Die Unterschlagung wird von ihrem Anwendungsbereich nicht umfasst. In § 243 StGB sind Regelbeispiele genannt, die für bestimmte beispielhaft aufgezählte Fälle auf Ebene der Strafzumessung „in der Regel“, d.h. nicht nur und auch nicht stets, den verschärften Strafrahmen des § 243 StGB rechtfertigen. Bei geringwertigen Tatobjekten ist die Annahme eines besonders schweren Falles gemäß § 243 Abs. 2 StGB ausgeschlossen.
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Im Unterschied hierzu haben die qualifizierten Fälle des Diebstahls besondere Begehungsweisen und eine damit verbundene erhöhte Gefährlichkeit der Tatbegehung bzw. Tatobjekte, die besonderem Schutz bedürfen, zum Inhalt. Es handelt sich hier um selbstständige, abschließende und zwingend anzuwendende Tatbestände,[316] die den Grundtatbestand des Diebstahls bereits auf Tatbestandsebene qualifizieren. Bei Vorliegen der entsprechenden Merkmale schreiben sie also einen erhöhten Strafrahmen zwingend vor. Eine Gesamtabwägung wie in § 243 StGB ist nicht vorzunehmen. Die Strafbarkeit nach § 244 StGB beurteilt sich zudem ungeachtet einer eventuellen Geringwertigkeit der Tatobjekte.
a) Allgemeine Grundsätze
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aa) Voraussetzung für die Annahme eines besonders schweren Falles des Diebstahls gemäß § 243 StGB als Strafzumessungsvorschrift[317] mit Regelbeispielen[318] ist die rechtswidrige und schuldhafte Begehung des § 242 StGB, bei dem es aufgrund besonderer Umstände zu einer Strafschärfung nach § 243 StGB kommt.[319] Im Unterschied zu Tatbestandsmerkmalen, hat ein erfülltes Regelbeispiel nur Indiz- bzw. Regelwirkung, und der Katalog des § 243 StGB ist damit weder zwingend noch abschließend. Das Vorliegen eines Regelbeispiels führt daher lediglich zu einer widerlegbaren Vermutung dafür, dass ein besonders schwerer Fall des Diebstahls gegeben ist,[320] dennoch ist es dem Gericht aber möglich – dann aber mit expliziter Begründung[321] – einen solchen ablehnen.[322] Umgekehrt ist es dem Gericht aber auch möglich einen schweren Fall zu bejahen, obwohl keines der aufgezählten Regelbeispiele verwirklicht wurde.[323] Diese flexible Regelung ermöglicht es dem Richter, anhand des jeweiligen Einzelfalles zu überprüfen, ob Umstände vorliegen, die das Unrecht des einfachen Diebstahls nach § 242 StGB soweit steigern, dass ein höherer Strafrahmen angemessen erscheint.[324] Eine Aufnahme in den Urteilsspruch erfolgt grundsätzlich nicht, da es sich bei der Annahme eines schweren Falles um einen Strafzumessungsgesichtspunkt handelt.
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Aufgrund des Umstandes, dass Regelbeispiele das Unrecht der Tat erhöhen und damit Tatbestandsähnlichkeit aufweisen, muss der Täter auch diese in sein Vorstellungsbild aufgenommen haben, d.h. §§ 15, 16 StGB finden aufgrund der Tatbestandsähnlichkeit analog zu Gunsten des Täters Anwendung.[325] Es genügt für diesen Quasivorsatz grundsätzlich dolus eventualis,[326] wobei etwa die Gewerbsmäßigkeit nach Nr. 3 schon nach ihrer Definition zielgerichtetes Handeln voraussetzt.[327] Der Vorsatz des Täters muss zudem die fehlende Geringwertigkeit der Sache umfassen.
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bb) Auch der Versuch eines Diebstahls nach § 242 Abs. 2 StGB kann ein besonders schwerer Fall sein.[328] Der Versuchsbeginn bestimmt sich nach § 22 StGB mit dem unmittelbaren Ansetzen zur Wegnahme. Da es sich bei den Regelbeispielen nicht um Tatbestandsmerkmale handelt, kann deren Vornahme allein noch nicht zur Bejahung des unmittelbaren Ansetzens führen. Freilich wird darin dennoch oft das unmittelbare Ansetzen zur Wegnahme liegen.[329]
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In diesem Zusammenhang ist es umstritten, wann beim „Zusammentreffen von Versuch und Regelbeispiel“ die Regelwirkung eintritt.[330] Eine Unterscheidung ist zwischen versuchtem Grunddelikt mit vollendetem Regelbeispiel, vollendetem Grunddelikt mit versuchtem Regelbeispiel und versuchtem Grunddelikt mit versuchtem Regelbeispiel möglich.
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Im Falle eines Grunddelikts, das im Versuchsstadium stecken geblieben ist, das Regelbeispiel aber bereits erfüllt ist, kann man von einem versuchten Diebstahl in einem besonders schweren Fall ausgehen.[331] Auch gibt es keine Gründe, die gegen eine derartige Anwendung sprechen, da § 243 Abs. 1 StGB auf den Diebstahl insgesamt verweist und daher den versuchten Diebstahl nach § 242 Abs. 2 StGB mit erfasst.[332]
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Größere Probleme bereitet der umgekehrte Fall eines vollendeten Grunddelikts und lediglich versuchten Regelbeispiels.[333] Richtig ist hier lediglich von einem einfachen Diebstahl nach § 242 StGB auszugehen.[334] Vorgeschoben ist bereits generell diskutabel, ob die Indizwirkung des besonders schweren Falles überhaupt eingreifen kann, wenn das Regelbeispiel nicht einmal erfüllt ist.[335] Zumindest aber ist unter Wertungsgesichtspunkten anzunehmen, dass ein nur versuchtes Regelbeispiel keine Indizwirkung für die Annahme eines besonders schweren vollendeten Diebstahls entfalten kann. Die Verhängung höherer Strafen in diesen Fällen, obwohl der erhöhte Unwert der Tat nicht einmal vollständig verwirklicht wurde, wäre nicht nur unbillig, sondern hätte auch zur Folge, dass eine bloße Strafzumessungsregel durch ihren bloßen „Versuch“ die Kraft hätte, die Bewertung der vollendeten Haupttat zu beeinflussen. Eine stattdessen zumindest billigere Lösung wäre, eine klarstellende Idealkonkurrenz zwischen vollendetem Diebstahl und einem Versuch in einem besonders schweren Fall anzunehmen,[336] was jedoch dann im Widerspruch zu den allgemeinen Konkurrenzregeln stünde, was umso mehr für den Vorschlag gilt, einen Vorrang des versuchten Diebstahls in einem besonders schweren Fall auf Konkurrenzebene anzunehmen. Nur wenn es sich um einen unbenannten schweren Fall handelt, ist deshalb insgesamt von einem besonders schweren Fall auszugehen.[337]
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Im Fall eines versuchten Grunddelikts und versuchten Regelbeispiels ist nach Ansicht des BGH ein versuchter besonders schwerer Diebstahl gegeben, was er wiederum mit der Tatbestandsähnlichkeit der Regelbeispiele begründet.[338] Im Unterschied zu der Fallkonstellation, in der das Grunddelikt vollendet, aber das Regelbeispiel nur versucht ist, ist diese Lösung insoweit akzeptabel, da sie zum einen zur Folge hat, dass dem im versuchten Regelbeispiel hervorgetretenen erhöhten Handlungsunrecht Rechnung getragen werden kann[339] und sie zum anderen dazu führt, dass eine Berücksichtigung des dem vollendeten Regelbeispiel gegenüber geringeren Erfolgsunrechts durch Strafmilderung möglich ist.[340] Jedoch kommt man dann auch zu dem unbefriedigenden Ergebnis, dass man dann – sofern man für das vollendete Grunddelikt einen Eintritt der Regelwirkung ablehnt – selbst unter Berücksichtigung der Strafmilderung nach § 23 Abs. 2 StGB bei einem Eintritt des Erfolges zu einem geringeren Strafrahmen kommt (bis fünf Jahre statt bis siebeneinhalb Jahre).
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cc) Nach § 243 Abs. 2 StGB ist „in den Fällen des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1 bis 6 ein besonders schwerer Fall ausgeschlossen, wenn die Tat sich auf eine geringwertige Sache[341] bezieht“.[342] Dieser (zwingende) Ausschluss gilt über den Wortlaut hinaus wohl auch für unbenannte schwere Fälle nach § 243 Abs. 1 S. 1 StGB.[343] Dies begründet sich zum einen daraus, dass es dem Willen des Gesetzgebers widerspräche eine (vermeintliche) Beschränkung auf benannte Fälle vorzunehmen – vielmehr beruht der Wortlaut des Abs. 2 auf einer Umformulierung anlässlich der Aufnahme der Nr. 7 ins Gesetz –, zum anderen, weil sonst ein zu enges Verständnis auch die entsprechende Anwendung in anderen Fällen ad absurdum führen würde.[344]
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Die Bestimmung der objektiven Geringwertigkeit der Sache erfolgt wie bei § 248a StGB grundsätzlich nach ihrem Verkehrswert, also dem Verkaufswert zum Tatzeitpunkt,[345] und muss bis zu einer Grenze von etwa 50 Euro angenommen werden.[346] Zwischen den unterschiedlichen Regelbeispielen wird kein unterschiedlicher Maßstab angelegt, auch finden individuelle