Александр Дюма

Die Dame von Monsoreau


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gegangen. Er schenkt ihr ein Collier von Perlen im Werte von fünf und zwanzig tausend Thalern, küsst sie auf beide Wangen, was ihm seit mehr als einem Jahre nicht mehr begegnet ist, und bittet sie, ihren königlichen Schmuck abzulegen, und sich mit einem Sack zu bedecken.

      Stets gut und sanft, willigt Louise von Lothringen sogleich ein. Sie fragt, warum ihr Gemahl, während er ihr ein Perlenhalsband gebe, wünsche, dass sie sich einen Sack auf die Schultern lege.

      »Für meine Sünden,« antwortet Heinrich. Diese Antwort befriedigt die Königin, denn sie weiß besser als irgend Jemand, für welche ungeheure Summe von Sünden ihr Gemahl Buße zu tun hat. Sie kleidet sich nach dem Willen von Heinrich, der in sein Zimmer zurückkehrt, wohin er die Königin bescheidet.

      Bei dem Anblick des Königs beginnt die Geißelung wieder. D'O und Chicot, welche nicht aufgehört haben, sind blutig. Der König lobt sie und nennt sie seine einzigen und wahren Freunde.

      Nach Verlauf von zehn Minuten kommt die Königin in einen Sack gekleidet. Sogleich verteilt man Kerzen an den ganzen Hof, und trotz des abscheulichen Wetters, trotz des Schnees und Eises ziehen die schönen Höflinge, die schönen Damen und die guten Pariser, dem König und Unserer lieben Frau ergeben, nach dem Montmartre. Anfangs schnatternd, bald aber erwärmt durch die wütenden Hiebe, welche Chicot an alle Leute austeilt, die das Unglück haben, sich im Bereich seiner Geißel zu finden.

      D'O hat sich für besiegt erklärt und ist in die Reihe fünfzig Schritte von Chicot getreten.

      Um vier Uhr Abends ist die traurige Fahrt beendigt; die Füße des ganzen Hofes sind aufgeschwollen, die Rücken aller Höflinge geschunden; die Königin war öffentlich in einem ungeheuren Hemd von grober Leinwand erschienen, der König mit einem Rosenkranz von Totenköpfen. Tränen, Geschrei, Gebete, Weihrauch, Gesänge, Alles hatte man hören und sehen können.

      Der Tag war offenbar gut gewesen.

      In der Tat, Jeder litt unter der Kälte und den Streichen, um dem König Vergnügen zu machen, ohne dass irgend Jemand zu erraten vermochte, warum dieser Fürst, der zwei Tage vorher noch so gut tanzte, zwei Tage nachher sich so heftig zerfleischte.

      Die Hugenotten, die Liguisten und die Freidenker sahen lachend die Prozession der Geißler vorüberziehen und sagten als wahre Entwürdiger: »Was für Leute sind das!«

      Heinrich ist nüchtern mit langen, blauen und roten Striemen auf den Schultern zurückgekehrt; er hat die Königin den ganzen Tag nicht verlassen und jeden Augenblick der Ruhe, jede Station bei den Kapellen benützt, um ihr neue Einkünfte zu versprechen und Pläne für eine Pilgerfahrt mit ihr zu machen.

      Des Schlagens müde und ausgehungert durch die ungewohnte Anstrengung, zu der ihn der König verurteilte, hat sich Chicot etwas oberhalb der Porte Montmartre davongestohlen und ist mit einigen Atheisten3 vom Hofe in den Garten eines berühmten Wirtshauses getreten, um gewürzten Wein zu trinken und eine in den Sümpfen der Grange-Batelière geschossene Kriechente zu speisen. Bei der Rückkehr der Prozession hat er wieder seine Stelle eingenommen und ist, auf das Schönste, die Büßer und Büßerinnen schlagend und, wie er selbst sagte, vollen Ablass erteilend, in den Louvre gezogen.

      Am Abend fühlte sich der König ermüdet durch sein Fasten, durch seinen Gang mit nackten Füßen und durch die wütenden Streiche, die er sich gegeben hat. Er ließ sich ein mageres Abendbrot vorsetzen, seine Schultern wärmen, ein großes Feuer anzünden, und ging zu Saint-Luc, den er munter und gestärkt fand. Seit dem vorhergehenden Abend hatte sich der König gewaltig verändert; alle seine Gedanken waren der Nichtigkeit der irdischen Dinge, der Buße und dem Tod zugewendet.

      »Ah!« sagte er zu Saint-Luc mit dem tiefen Ausdrucke des Mannes, der des Lebens überdrüssig ist, »Gott hat in der Tat wohl daran getan, dass er das Dasein so bitter machte.«

      »Warum dies, Sire?« fragte Saint-Luc.

      »Weil der Mensch, müde dieser Welt, statt den Tod zu fürchten, sich darnach sehnt.«

      »Verzeiht, Sire,« entgegnete Saint-Luc, »sprecht für Euch, denn ich sehne mich durchaus nicht nach dem Tode.«

      »Höre, Saint-Luc,« versetzte der König den Kopf schüttelnd, »Du würdest wohl daran tun, meinen Rat, ich sage noch mehr, mein Beispiel zu befolgen.«

      »Sehr gern, Sire, wenn dieses Beispiel mich anlächelt.«

      »Ist es Dir genehm, dass wir, ich meine Krone und Du Deine Frau verlassen und in ein Kloster treten? Ich habe die Dispens von unserem heiligen Vater, dem Papst: schon morgen legen wir das Gelübde ab. Ich nenne mich Bruder Heinrich …«

      »Verzeiht, Sire, verzeiht, Euch liegt wenig an Eurer Krone, die Ihr zu sehr kennt; aber mir liegt viel an meiner Frau, die ich noch nicht genug kenne. Ich willige also nicht ein.«

      »Oh! oh!« rief Heinrich, »es scheint, es geht besser bei Dir.«

      »Unendlich besser, Sire; ich fühle meinen Geist ruhig, mein Herz freudig. Meine Seele ist auf eine unglaubliche Weise für das Glück und das Vergnügen gestimmt.«

      »Armer Saint-Luc!« sagte der König die Hände faltend.

      »Sire, Ihr hättet mir dies gestern vorschlagen müssen. Gestern war ich mürrisch, verdrießlich, von Schmerzen geplagt. Ich hätte mich um nichts in einen Brunnen oder in ein Kloster gestürzt. Doch diesen Abend ist es etwas Anderes, ich habe eine gute Nacht und einen entzückenden Tag zugebracht. Und, bei Gott! es lebe die Freude!«

      »Du schwörst, Saint-Luc?« sagte der König.

      »Habe ich geschworen, Sire? Es ist möglich, doch Ihr schwört auch zuweilen, wie mir scheint.«

      »Ich habe geschworen, Saint-Luc, doch ich werde nicht mehr schwören.«

      »Ich wage dies nicht zu behaupten. Ich werde so wenig als möglich schwören; das ist das Einzige, wozu ich mich anheischig machen kann. Übrigens ist Gott gut und barmherzig gegen unsere Sünden, wenn dieselben von der menschlichen Schwachheit herrühren.«

      »Du glaubst, der gute Gott werde mir vergeben?«

      »Oh! ich spreche nicht für Euch, Sire, ich spreche für Euren Diener. Pest! Ihr habt gesündigt … als König … während ich als einfacher Privatmann sündigte; ich hoffe auch, der Herr wird am Tage des Gerichts zwei Gewichte und zwei Waagen haben.«

      Der König stieß einen Seufzer aus, murmelte ein Confiteor und schlug sich bei dem mea culpa an die Brust.

      »Saint-Luc,« sagte er endlich, »willst Du die Nacht in meinem Zimmer zubringen?«

      »Je nachdem,« erwiderte Saint-Luc, »was werden wir in dem Zimmer Eurer Majestät tun?«

      »Wir zünden alle Lichter an, ich lege mich nieder, und Du liest mir die Litaneien der Heiligen.«

      »Ich danke, Sire.«

      »Du willst also nicht?«

      »Ich werde mich wohl hüten.«

      »Du verlässest mich, Saint-Luc, Du verlässest mich?«

      »Nein, im Gegenteil, ich verlasse Euch nicht.«

      »Ah! wirklich.«

      »Wenn Ihr wollt?«

      »Gewiß will ich.«

      »Doch unter einer Bedingung sine qua non

      »Unter welcher?«

      »Eure Majestät lässt Tische aufschlagen, Musikanten und Höflinge holen, und wir tanzen meiner Treue!«

      »Saint-Luc! Saint-Luc!« rief der König im höchsten Schrecken.

      »Hört, Sire, ich fühle mich heute Abend zu jedem Mutwillen aufgelegt. Wollt Ihr, Sire?«

      Doch Heinrich antwortete nicht. Sein zuweilen so lebhafter und hellerer Geist verdüsterte sich immer mehr und schien gegen einen geheimen Gedanken zu kämpfen, welcher ihn beschwerte, wie ein Blei, befestigt an den Füße eines Vogels, der vergebens seine Flügel ausbreiten würde, um zu entfliehen.

      »Saint-Luc,« sagte der König endlich, mit höchst kläglicher