Stoß) ausschließlich vom äußeren Erfolg abhängig gemacht. Zu offensichtlichen Ungerechtigkeiten mussten die erfolgsqualifizierten Delikte in den Fällen eines abnormen, weder für den Täter noch für den unvoreingenommenen ex-ante-Beobachter voraussehbaren, Kausalverlaufes führen. Beispiel: A gibt dem B aus Mutwillen eine leichte Ohrfeige, er konnte nicht wissen, dass B an einer Ohrenkrankheit litt; Ergebnis des Schlages: Taubheit des Geohrfeigten; Ergebnis für A: Bestrafung mit Zuchthaus, denn die Taubheit des B war „Folge“ der Tat, und die absolute Unvoraussehbarkeit spielte keine Rolle. Um diese unbilligen Folgen abzuwenden, sind von Wissenschaft und Praxis die verschiedensten Wege beschritten worden (eingehend 1. Aufl. 72). Seit dem 3. StÄG ist bei § 226 wie bei allen erfolgsqualifizierten Delikten hinsichtlich der schweren Folge mindestens Fahrlässigkeit erforderlich (jetzt § 18).
Die Kausalität ist mithin grundsätzlich auf dem Boden der Äquivalenztheorie festzustellen. Die Zahl der Glieder in der Ursachenkette spielt dabei als solche keine Rolle. Daher wird die Kausalität weder durch eigenes Verschulden des Verletzten (Vernachlässigung einer leichten Wunde) noch durch das Dazwischentreten eines Dritten unterbrochen. Die Rechtsprechung verlangt jedoch einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Körperverletzung und dem Erfolg: in dem Erfolg muss sich gerade die typische Gefahr der Körperverletzung verwirklicht haben (s.u. Rn. 32).
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b) Die qualifizierenden Folgen des § 226 sind im Gesetz abschließend aufgezählt.
aa) Das Seh-, Hör- oder Sprechvermögen ist verloren, wenn es auf einen für das praktische, insbesondere berufliche Leben nicht mehr verwertbaren Rest reduziert ist (OLG Hamm GA 76, 304); im Gegensatz zum Hörvermögen genügt der Verlust des Sehvermögens auf einem Auge. Die Fortpflanzungsfähigkeit umfasst nicht die Beiwohnungsfähigkeit (h.L.; a.A. Hardtung MK 25); selbstverständlich sind beide Geschlechter taugliches Objekt dieser Qualifikation (BGH 10, 315; 21, 194).
bb) Die Wichtigkeit eines vom Verletzten eingebüßten Körpergliedes bestimmt sich zwar nicht nach den individuellen sozialen Verhältnissen des Verletzten, etwa seinem Beruf (Verlust eines Gliedes des Ringfingers eines Pianisten), wohl aber nach seiner individuellen körperlichen Beschaffenheit; dabei sind auch Abweichungen vom Normalen zu berücksichtigen (Finger der linken Hand als wichtiges Glied eines Linkshänders)[38]. Während die Rechtsprechung als Glied früher jeden Körperteil mit abgeschlossener Existenz und Funktion im Gesamtorganismus (RG 3, 392; 64, 202) und daher auch eine Niere als „Glied“ ansah (OLG Neustadt NJW 61, 2076), hat BGH 28, 100 diese Rechtsprechung zurückgewiesen. Da § 226 die Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit bestimmter Organe des Körpers gesondert erfasst (Augen, Ohren, Geschlechtsorgane), ist im Umkehrschluss anzunehmen, dass mit dem Begriff des Gliedes nur Körperteile gemeint sind, die mit dem übrigen Körper durch ein Gelenk verbunden sind. Dem Verlust eines wichtigen Gliedes steht (seit dem 6. StrRG 1998) seine dauernde Unbrauchbarkeit gleich; darunter soll nach den Gesetzesmotiven schon die Versteifung eines Gelenkes fallen (BT-Dr 13/9064 S. 38)[39].
cc) Eine „dauernde Entstellung in erheblicher Weise“ besteht in der nicht unerheblichen Verunstaltung der Gesamterscheinung des Verletzten (Fischer 9); daher sind auch von Hause aus unansehnliche Personen taugliche Verletzungsobjekte (BGH MDR/D 68, 16). Entstellt werden können auch Körperteile, die üblicherweise durch die Kleidung verdeckt werden, z.B. bei Tänzerinnen oder Badenden (BGH 17, 163). Bei Narben ist die Rechtsprechung sehr engherzig[40]. Aus dem treffenden Ausdruck „Siechtum“ (statt Krankheit) folgt das Erfordernis eines den Gesamtorganismus dauerhaft angreifenden (chronischen), die Leistungsfähigkeit in hohem Maße beeinträchtigenden Zustandes[41]. Für die Lähmung ist angesichts der Einführung der Gebrauchsunfähigkeit von Körpergliedern (Nr. 1) die bedenkliche Ausweitung auf einzelne Körperglieder (BGH NJW 88, 2622 m. Anm. Kratzsch JR 89, 295) nicht mehr erforderlich (so auch Grünewald LK 24). Eine geistige Krankheit kann auch vorliegen, wenn die Voraussetzungen einer der in § 20 genannten Beeinträchtigungen noch nicht erfüllt sind. Für eine Behinderung bedarf es nicht nur einer Störung der Gehirntätigkeit, sondern diese muss zudem zu körperlichen Funktionsstörungen führen.
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Die Begriffe „Verlust“, „dauernde Entstellung“ und „Verfallen“ bedeuten: in absehbarer Zeit nicht behebbar. Daher sind alle dem Verletzten zumutbaren Möglichkeiten der ärztlichen Kunst zugunsten des Täters zu berücksichtigen; die tatsächliche Nichtvornahme einer Operation muss außer Betracht bleiben[42]; das vieldiskutierte Problem der finanziellen Möglichkeit ist schon angesichts von Versicherungs- und Schadensersatzansprüchen selten relevant und wird für kosmetische Operationen mit der fortschreitenden Anerkennung des psychosomatischen Krankheitsbegriffs (s.o. Rn. 2, § 8 Rn. 2) seine Bedeutung weiter verlieren. Dies kann allerdings nicht bedeuten, auch bei jeder „gut aussehenden“ Prothese (Glasauge, Zahnersatz) eine „erhebliche Entstellung“ abzulehnen[43]. Denn hierfür kommt es nicht nur auf die Auffassung unbeteiligter Dritter, sondern auch auf die nahestehender Personen, insbesondere in der Intimsphäre, an. BayObLG NStZ-RR 04, 264 will sogar die Benutzung von Brillen ausschließen.
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c) Der Vorsatz des Täters muss sich nur auf das den qualifizierten Erfolg auslösende Grunddelikt (§ 223) beziehen, während die Qualifikation dem Täter schon dann zur Last gelegt werden kann, wenn ihn insoweit der Vorwurf der Fahrlässigkeit trifft (§ 18): der konkrete Täter muss in der konkreten Situation in der Lage gewesen sein, zu erkennen, dass sein vorsätzliches Grunddelikt eine der von § 226 aufgezählten Folgen auslösen konnte. Soweit für die Fahrlässigkeit eine Sorgfaltspflichtverletzung verlangt wird (hiergegen Schroeder JZ 89, 776), ist sie durch die Begehung des Grunddelikts automatisch gegeben (BGH 24, 213 m. Anm. Meisenberg NJW 72, 694). Hat der Täter hinsichtlich der schweren Folge absichtlich oder wissentlich gehandelt, so greift § 226 Abs. 2 ein.
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d) Beim Versuch sind drei Möglichkeiten zu unterscheiden.
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aa) Das Grunddelikt (die vorsätzliche Körperverletzung nach § 223) war vollendet, doch blieb die beabsichtigte oder in Kauf genommene schwere Folge des § 226 aus („versuchte Erfolgsqualifizierung“). Hier ist in Tateinheit mit der vollendeten Körperverletzung ein wegen § 23 strafbarer Versuch des § 226 gegeben[44].
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bb) Schon das Grunddelikt war missglückt (die ätzende Flüssigkeit, die das Gesicht des Opfers treffen sollte, wobei der Täter Entstellung in Kauf nahm, verfehlte ihr Ziel). Hier tritt die versuchte Körperverletzung hinter den zugleich gegebenen Versuch des § 226 zurück.
cc) Schon bei dem Versuch des Grunddelikts trat – vorhersehbar, aber vom Täter nicht vorhergesehen – die schwere Folge ein („erfolgsqualifizierter Versuch“). Hier liegt mangels Vorsatzes bezüglich der schweren Folge kein Versuch des § 226 vor. Ein vollendeter § 226 scheidet ebenfalls aus, da der Wortlaut des § 226 unmissverständlich eine vollendete Körperverletzung voraussetzt[45]. Also ist in Tateinheit neben der versuchten lediglich noch eine fahrlässige Körperverletzung hinsichtlich der schweren Folge gegeben.
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e) Strafe: Freiheitsstrafe von 1–10, bei Abs. 2 3–15 Jahren; in minder schweren Fällen 6 Monate–5 Jahre bzw. 1–10 Jahre (Abs. 2). Die Tat ist also Verbrechen i.S. des § 12.
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§