Polly Adler

Pollywood


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die zwar bestellt, aber noch nicht nachg’liefert sind?« »Haha. Sie haben ja Humor!« »Immer wieder …« »So ein Mann würd’ der die Wadeln ordentlich nach vorne und dann … na ja … dann wär’ Ruhe im Bau.« »Und Schluss mit lustig?« Sie überflog mich prüfend mit ihrem Natternblick: »Sie werden’s auch noch billiger geben.« »Niemals«, piepste ich, »selbst wenn es mich teuer zu stehen kommt.« Letzter Dialog skizziert den Zugang zum Leben, das diesen Texten zuvor ging, kurz und grausam.

      Und dann geht es in »Pollywood« noch darum, dass es in der Liebe wie beim Boxen ist. Man kann noch so viele frontale Haken verpasst kriegen, noch so oft den Boden unter den Füßen verlieren und die Sterne singen hören … aus irgendeinem Grund rappelt man sich dann doch immer wieder hoch und brüllt: »Hey, Leben, was hast du jetzt für mich in petto? Ich bin nämlich bereit für die nächste Runde!«

      Dass Sie diesmal neben den Kolumnen auch Kurzgeschichten finden hat a) damit zu tun, dass das Leben zu kurz ist, um einen Roman zu schreiben, und b) neue Genres Vitaminstößen gleichkommen. Tun Sie mir noch einen Gefallen: Lachen Sie mir ein bisschen!

      Ganz die Ihre

      Polly Adler

       1. Fresh Hell*

      Ich schwor mir, mich nicht zu bessern. Und alle Fehler noch einmal zu machen, wenn ich könnte. Nur vielleicht noch ein bisschen früher.

      Nichts lässt einen so alt aussehen wie das ohnehin zum Scheitern verurteilte Bemühen, jung zu bleiben.

      Man fragt sich, wo sich meine Seele im früheren Leben so rumgetrieben hat. War ich a) Kleopatras G-String, b) Stalins Schnauzbart oder einfach nur c) eine rotzfreche Neandertalerin, die sich beim Beerensammeln häufig gehen ließ?

      Es ist immer wieder Himmel-de-luxe, auf’s Neue zu entdecken, was man sich gerade bemüht hat, zu versäumen. Oder so ähnlich.

      Dann seufzte er und sagte: »Women, they still keep me confused, but on a much higher level.«

      Dear Problem-Lady!

      Ich habe auf meinem lachhaften Balkon einen Kräutergarten angelegt. Ich gehe regelmäßig schwimmen, um Rückenschmerzen vorzubeugen. Ich bin entsetzt, dass Peter Gabriel bei einem Fernsehauftritt wie ein glücklicher Vorsorge-Rentner wirkt. Mit so einer Kugelglatze. Andererseits war »Genesis« schon immer eine ziemlich uncoole Popgruppe. Vielleicht sehe ich auch schon so ähnlich aus. Minus der Vorsorge natürlich. Nur wagt keiner, es mir zu sagen.

      Dear Problem-Lady! In jedem Fall mache ich jetzt an Wochenenden so Sachen wie Ausflüge auf’s Land mit lieben Freunden und lasse den Tag bei einer Weinprobe ausklingen. Diese lieben Freunde erzählen mir häufig von ihren physischen Problemen. Gicht, Arterienverkalkungen, etc. Man tauscht Adressen von Ärzten aus. Früher hatte man keine lieben Freunde, sondern Waffengeschwister für Exzesse aller Art. Noch bin ich keine Hundehalterin und besitze keinen Kombi. Noch bringe ich bei Karaoke-Veranstaltungen nicht »I did it my way« zum Vortrag. Aber viel fehlt nicht. Ich studiere die Sonderangebote in den Postwurf-Sendungen. Ich habe olle Silberrahmen auf meinem Kaminsims drapiert.

      Dearest Problem-Lady! Verspießere ich mir unter der Hand? Darf ich mich ob dieser superuncoolen Attituden überhaupt noch ein bisschen gerne haben? Ist es jetzt wirklich Zeit geworden, erwachsen zu werden? Was sagen Sie da? »Wahre Coolness hat vor allem mit Gelassenheit zu tun …« Dear Problem-Lady, danke für diesen Satz, der mich auf dem steinigen Pfad der Erkenntnis ein ganzes Stück weiter gebracht hat. Schließlich wäre es ziemlich ungelassen, in meinem Alter in einem »Barbie-is-a-slut«-T-Shirt auf Kaschemmen-Tischen zu tanzen. Ich werde dieses T-Shirt sofort in den Humana-Container schleudern, großes India-nerinnenehrenwort, aber zwischendurch dem Leben noch immer ein ganz klein wenig die Zunge herausstrecken. »Es kommt immer auf die richtige Mischung an«, sagte schon der Barkeeper meines Vertrauens.

      Neigungsgruppe

      »La vie en rose«

      Müssen Sie auch manchmal weinen, wenn Sie Krautfleckerln sehen? In jedem Fall machte mich das Tupperware voller Krautfleckerln, das am Morgen des Tages, an dem man mir schon wieder ein Jahr gestohlen hatte, auf meiner Computertastatur in der Redaktion stand, ziemlich rührselig. So war sie eben, die einzigartige A, ein empathisches Feuerwerk.

      Den Rest des Tages verbrachte ich damit, meine Krautfleckerln wie ein Pentagon-Cerberus zu bewachen und mich im Ausdrucksrepertoire des freudigen Erstaunens zu üben. Nachdem mir nämlich drei Menschen herrischen Tones auf die Mailbox gekläfft hatten, dass ich mir gefälligst an diesem Abend nichts vorzunehmen hatte, ließ ich schon einmal beim Konditor meines Vertrauens eine Torte mit der Aufschrift »So eine Überraschung!« anfertigen.

      Abends lockte mich BB in ihr Schuhlager mit Wohnmöglichkeit. Plötzlich hüpften zwanzig Menschen rotnasig aus der Kälte der Terrasse. Aus den Boxen schmetterte Jack Nicholson »La vie en rose«. Und dann brüllten sie alle: »Wir lassen dich fliegen, Polly, und zwar nach Paris!« Aus war’s mit meiner Fassung! Denn ich dachte daran, dass solche kunterbunten Wahlfamilien ein wahrer Luxus sind. Und dass diese »Uns-bleibt-immer-noch-Paris«-Neigungsgruppe nicht nur für Frivolitäten wie Paris, sondern auch für nächtliche Autopannen, Burn-out-Melodramoletten, Liebeskummer ersten Grades und sonstwas taugt. Und dann tanzten wir Ringelreiha zu »Forever young«; sangen »Müssen nur wollen« von »Wir sind Helden« und D spreizte ihren kleinen Finger gekonnt vom Weinglas, um zigfach zu zirpen: »Ich sag’s ja immer Kinder, Hände weg vom Alkohol!«, und D 2 schrie: »Ich bin nicht sexuell frustriert, sondern nur romantisch!«

      Als ich Tage später wieder erwachte und mich daran erinnerte, dass irgendwo in dieser Stadt noch ein Kind einzusammeln war, schwor ich mir, mich nicht zu bessern. Und alle Fehler noch einmal zu machen, wenn ich könnte. Nur vielleicht noch ein bisschen früher.

      Ins Türl, Blindgänger!

      Statt »Tor, Tor!«, oder »Ins Türl, du Blindgänger«, brüllten wir »Feeeeesch!«, oder »Aber halloooo!« Die Fußball-EM taugte eben auch für die Nicht-Testosteron-Fraktion zur psychohygienischen Ventilisierung von angestauten Emotionen. Das Gros der Wadenkönige sah in der Regel so aus, dass eine Nonne dafür über die Klostermauer kraxeln würde. So gesehen hatten die Ballschlachten für uns die Funktion von Softpornos.

      Eigentlich waren diese Damenabende ja aus machiavellistischen Motiven ins Leben gerufen worden. Networking, Sie verstehen. Männer hatten sich nach diesem Prinzip der Zusammenrottung über Jahrhunderte das Land aufgeteilt. Unter uns: Wir Mädels waren in dieser Disziplin noch mehr als ausbaufähig. Mich zum Beispiel interessierte Macht nämlich in etwa wie die Zeitung von gestern. Meine Dienstnehmerseele funktionierte wie die eines russischen Tanzbären: bekam ich Zucker, wurde ich übermütig; wurde die Peitsche ausgefahren, duckte ich mich zu Höchstleistungen.

      Doch all das interessierte uns an diesem Abend sowas von nicht, denn irgendwann warf die Gastgeberin die Frage »Vaginal oder klitoral – welcher Orgasmus ist der hübschere?«, flockig ins Feld. »Den vaginalen kannst du nicht steuern«, erklärte die Historikerin der Runde, »penggg, der passiert dir einfach.« »Nicht steuern?«, konterte die Unternehmens-Saniererin,