ist die Baugenehmigung vor allem mit der positiven Konsequenz der sog. Legalisierungswirkung verbunden, zu der der feststellende Teil der Baugenehmigung führt. Unter Legalisierungswirkung versteht man, dass die Behörde dem Bauherrn nach Erteilung einer wirksamen Baugenehmigung entgegenstehende öffentlich-rechtliche Vorschriften (im Umfang der Prüfpflicht der Behörde) nicht mehr entgegenhalten kann[275]. Das kommt dem Bauherrn nicht nur dann zugute, wenn der Behörde bei der Prüfung der öffentlich-rechtlichen Vorschriften Fehler unterlaufen sind, sondern vor allem auch dann, wenn nach der Erteilung der Baugenehmigung eine Rechtsänderung eingetreten ist. Zu denken ist insoweit nicht nur an eine Veränderungssperre (siehe § 14 Abs. 3 BauGB), sondern auch an eine Änderung des Bebauungsplans. In jedem Fall ist ein repressives Vorgehen der Bauaufsichtsbehörde ohne Rücknahme oder Widerruf der Baugenehmigung ausgeschlossen, soweit die bauliche Anlage von der Legalisierungswirkung umfasst ist[276]. Entscheidende Bedeutung kommt damit der Frage der Reichweite der Legalisierungswirkung zu. Die Baugenehmigung erfasst kein von ihr abweichend errichtetes Vorhaben, wenn es sich gegenüber der Baugenehmigung als aliud darstellt[277]. Dies ist der Fall, wenn es sich in Bezug auf baurechtlich relevante Kriterien von dem genehmigten Vorhaben unterscheidet und sich die Frage der Genehmigungsfähigkeit neu stellt. Auf die baurechtliche Zulässigkeit der Abwandlung kommt es dabei nicht an[278]. Zu berücksichtigen ist dabei gleichwohl, dass mangelhafte Bauarbeiten, die gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften verstoßen oder die von der Erlaubnis abweichen, auf die Rechtmäßigkeit einer Baugenehmigung selbst keinen Einfluss haben[279].
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Die Tendenz der Landesgesetzgeber in den letzten Jahren, den Prüfungsumfang der Baugenehmigungen zu reduzieren, hat vermehrt zu Fällen geführt, in denen die Bauaufsichtsbehörde ihren Prüfungsumfang überschritten hat. In Umkehrung zu der im Folgenden dargestellten Konstellation, in der eine Baugenehmigung aufgrund eigentlich nicht zu prüfender Vorschriften mangels Sachbescheidungsinteresses versagt wird[280], stellt sich hier die Frage, wie weit sich die Legalisierungswirkung der erteilten Baugenehmigung erstreckt, wenn die Bauaufsichtsbehörde die Übereinstimmung mit nicht zu prüfenden Anforderungen ausdrücklich festhält. Die Antwort ergibt sich aus der allgemeinen Verwaltungsrechtsdogmatik, wonach eben auch ein rechtswidriger – hier: ‚überfrachteter‘ – Verwaltungsakt unproblematisch in Bestandskraft erwächst, so dass dem Bauherrn dementsprechend auch die vollumfängliche Legalisierungswirkung zugute kommt[281]. Insbesondere führt eine solche Überschreitung des Prüfprogramms nicht zur Nichtigkeit der Baugenehmigung[282].
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Nach Erteilung der Baugenehmigung besteht für den Bauherrn keine Baupflicht. Allerdings muss das Vorhaben, wird einmal mit der Bauausführung begonnen, auch vollständig verwirklicht werden, denn ansonsten würde ein anderes, nicht genehmigtes Vorhaben realisiert werden[283]. Wird von einer Baugenehmigung kein Gebrauch gemacht, erlischt sie grundsätzlich nach Ablauf einer von den Landesbauordnungen bestimmten Frist[284]. Die Frist kann auf Antrag verlängert werden[285], wobei der Behörde entgegen dem Wortlaut kein Ermessen zukommt, da es sich bei der Verlängerung lediglich um eine vereinfachte Neuerteilung der Baugenehmigung handelt, die daher ebenfalls eine gebundene Entscheidung sein muss[286]. Wird ein Bauvorhaben begonnen, aber nicht fertiggestellt, sehen einige Bauordnungen ebenfalls eine Frist vor, innerhalb derer die Baugenehmigung erlischt[287]. Wird von der Baugenehmigung Gebrauch gemacht, richtet sich die Fortdauer der Wirksamkeit nach der allgemeinen Bestimmung des § 43 Abs. 2 LVwVfG[288]. In Fällen einer langjährigen Nutzungsunterbrechung, nachdem von der Baugenehmigung anfänglich Gebrauch gemacht worden war, kann nicht von einem Verzicht auf die Baugenehmigung ausgegangen werden[289]. Dagegen führt eine Zerstörung des Bauwerks zum Erlöschen der Baugenehmigung[290].
g) Abweichungen
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Um das materielle Bauordnungsrecht flexibler zu gestalten, sehen die Landesbauordnungen für die Bauaufsichtsbehörden die Möglichkeit vor, Abweichungen von den bauordnungsrechtlichen Vorschriften zuzulassen[291]. Die Abweichung ersetzt nunmehr weitgehend die Begriffe der Ausnahme und der Befreiung[292]. Im Baugenehmigungsverfahren ergeht die Entscheidung über die Zulassung von Abweichungen als Teil der Baugenehmigung[293]. Sofern im Zuge der Deregulierung keine Baugenehmigung mehr erteilt wird, ergeht eine gesonderte Entscheidung[294]. Die Zulassung einer Abweichung ist nur in atypischen grundstücksbezogenen Fällen möglich, insbesondere wenn die Normanwendung dem Gesetzeszweck zuwiderlaufen würde[295]. Vereinzelt konnten auch anlagenbezogene Besonderheiten die Erteilung einer Abweichung rechtfertigen, dies wurde bislang bei Windkrafträdern anerkannt[296]. In der Rechtsprechung wird die Zulassung von Abweichungen als ein Fall tatbestandlich intendierten Ermessens angesehen[297].
4. Bauvorbescheid, Teilbau-, Typen- und Ausführungsgenehmigung
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Um dem Bauherrn die Möglichkeit zu geben, aus Kostengründen das Gesamtverfahren der Baugenehmigung abzuschichten, sehen alle Landesbauordnungen die Möglichkeit eines Bauvorbescheids vor[298]. Trotz des anderslautenden Wortlauts einiger Bauordnungen[299] liegt die Erteilung des Bauvorbescheids nicht im Ermessen der Bauaufsichtsbehörden; vielmehr handelt es sich wie bei der Baugenehmigung um eine gebundene Entscheidung[300]. Das Institut des Bauvorbescheids bietet sich vor allem dann an, wenn sich bestimmte Aspekte des Vorhabens als problematisch erweisen könnten und daher eine diesbezügliche Vorprüfung sinnvoll erscheint. Der Sache nach handelt es sich beim Vorbescheid um einen vorweggenommenen Ausschnitt aus dem feststellenden Teil der Baugenehmigung[301]. Dagegen fehlt dem Bauvorbescheid jede gestaltende Wirkung; diese erfolgt erst mit der am Schluss des Verfahrens stehenden Baugenehmigung, die dann die Durchführung des Bauvorhabens grundsätzlich[302] in seinem gesamten Umfang freigibt[303]. Der zulässige Gegenstand des Bauvorbescheids wird durch den Prüfungsumfang der Baugenehmigung für das jeweilige Bauvorhaben begrenzt[304]. Für Vorhaben, die der Genehmigungsfreistellung (Bauanzeigeverfahren, Kenntnisgabeverfahren) unterfallen oder verfahrensfrei sind, bedeutet dies, dass grundsätzlich[305] kein Bauvorbescheid beantragt werden kann[306].
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In der Praxis steht derjenige Vorbescheid im Vordergrund, der die bauplanungsrechtliche Prüfung vorwegnimmt[307]. Er wird als Bebauungsgenehmigung bezeichnet. Freilich hängt die Attraktivität für den Bauherrn vom Grad der Verbindlichkeit des Instituts ab. In Betracht kommen eine Bewertung als bloße Zusicherung nach § 38 der jeweiligen LVwVfG[308] oder die Zuerkennung einer strikten Bindungswirkung[309]. Nach Auffassung des BVerwG liegt es in der Hand der Länder, darüber in den Landesbauordnungen zu entscheiden[310]: Interessant ist hierbei vor allem die Frage, ob sich die Bebauungsgenehmigung gegenüber einer später erlassenen Veränderungssperre durchsetzt; denn seinem Wortlaut nach verlangt § 14 Abs. 3 BauGB an sich eine baurechtliche Genehmigung[311]. Während die Hamburger Landesbauordnung zwischenzeitlich für den Fall des Inkrafttretens einer Veränderungssperre tatsächlich die Unwirksamkeit der Bebauungsgenehmigung normiert hatte, stellen nunmehr alle Bundesländer die Bindungswirkung des Vorbescheids derjenigen der gesamten Genehmigung gleich[312], freilich beschränkt auf den bauplanungsrechtlichen Teil. Unterschiede zwischen den verschiedenen Landesbauordnungen bestehen allerdings im Hinblick auf die Geltungsdauer des Vorbescheids. Die meisten Bundesländer haben sich mit einer Dauer von drei Jahren der MBO angeschlossen[313], eine Verlängerungsmöglichkeit, teilweise auch rückwirkend[314], kennen sie alle[315]. Einige Bauordnungen sehen schließlich vor, dass der Erlass des Bauvorbescheids – entsprechend der Regelung bei der vereinfachten Baugenehmigung (siehe Rn. 80) – nach einem gewissen Zeitablauf fingiert wird[316].
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Im Hinblick auf den Rechtsschutz ergibt sich ein spezielles Problem aus dem Verhältnis zwischen Bauvorbescheid, insbesondere in der Form der Bebauungsgenehmigung, und anschließender Baugenehmigung. Hier ist danach zu differenzieren, ob der Vorbescheid bereits bestandskräftig geworden ist. Ist das der Fall, wird er bloß redaktionell noch einmal in die Baugenehmigung aufgenommen. Fehlt es an der Bestandskraft des Vorbescheids, liegt