KG MacGregor

Liebe in Sicht


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war es wirklich die Mayonnaise.«

      »Danke, dass du mich davor bewahrt hast.«

      Kelly sah sie schuldbewusst an. »Ich habe ein schlechtes Gewissen, weil ich nichts gesagt habe, als sie mit ihren Tellern ankamen.«

      »Mach dir darüber keine Gedanken. Didi hätte sowieso nicht auf dich gehört. Wahrscheinlich hätte sie sich sogar noch einen Nachschlag geholt, nur um es dir zu zeigen.«

      »Übrigens – ich habe mir das Tagesprogramm durchgelesen. Heute Abend läuft der neue James Bond im Kino. Er fängt gleich nach dem Essen an. Glaubst du, jemand kommt mit?«

      »Klingt gut! Soll ich Steph anrufen?«

      »Klar. Es wäre schön, wenn wir mal alle zusammen was unternehmen.« Und sogar noch schöner, weil Didi und Pamela in ihrer Kabine bleiben mussten. Vielleicht würde Natalie sich dann ein bisschen entspannter zeigen.

      5

      Als sie am zweiten Morgen aufwachte, wusste Natalie sofort, wo sie war. Ihr größter Hinweis war Kelly, die am Fuß ihres Bettes stand, zwei Tassen Kaffee in der Hand, erhitzt und schweißnass vom Joggen.

      »Wir sind in San Juan. Ein atemberaubender Anblick da draußen.«

      Natalie setzte sich auf und räkelte sich. Sie versuchte, nicht daran zu denken, wie ihr Haar aussah. »Du hast mir wieder Kaffee mitgebracht. Ich muss mir was einfallen lassen, wie ich mich dafür revanchieren kann.«

      »Das ist nicht nötig. Es macht mir wirklich nichts aus. Ich habe überlegt, ob ich dich schlafen lassen soll, aber ich vermute, dass der Kapitän jeden Moment durchsagt, dass wir an Land gehen können.«

      Natalie schwang die Beine aus dem Bett und griff nach ihrem Bademantel. »Ich weiß gar nicht, was ich heute machen soll. Eigentlich wollte ich mit Didi und Pamela shoppen gehen, aber sie dürfen ja nicht von Bord, und allein habe ich keine Lust dazu.«

      »Fährst du gern Fahrrad? Ich habe mich zu einer Radtour angemeldet. Wir legen eine etwa fünfzehn Kilometer lange landschaftlich schöne Strecke zurück und enden schließlich an einem Strand, wo wir ein paar Stunden Zeit haben.« Kelly hatte ihren Kaffee abgestellt und verstaute Obst und Brot in ihrem Rucksack.

      »Ich glaube, dazu reicht meine Kondition nicht.«

      »Ich glaube doch. In der Broschüre war von einer leichten Tour die Rede.«

      Obwohl es verlockend klang, wollte Natalie sich nicht blamieren, indem sie schon nach dem ersten Kilometer schlappmachte. Dann würde Kelly sich genötigt sehen, sich zurückfallen zu lassen und sich ihrem Tempo anzupassen, obwohl jemand in solcher Topform wie sie die Tour ansonsten wohl angeführt hätte. »Ich glaube, ich verzichte lieber … Es sei denn, sie haben Räder mit diesen kleinen Beiwagen, bei denen die eine die ganze Arbeit macht, während die andere auf ihrem Allerwertesten sitzt wie eine Nacktschnecke.«

      Natalie trat mit dem Kaffee in der Hand auf den Balkon und stellte erstaunt fest, dass ein weiteres imposantes Kreuzfahrtschiff neben ihnen festgemacht hatte.

      Kelly trat hinter sie. »Die haben angedockt, als ich vorhin laufen war.«

      »Das Schiff ist ja riesig!«

      »Unseres ist dennoch größer. Das wirst du sehen, wenn wir an Land gehen.« Sie setzte sich in den Liegestuhl und legte die Füße auf die Reling. »Wenn du heute was anderes machen möchtest, kann ich meine Radtour auch absagen. Als ich in Key West stationiert war, habe ich einige dieser Inseln besucht, von daher würde ich nichts versäumen, was ich nicht schon kenne.«

      Natalie war versucht, das freundliche Angebot anzunehmen, aber sie bezweifelte ernsthaft, dass Kelly an der Art von Sightseeing und Shopping, wie sie ihr vorschwebte, Gefallen finden würde. »Das kann ich auf keinen Fall zulassen. Ich kann bestimmt mit Steph und Yvonne losziehen. Sie sind es mittlerweile weiß Gott gewöhnt, mich als ihren Schatten dabeizuhaben. Ich hänge ja schon seit zwanzig Jahren mit ihnen herum.«

      »Man merkt, dass ihr euch schon lange kennt. Vor allem du und Steph.«

      »Wir haben uns alle an der Ole Miss kennengelernt, als ich dort anfing zu studieren. Steph kam aus Memphis und Yvonne aus Rochester – sie hatte ein Softball-Stipendium, weil sie ihren High-School-Coach eingestellt haben.« Noch während sie sprach, wurde ihr klar, dass sie die Woher-wir-uns-kennen-Geschichte schon seit Jahren niemandem mehr erzählt hatte. Sie und Didi hatten ein geselliges Leben geführt, aber Natalie hatte sich außer Steph und Yvonne nie jemandem besonders nahe gefühlt – bestimmt nicht nahe genug, um in allen Einzelheiten zu erzählen, wie schwer es ihr gefallen war, sich später wieder in Mississippi einzuleben und wie sie sich mit ihrer Familie zerstritten hatte, als sie ihre Heimatstadt endgültig verließ.

      »Ich hätte dich nicht als Softball-Groupie eingeschätzt.«

      »Das war ich auch nicht. Aber ich bin mit Steph zu den Spielen gegangen, weil Yvonne ihre« – sie malte Anführungszeichen in die Luft – »›beste Freundin‹ war. Ich hatte damals nicht den leisesten Schimmer. Sie mussten es mir buchstabieren, ehe ich kapierte, dass sie miteinander schliefen.«

      Kelly lachte leise. »Ich glaube, wir sind alle mal so naiv gewesen. Zum Glück habe ich es kapiert, bevor ich zur Navy gegangen bin, sonst hätte ich dagestanden wie ein Kind im Bonbonladen. Die Hälfte der Frauen an meinem Stützpunkt waren lesbisch, aber ich war zumindest schlau genug, mich bedeckt zu halten und nicht erwischt zu werden.«

      »Das muss ganz schön heikel gewesen sein.«

      »Stimmt. Aber wir hatten unseren kleinen Sub. Alle wussten, wer lesbisch war, und solange du keine angemacht hast, die nicht lesbisch war, wurdest du in Ruhe gelassen.«

      Die Stimme des Kapitäns erklang über den Lautsprecher und hieß sie offiziell in Puerto Rico willkommen.

      Kelly trank ihren letzten Schluck Kaffee und streckte sich. »Ich schätze, ich sollte unter die Dusche gehen, damit ich anschließend losziehen und wieder in Schweiß geraten kann. Musst du ins Bad?«

      »Nein, geh nur.« Als Kelly verschwunden war, überlegte Natalie, ihr Angebot doch anzunehmen und die Radtour mitzumachen. Steph und Yvonne würde es zur Abwechslung vermutlich gefallen, mal einen Tag für sich zu haben. Doch dann stellte sie sich wieder vor, wie sie sich keuchend auf dem Rad abstrampelte und ihre Beine gequält protestierten. Es wäre nicht nur peinlich, sondern würde wahrscheinlich auch keiner von ihnen Spaß machen. Als sie Didi kennenlernte, hatte sie sich von allen sportlichen Freizeitaktivitäten verabschiedet – für Didi lief schon das Zücken ihrer Kreditkarte unter sportiver Betätigung.

      Kaum dachte sie an Didi, öffnete sich die Schiebetür auf dem Balkon nebenan. Das tiefe Stöhnen verriet, dass Didi eine scheußliche Nacht hinter sich hatte.

      »Hallo, da drüben!«, rief sie.

      »Zumindest sagst du nicht guten Morgen. Ich müsste dich umbringen.«

      »Ist euch beiden immer noch schlecht?« Sie ging zur Reling und spähte um die Trennwand herum.

      »Ich glaube, das Schlimmste ist vorbei. Pamela hat die ganze Karaffe Orangensaft ausgetrunken, als ich unter der Dusche war. Egoistische Ziege.«

      Natalie grinste innerlich – Didi war schon wieder ganz die Alte. »Was macht ihr zwei heute?«

      »Wir bleiben drinnen und streiten uns ums Klo. Wir haben ja keine andere Wahl.«

      »Mit wem sprichst du?« Pamela trat auf den Balkon hinaus.

      »Natalie … Obwohl ich nicht kapiere, wieso sie hier an Bord ist, wo es ihr doch freisteht, an Land zu gehen und durch das wunderschöne San Juan zu flanieren.«

      Es war schwer, kein Mitleid für die beiden zu empfinden. Als wäre es nicht genug, sich von einer scheußlichen Brech- und Durchfallattacke zu erholen, gingen sich die beiden mittlerweile vermutlich ganz schön auf die Nerven – immerhin waren sie inzwischen schon achtzehn Stunden auf engstem Raum zusammengepfercht. Und es würde noch schlimmer werden. »Ich denke, ich ziehe allein los. Soll ich euch irgendwas mitbringen?«

      »Du