Rechnung tragen.
2. Genehmigungspflichtigkeit
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Freilich kommt es auf die von der Behörde zu prüfende Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens nur an, soweit es sich überhaupt um ein genehmigungspflichtiges Vorhaben handelt. In einem ersten Schritt ist im Baugenehmigungsverfahren somit die Genehmigungspflichtigkeit zu prüfen. Trotz der Deregulierung im Bauordnungsrecht gehen die Bauordnungen der Länder immer noch vom Grundsatz der Genehmigungspflichtigkeit aus, soweit es um die Errichtung, Änderung und Nutzungsänderung, teilweise auch um den Abbruch[143] einer (baulichen) Anlage geht[144]. Soweit ein bauliches Vorhaben also nicht eigens einem anderen Kontrolltyp (vom vereinfachten Genehmigungsverfahren bis zur Verfahrensfreistellung) zugeordnet ist, bleibt es beim klassischen Baugenehmigungsverfahren; faktisch ist das freilich die Ausnahme[145]. Soweit nur ein Teil eines Vorhabens genehmigungspflichtig ist, ein anderer Teil dagegen beispielsweise verfahrensfrei, erstreckt sich die Baugenehmigung auf beide Teile[146].
a) Anlage
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Der zentrale Begriff der „Anlage“ wird von den Landesbauordnungen nicht legaldefiniert, sondern nur als Oberbegriff für die baulichen Anlagen einerseits und die sonstigen Anlagen und Einrichtungen im Sinne der jeweiligen Bauordnung andererseits eingeführt[147]. Bauliche Anlagen sind (unmittelbar) mit dem Erdboden verbundene, aus Bauprodukten hergestellte Anlagen[148]. Für eine Verbindung mit dem Boden soll es ausdrücklich ausreichen, wenn die Anlage durch eigene Schwere auf dem Boden ruht (z.B. ein Wohncontainer)[149], auf ortsfesten Bahnen begrenzt beweglich ist (z.B. ein Turmdrehkran[150]) oder wenn die Anlage nach ihrem Verwendungszweck dazu bestimmt ist, überwiegend ortsfest benutzt zu werden (z.B. ein Wohnwagen als Teil einer Wagenburg[151])[152]. Auch Werbeanlagen können bauliche Anlagen sein[153]. Gewisse Rechtsunsicherheiten bestehen allenfalls bei schwimmenden, aber zugleich ortsfesten Anlagen[154]. Schließlich zählen die Landesbauordnungen noch weitere Tatbestände auf, die unabhängig von der Erfüllung der Begriffsmerkmale der baulichen Anlage ebenfalls als solche gelten (sog. fiktive bauliche Anlagen, z.B. Aufschüttungen oder Sportflächen[155])[156]. Umgekehrt enthalten die Bauordnungen der Länder aber auch Ausschlusstatbestände, die gewisse Anlagen explizit vom Geltungsbereich des Bauordnungsrechts ausnehmen[157]. Diese Ausschlüsse sind regelmäßig deswegen unproblematisch, weil Gebäude von ihnen nicht umfasst und die genannten Tatbestände zumeist von Spezialgesetzen abgedeckt werden[158].
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Dabei ist zu beachten, dass sich der bauordnungsrechtliche Begriff der baulichen Anlage mit dem bauplanungsrechtlichen zwar weitgehend deckt, aber nicht identisch ist[159]. Das hat seinen Grund darin, dass Bauordnungs- und Bauplanungsrecht mit Gefahrenabwehr und Vermeidung von Nutzungskonflikten unterschiedliche Ziele verfolgen[160]. Für den bauplanungsrechtlichen Begriff der baulichen Anlage hat dies zur Folge, dass neben der Komponente des Bauens[161] zusätzlich die sog. bodenrechtliche (städtebauliche) Relevanz gegeben sein muss[162]. Diese liegt vor, wenn die Anlage das Bedürfnis nach einer ihre Zulässigkeit regelnden verbindlichen Bauleitplanung hervorruft[163]. Zur Ermittlung des Planungsbedürfnisses müsse man sich eine Häufung der geplanten Anlagen vorstellen[164]. Trotz des zusätzlichen Erfordernisses der städtebaulichen Relevanz wirkt sich der Unterschied zwischen den beiden Definitionen in den jeweiligen Teilen des öffentlichen Baurechts regelmäßig nicht aus; lediglich in Einzelfällen, etwa bei den fiktiven baulichen Anlagen, kann es an der städtebaulichen Relevanz fehlen[165]. So wurde für Litfasssäulen die städtebauliche Relevanz u.a. mit dem Argument verneint, mit der Unterstellung einer Häufung könne hier gerade nicht operiert werden, während die Merkmale des bauordnungsrechtlichen Begriffs der baulichen Anlage klar erfüllt seien[166].
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Für „sonstige Anlagen und Einrichtungen“ entfällt die Genehmigungspflicht nicht automatisch[167]. Hierfür erfolgt zumeist eine gesonderte Verfahrensfreistellung[168].
b) Vorhaben
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Ob eine Genehmigungspflicht besteht, ist auch von der Art des Vorhabens abhängig. Welche Vorhaben in Bezug auf (bauliche) Anlagen eine grundsätzliche Genehmigungspflicht auslösen, wird von den Bauordnungen ausdrücklich festgelegt[169]. Zu nennen ist zunächst die Errichtung der baulichen Anlage, womit die Neuschaffung von Bausubstanz gemeint ist. Ebenfalls genehmigungspflichtig ist die Änderung einer baulichen Anlage. Sie betrifft die Veränderung oder Umgestaltung bestehender Bausubstanz. Bei einer Erweiterung baulicher Anlagen kommt sowohl eine Änderung als auch eine (erweiternde) Errichtung in Betracht. Von einer Änderung ist auszugehen, wenn die Erweiterung im Verhältnis zum Gesamtgebäude nur einen unselbstständigen, vom Gesamtkomplex nicht isolierbaren Teil darstellt[170]. Daraus folgt, dass bei der Änderung – anders als bei der (erweiternden) Errichtung – das gesamte Gebäude Gegenstand der Prüfung der baurechtlichen Genehmigungsfähigkeit ist[171]. Auch die Nutzungsänderung ist grundsätzlich genehmigungspflichtig. Sie liegt vor, wenn eine bauliche Anlage eine andere Zweckbestimmung erhält. Maßgeblich kommt es dabei darauf an, ob für die geänderte Nutzung andere bzw. weitergehende bauordnungs- oder bauplanungsrechtliche Anforderungen in Betracht kommen[172]. Uneinheitlich ist in den Landesbauordnungen geregelt, ob auch die Beseitigung bzw. der Abbruch ein genehmigungspflichtiges Vorhaben darstellt[173]. Hierunter ist die vollständige Beseitigung der baulichen Anlage zu verstehen; die Beseitigung nur eines Teils stellt hingegen eine Änderung dar[174]. Sofern die Beseitigung in den Landesbauordnungen grundsätzlich genehmigungspflichtig ist, wird sie in einem zweiten Schritt in der Regel verfahrensfrei gestellt[175]. Einige Länder schließen zudem auch Instandhaltungsmaßnahmen in die Genehmigungspflicht ein[176]. Dazu zählen alle Maßnahmen, die zur Erhaltung des bestimmungsgemäßen Gebrauchs oder der baulichen Substanz vorgenommen werden, um die durch Abnutzung, Alterung oder Witterungseinflüsse entstandenen baulichen und sonstigen Mängel ordnungsgemäß zu beseitigen, ohne die Identität der baulichen Anlage zu verändern[177]. Instandhaltungsmaßnahmen sind nach allen Bauordnungen – unabhängig von einer grundsätzlichen Genehmigungspflicht – verfahrensfrei[178]. Deshalb stellt sich häufig die Frage der Abgrenzung zur Änderung. Kriterien sind dabei Umfang und Intensität der baulichen Erneuerungen. Eine Änderung liegt danach etwa dann vor, wenn ein Gebäude im Zuge der Bauarbeiten völlig entkernt werden soll[179] oder wenn der bauliche Eingriff eine statische Neuberechnung des gesamten Gebäudes notwendig macht[180].
c) Öffentliche Bauten
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Bei baulichen Anlagen des Bundes und der Länder tritt an die Stelle der Baugenehmigung die bloße Zustimmung der Bauaufsichtsbehörde, wenn der öffentliche Bauherr die Leitung der Entwurfsarbeiten und die Bauüberwachung Fachkräften seiner – ausreichend qualifiziert besetzten – Baudienststelle übertragen hat[181]. Gegen die Zustimmung kann der Nachbar mit Widerspruch und Anfechtungsklage vorgehen, denn sie ist als Verwaltungsakt zu qualifizieren[182]. Dies ergibt sich daraus, dass hier die Bauaufsichtsbehörde nicht in ein mehrstufiges Verwaltungsverfahren eingebunden ist, sondern abschließend mit Außenwirkung über die baurechtliche Zulässigkeit entscheidet[183]. Mangels formeller Polizeipflichtigkeit des öffentlichen Vorhabenträgers kann der Nachbar dagegen kein Einschreiten der Bauaufsichtsbehörde verlangen, sondern muss sich mit der allgemeinen Leistungsklage in Form der Unterlassungsklage direkt gegen die jeweilige Körperschaft wenden[184].
d) Vorrang anderer Gestattungsverfahren
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Der