sein – dürfen nicht eingetragen werden (eintragungsunfähige Tatsachen), weil andernfalls das Handelsregister unübersichtlich würde und dadurch der Zweck der handelsregisterlichen Publizität gefährdet wäre.[4]
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Beispiele für eintragungspflichtige Tatsachen sind Firma und Ort der Handelsniederlassung (§ 29 HGB), Erteilung und Erlöschen der Prokura (§ 53 HGB); aus dem Gesellschaftsrecht: die Gründung und Auflösung von OHG bzw. KG sowie jede Veränderung im Gesellschafterkreis (§§ 106, 107, 143, 162 HGB) und Einschränkungen der gesetzlichen Vertretungsregelung (§ 106 II Nr. 4 HGB); Gründung und Auflösung von GmbH und AG (§§ 7, 65 GmbHG, §§ 36, 263 AktG), die Mitglieder von GmbH-Geschäftsführung[5] bzw. AG-Vorstand (§§ 8, 39 GmbHG, §§ 37, 81 AktG) – aber nicht die Gesellschafter –, die Höhe des Stamm- bzw. Grundkapitals (§ 8 GmbHG, § 37 AktG) sowie gem. §§ 57, 58 GmbHG, §§ 184, 227 AktG auch alle Kapitalveränderungen (dagegen keine Eintragungsfähigkeit des Vermögens einer OHG oder KG).
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Eintragungspflichtig kraft richterlicher Rechtsfortbildung sind Unternehmensverträge bei der GmbH[6] und kraft extensiver Auslegung des § 10 I 2 GmbHG die – zulässige – Befreiung vom Verbot des Selbstkontrahierens (§§ 181 BGB, 35 IV GmbHG).[7]
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Merke:
Nur die eintragungspflichtigen Tatsachen werden von den Rechtswirkungen des § 15 I und III HGB erfasst, nicht bereits die eintragungsfähigen Tatsachen.
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Eintragungsfähig ist zB der mit dem Veräußerer vereinbarte Haftungsausschluss bei der Firmenfortführung gem. § 25 II HGB (unten Rn. 170) und nach hM auch die Anordnung der Testamentsvollstreckung bei der KG.[8] Nicht eintragungsfähig ist hingegen zB die Erteilung einer Handlungsvollmacht oder das Erlöschen der Geschäftsfähigkeit eines organschaftlichen Vertreters.[9]
3. Deklaratorische und konstitutive Wirkungen der Eintragung
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Hinsichtlich der Wirkungen der Handelsregistereintragung ist zu unterscheiden: Konstitutiv (= rechtsbegründend) wirkt eine Eintragung dann, wenn erst durch die Eintragung die betreffende Rechtstatsache zur Entstehung gelangt. Hauptbeispiel ist die Eintragung des kleingewerblichen Kannkaufmanns gem. § 2 HGB (oben Rn. 34). Gleiches gilt aber auch für die Eintragung von GmbH und AG, die erst ab diesem Zeitpunkt zur juristischen Person werden (vorher: Vorgesellschaft, dazu Rn. 507 ff.). Dagegen hat zB die Eintragung des Istkaufmanns (§§ 1, 29 HGB) oder die Erteilung bzw. der Widerruf der Prokura (§ 53 HGB) nur deklaratorische (= rechtsbekundende) Wirkung. Denn der Istkaufmann ist bereits vor der Eintragung – also unabhängig von ihr – Kaufmann, und auch die Erteilung und der Widerruf der Prokura sind ohne Eintragung wirksam.
§ 3 Publizität des Handelsregisters › II. Negative und positive Publizität des Handelsregisters gem. § 15 HGB
II. Negative und positive Publizität des Handelsregisters gem. § 15 HGB
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Ausgehend von der Funktion des Handelsregisters (Rn. 51) enthält § 15 HGB verschiedene materiellrechtliche Regelungen:
– | Den Schutz Dritter bei Nichteintragung oder Nichtbekanntmachung eintragungspflichtiger Tatsachen (§ 15 I HGB). |
– | Die Rechtsfolgen bei richtiger Eintragung und Bekanntmachung von eintragungspflichtigen Tatsachen (§ 15 II HGB). |
– | Den Schutz Dritter im Hinblick auf unrichtige Bekanntmachungen eintragungspflichtiger Tatsachen (§ 15 III HGB). |
a) Normzweck und dogmatische Struktur
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Die negative Publizität des Handelsregisters nach § 15 I HGB bezweckt den Schutz des redlichen Rechtsverkehrs: Ist eine im Interesse des Rechtsverkehrs eintragungspflichtige Tatsache nicht in das Handelsregister eingetragen und bekanntgemacht, so kann sich der Anmeldepflichtige gegenüber einem gutgläubigen Dritten auf diese Tatsache nicht berufen.
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Fall 5a:
Wird der Widerruf einer Prokura[10] entgegen § 53 II HGB nicht eingetragen und bekanntgemacht, so muss der Inhaber des Handelsgeschäfts trotz materiell wirksamen Widerrufs Rechtsgeschäfte seines bisherigen Prokuristen gegen sich gelten lassen, es sei denn, der Geschäftspartner wusste von dem Widerruf.
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Fall 5b:
Trotz Ausscheidens aus der OHG haftet der bisherige Gesellschafter auch für alle Neuverbindlichkeiten gem. § 128 HGB,[11] wenn sein Ausscheiden entgegen § 143 II HGB nicht eingetragen und bekanntgemacht wird.
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Dogmatisch handelt es sich um einen speziellen Fall der Rechtsscheinhaftung,[12] der an das Unterlassen der gesetzlich vorgeschriebenen Handelsregistereintragung und Bekanntmachung anknüpft. Geschützt wird durch § 15 I HGB das Vertrauen auf das „Schweigen“ des Handelsregisters (daher negative Publizität). Dieser Vertrauenstatbestand (Rechtsschein), der weiter reicht als die allgemeine Rechtsscheinhaftung (zu den einzelnen Tatbestandsvoraussetzungen des § 15 I HGB unten Rn. 66 ff.), kann vom Anmeldepflichtigen durch Eintragung und Bekanntmachung zerstört werden. Während allerdings in den Fällen 5a und 5b das Vertrauen des Rechtsverkehrs in den Fortbestand der bisherigen Rechtslage geschützt wird, gilt dies im Fall 5c für das Vertrauen in die gesetzliche Rechtslage:[13]
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Fall 5c:
A, B und C sind Gesellschafter der ABC-OHG. Im Gesellschaftsvertrag ist vereinbart, dass A von der Vertretung der OHG ausgeschlossen ist; für B und C ist Gesamtvertretung vorgesehen. Diese – nach § 125 I Hs. 2, II 1 HGB zulässige – Regelung kann einem gutgläubigen Dritten D, mit dem A für die OHG ein Rechtsgeschäft abschließt, jedoch nicht entgegengehalten werden, wenn Eintragung und/oder Bekanntmachung (vgl. § 106 II Nr. 4 HGB) unterlassen wurden. Dann kann D auf die gesetzliche Einzelvertretungsmacht eines jeden OHG-Gesellschafters (§ 125 I Hs. 1 HGB) vertrauen und die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts geltend machen.[14]
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Merke:
Jede Änderung der dispositiven Gesetzeslage wirkt hinsichtlich eintragungspflichtiger Tatsachen gutgläubigen Dritten gegenüber nur, wenn Eintragung und Bekanntmachung erfolgt sind.
b) Tatbestandsvoraussetzungen
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aa) § 15 I HGB erfasst nur eintragungspflichtige Tatsachen, und zwar sowohl deklaratorische als auch konstitutive Tatsachen (oben