von der Sachherrschaft auszuschließen sowie die Sache dem eigenen Vermögen einzuverleiben.[283] Hierfür ist ausreichend, dass sich der Aneignungsentschluss in einer Weise äußerlich manifestiert, der die dauerhafte Enteignung nicht ausschließt,[284] was aber den Regelfall darstellen dürfte. Zu untersuchen ist daher auf objektiver Ebene, ob die Tathandlung den Eindruck einer Aneignung, d.h. eines nur hypothetischen Zueignungswillens erweckt, und erst beim subjektiven Tatbestand, ob sich in diesem Verhalten auch tatsächlich ein Zueignungswille manifestiert hat. Die Fragen, ob es einer „Eindeutigkeit“ der Zueignung bedarf, ist lediglich ein Streit über einen nicht in der Norm verankerten Begriff, vielmehr ist zusammenfassend zu sagen: Auf der einen Seite genügt es nicht, wenn der Täter eine Handlung vornimmt, die man von ihm auch ohne Zueignungswillen hätte erwarten können.[285] Auf der anderen Seite muss der Manifestationsakt nicht notwendigerweise aus sich heraus nur als Aneignung verstanden werden können,[286] denn es ist praktisch kaum möglich im Hinblick auf die vielen möglichen Handlungsmöglichkeiten die nötige Konsequenz durchzuhalten. Eine Unterschlagung durch Unterlassen ist lediglich in Ausnahmefällen möglich, denn z.B. weder das pflichtwidrige Unterlassen der Rückgabe eines Vertragsgegenstandes nach Vertragsablauf,[287] noch die unterbliebene Herausgabe nach berechtigtem Verlangen des (Sicherungs-)Eigentümers[288] reichen für gewöhnlich aus, einen auf die Herstellung einer Scheineigentümerstellung gerichteten Willen zu manifestieren.[289]
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Indizien für einen Zueignungswillen, oft aber erst zusammen mit weiteren Umständen, können etwa das Leugnen des Besitzes,[290] der Weitergebrauch eines gemieteten Autos nach Vertragsablauf,[291] das Fortschaffen sowie der Weitergebrauch eines sicherungsübereigneten Gegenstandes nach berechtigtem Herausgabeverlangen sein.[292]
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bb) Der Begriff der Zueignung ist aber von jeher umstritten, und bis heute werden Auffassungen vertreten, die in vielfacher Hinsicht teils von den angegebenen Grundsätzen bereits im Ausgangspunkt abweichen (etwa das Erfordernis einer dauerhaften Enteignung bestreitend),[293] teils diese Grundsätze näher konkretisieren. Im Rahmen der Auslegung des heutigen – auf das Gewahrsamserfordernis verzichtenden und Drittzueignung ausdrücklich nennenden – Tatbestandes unter Berücksichtigung des Bestimmtheitsgebotes (Art. 103 Abs. 2 GG) muss darauf geachtet werden, für den Bürger aus der Formulierung nicht erkennbare Verhaltensweisen auszunehmen. Ebenso ist dem Gedanken zu folgen die Sachentziehung nicht allgemein, sondern nur unter weiteren Voraussetzungen unter Strafe zu stellen. Dass der Gesetzgeber des 6. StrRG den Bereich der Strafbarkeit ausgedehnt und im Einzelfall die Grenzziehung von der Teilnahme hin zur Täterschaft[294] verschoben hat, ist zwar rechtlich nicht zu beanstanden und erst recht nicht „durch Auslegung“ zu konterkarieren; an einer Verfeinerung der Grundsätze zur Zueignung besteht allerdings insoweit Bedarf, als sie allein die Grenze zur straflosen Sachentziehung noch nicht abschließend klären. Besonders ist eine weitere Ausarbeitung der äußeren Umstände erwägenswert, um klarzustellen, dass die Neufassung der Vorschrift keine Vorverlagerung des Vollendungszeitpunkts ins Versuchsstadium hinein bedeutet,[295] denn eine solche war vom Gesetzgeber nicht intendiert und wäre zudem systemwidrig.
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Hierzu wird im Einzelnen vertreten, ein altruistisches Verhalten aus dem Tatbestand auszunehmen bzw. einen wenigstens mittelbaren wirtschaftlichen Vorteil zu verlangen,[296] eine tatsächliche Rechtsgutsgefährdung zu fordern, in Abkehr von der Vereinigungstheorie nur mehr die Zueignung der Sachsubstanz und nicht mehr des in der Sache verkörperten Wertes ausreichen zu lassen,[297] nur unmittelbar den Besitz ändernde Handlungen als Zueignung anzusehen,[298] gar einen endgültigen Eigentumsverlust zu verlangen[299] oder zumindest einen „Enteignungsgefahrerfolg“.[300] Darüber hinaus wird eine Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme nach typischem Unrechtsgehalt statt nach allgemeinen Kriterien erwogen.[301]
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Eine denkbare und zugleich im Ergebnis ausgewogene und systematisch widerspruchsfreie Lösung könnte darin gesehen werden, bei der Zueignungsmanifestation – ähnlich wie bei den Gutglaubensvorschriften