Reinhart Maurach

Strafrecht Besonderer Teil. Teilband 1


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Stoß) ausschließlich vom äußeren Erfolg abhängig gemacht. Zu offensichtlichen Ungerechtigkeiten mussten die erfolgsqualifizierten Delikte in den Fällen eines abnormen, weder für den Täter noch für den unvoreingenommenen ex-ante-Beobachter voraussehbaren, Kausalverlaufes führen. Beispiel: A gibt dem B aus Mutwillen eine leichte Ohrfeige, er konnte nicht wissen, dass B an einer Ohrenkrankheit litt; Ergebnis des Schlages: Taubheit des Geohrfeigten; Ergebnis für A: Bestrafung mit Zuchthaus, denn die Taubheit des B war „Folge“ der Tat, und die absolute Unvoraussehbarkeit spielte keine Rolle. Um diese unbilligen Folgen abzuwenden, sind von Wissenschaft und Praxis die verschiedensten Wege beschritten worden (eingehend 1. Aufl. 72). Seit dem 3. StÄG ist bei § 226 wie bei allen erfolgsqualifizierten Delikten hinsichtlich der schweren Folge mindestens Fahrlässigkeit erforderlich (jetzt § 18).

      Die Kausalität ist mithin grundsätzlich auf dem Boden der Äquivalenztheorie festzustellen. Die Zahl der Glieder in der Ursachenkette spielt dabei als solche keine Rolle. Daher wird die Kausalität weder durch eigenes Verschulden des Verletzten (Vernachlässigung einer leichten Wunde) noch durch das Dazwischentreten eines Dritten unterbrochen. Die Rechtsprechung verlangt jedoch einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Körperverletzung und dem Erfolg: in dem Erfolg muss sich gerade die typische Gefahr der Körperverletzung verwirklicht haben (s.u. Rn. 32).

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      b) Die qualifizierenden Folgen des § 226 sind im Gesetz abschließend aufgezählt.

      aa) Das Seh-, Hör- oder Sprechvermögen ist verloren, wenn es auf einen für das praktische, insbesondere berufliche Leben nicht mehr verwertbaren Rest reduziert ist (OLG Hamm GA 76, 304); im Gegensatz zum Hörvermögen genügt der Verlust des Sehvermögens auf einem Auge. Die Fortpflanzungsfähigkeit umfasst nicht die Beiwohnungsfähigkeit (h.L.; a.A. Hardtung MK 25); selbstverständlich sind beide Geschlechter taugliches Objekt dieser Qualifikation (BGH 10, 315; 21, 194).

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      c) Der Vorsatz des Täters muss sich nur auf das den qualifizierten Erfolg auslösende Grunddelikt (§ 223) beziehen, während die Qualifikation dem Täter schon dann zur Last gelegt werden kann, wenn ihn insoweit der Vorwurf der Fahrlässigkeit trifft (§ 18): der konkrete Täter muss in der konkreten Situation in der Lage gewesen sein, zu erkennen, dass sein vorsätzliches Grunddelikt eine der von § 226 aufgezählten Folgen auslösen konnte. Soweit für die Fahrlässigkeit eine Sorgfaltspflichtverletzung verlangt wird (hiergegen Schroeder JZ 89, 776), ist sie durch die Begehung des Grunddelikts automatisch gegeben (BGH 24, 213 m. Anm. Meisenberg NJW 72, 694). Hat der Täter hinsichtlich der schweren Folge absichtlich oder wissentlich gehandelt, so greift § 226 Abs. 2 ein.

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      d) Beim Versuch sind drei Möglichkeiten zu unterscheiden.

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      bb) Schon das Grunddelikt war missglückt (die ätzende Flüssigkeit, die das Gesicht des Opfers treffen sollte, wobei der Täter Entstellung in Kauf nahm, verfehlte ihr Ziel). Hier tritt die versuchte Körperverletzung hinter den zugleich gegebenen Versuch des § 226 zurück.

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      e) Strafe: Freiheitsstrafe von 1–10, bei Abs. 2 3–15 Jahren; in minder schweren Fällen 6 Monate–5 Jahre bzw. 1–10 Jahre (Abs. 2). Die Tat ist also Verbrechen i.S. des § 12.

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      §