Meine Seele wird von Albträumen perforiert, in denen ich bereits in der Einstiegsrunde Lassie der Rasse der Rottweiler zuordne. »Es ist doch nur ein Spiel«, erklärt mir mein Freund W, »vergiss aber bitte eines nicht: der Knurrhahn ist kein Vogel, sondern ein Fisch.«
»Was wirst du denn übrigens mit all dem schönen Geld anstellen?« »Mit dem Geld, das ich ohnehin nicht kriege, weil meine Nerven hellrosa Wunden sind, kaufe ich mir A) einen Hobbybastelraum, B) eine Wagenladung Botox oder C) eine zwei Quadratmeter große Sonnenbrille, hinter der ich am Tag der Ausstrahlung in die innere Emigration gehen werde.« »Ich tippe auf C«, grinste F jetzt, »möchte aber bitte noch mit meinem Joker sprechen. Und noch eines: Das größte Pech, das du haben kannst, ist, dass du kein Glück hast.«
Sozial mausetotes Gebiet
Ich bin sozial mausetotes Gebiet. Aufgrund diverser plötzlich auftretender Zipperleins entsage ich den Grundfesten meines Hedonismus: Alkohol, Dijon-Mayonnaise, Zigaretten, auch den lustigen. Nicht nur, dass mich dieser große Schritt auf Kosten meiner Menschlichkeit unerträglich langweilig macht, er macht mich auch sonst unerträglich.
»Geh’ endlich in die Hypnose«, brüllt N, zurzeit ebenfalls auf Nikotin-Tschüssikofsky, »das entspannt irrsinnig. Ich denke gar nicht mehr daran, dass ich ständig daran denke, keine zu rauchen.« Man verstand sie ein bisschen schlecht, weil ihre Ausführungen von ständigen Kaubewegungen untermalt waren.
Nein, nein, danke vielmals, kein Hokuspokus-Zirkus, nur mein stählerner Wille und ich. Ich ging ins Kino und langweilte mich obsessiv bei Jarmuschs »Coffee and Cigarettes«. Ich feierte Brennnesseltee-Orgien mit mir selbst. Ich wurde nicht mehr eingeladen, da Leute, die mit toten Augen stilles Wasser in kleinen Schlückchen trinken und dabei Sätze wie »Endlich angekommen nach der langen Suche nach mir selbst« ablassen, nicht gerade Party-I-Tüpfelchen-Typen sind. Ich beging die ultimative Obszönität und kaufte mir Duftkerzen. Las abends Sándor Márai und freute mich über den Satz, den dort ein Gatte seiner Teuersten spendete: »Diese malvenfarbenen Bezüge im Esszimmer sind ein bisschen ermüdend. Sie sind so laut wie fortwährendes Geschrei.«
»Du siehst aus, als ob ich einen Drink brauche«, kläffte D angesichts dieses Schattenwesens, das sich immer mehr in einen Zustand verwandelte, und packte mich in eine Mietdroschke. Wir fuhren in die »Triest«-Bar, ertränkten uns in Ingwer-Wodka, das Nikotin schoss wie Pfitschipfeile durch meinen Körper, die »Toten Hosen« feierten mein Askese-Schwächeln mit dem Liedchen »Kein Alkohol (ist auch keine Lösung)!« Es ist immer wieder Himmel-de-luxe, auf’s Neue zu entdecken, was man sich gerade bemüht hat, zu versäumen. Oder so ähnlich.
Der Tragöde in Tweed
»Hast du mich je betrogen?«, wollte ein Ex von mir wissen, der meine Küche mit einer Notaufnahme und meinen Gin mit einem isotonischen Durstlöscher verwechselte. Seine Akute hatte nämlich von fremden Früchten, in Form des gemeinsamen Software-Spezialisten, gekostet. Ich kniff die Augen ganz fest zusammen, um mich nur irgendwie daran zu erinnern, warum ich um diesen Mann im Paläozoikum meiner Bio wie eine Säbelzahntigerin gekämpft hatte. Mein Gedächtnis zeigte mir den Mittelfinger.
»Also hast du oder hast du nicht«, brachte sich der Tragöde in Tweed jetzt wieder ein. »Nur wenn du mich mit Ignoranz, fehlender Empathie und der Kälte des Egoismus überschüttet hast.« »Also nie?« »Nicht wirklich«, benutzte ich jetzt die wienerische Variante radikaler Verneinung. »Warst du nicht zerfressen von Schuldkomplexen?« »No! Schließlich war ich deinetwegen mit der halben weiblichen Stadt verwandt. Nie werde ich vergessen, wie mich eines deiner entsorgten Verhältnisse heulend nachts aufgescheucht hat, weil du es gegen ein anderes ausgetauscht hast.« »Unverschämtheit! Was hast du der gesagt?« »Ich hab’ ihr einen Witz erzählt. Witwer und Geliebter stehen am Grab der Frau. Im Gegensatz zum Witwer schluchzt der Lover von Herzen. Da tröstet ihn der Ehemann: Mach’ dir bitte nichts draus, ich werde ja wieder heiraten. « »Weltklasse«, kicherte er jetzt. »Find’ ich auch, aber sie hat ihn leider nicht verstanden. Intelligenz gehörte nicht zu deinen favorisierten Aphrodisiaka …« Jetzt suchte er wieder Zuflucht in der akuten Kummernummer: »Wie konnte sie nur …«, etc.
»Weil Darwin uns mit dem für die Monogamie bestimmten Affenweibchen einen Bären aufgebunden hat«, flötete ich jetzt, »Polygamie ist, so die neue Forschung, der Primatinnen liebstes Hobby. Nimm’s also bitte nicht persönlich.« »Wie konnte sich Darwin nur dermaßen irren?« »Ganz einfach: Der gute Mann hatte nie Gelegenheit, Äffinnen in der freien Wildbahn zu beobachten.«
Während Frauen, die auf sich halten, abends am Kaminfeuer sticken, einem den Jahreszeiten äffisch angepassten Deko-Wahnsinn frönen oder Jane Austen lesen, hat unsereins bessere Launeheber in petto. Wir surfen durch die Website http://www.awfulplasticsurgery.com, einem wahren Eldorado der Schadenfreude und Psychohygiene.
Dort bekommt man detailreich unter der Kategorie »Oops« die letzten schwer daneben gelegenen Renovierungsarbeiten diverser Stars mit erbaulichen Fotobeispielen aufbereitet. Meg Ryan, früher eine Art Doris Day für Yuppies, sieht in ihren Vierzigern inzwischen aus wie ein Alien-Entchen, das dort, wo früher die Lippen saßen, ein bis zum Platzen gespanntes Schlauchboot verankert hat. Silikonen wie Melanie Griffith und Cher wirken sowieso schon seit Jahren wie genetische Experimente, die beklemmend aus dem Ruder geraten sind. Und warum wollen Frauen wie Victoria Beckham und Courtney Love Brüste, die knapp unter dem Kinn sitzen und wie genmanipulierte Grapefruits aussehen?
»Es sind die gleichen Beweggründe, die Männer in die Arme von Essgestörten treiben, die ihre Töchter sein könnten und deswegen Woodstock für ein Bastlerparadies halten«, erklärt mir E, »Angst vor der eigenen Endlichkeit im Allgemeinen, Vergänglichkeitsparanoia im Speziellen.«
Dann schworen wir uns bei Camilla Parker-Bowles’ Lieblings-Gin, uns mit Inkonsequenzen aller Art geschmeidig zu halten, uns nicht mit Dingen wie wenig Cholesterin und frühem Schlaf zu ermüden und keine »Golden Girlie«-Existenz anzupeilen. Denn nichts ist so unsexy, wie ein Sexappeal, dem man seine Anstrengung ansieht. Und nichts lässt eine 40-plus-Frau so betagt aus der Wäsche schauen, wie der Versuch, sich eine Mitzwanzigerin abzuzwingen. Am Ende des Tages bekommt sowieso jeder das Gesicht, das er sich verdient. Deswegen darf man nicht gespannt sein. Cheers, Camilla!
Mega-uncool
»Mäusefee«, schnurrte ich, »was hältst du davon, wenn wir alle zum Nena-Konzert stechen?«
Sie sah mich mit einem Peter-Lorre-lange-nach-«Casablanca«-Blick an: »Wer alle?« »Na, die kleinen und die großen Mädels. Auch die F und die K wollen kommen.« Ich war von der Vorstellung beseelt, dass wir generationsübergreifend die Feuerzeuge zu »Nur geträumt« schwenken und uns alle ganz nah fühlen. »Mega-uncool«, zerstörte mir das Geschöpf, das ich vor neun Jahren so dringend haben wollte, diesen popkulturellen Lagerfeuer-Gedanken, »wenn, dann will ich Eminem oder Pink sehen, und wenn du mich dabei begleitest, würde ich dich dringend ersuchen Abstand zu nehmen.« »???« »Na, von mir und zwar mindestens 50 Meter, so dass du gerade noch meinen Kopf wie eine Stecknadel siehst.« »Schwierig, ich bin nämlich kurzsichtig.« »Fast blinde Mütter, die mit den Hüften wackeln: ultramäßig uncool.« »Wann«, fragte ich jetzt kleinlaut, »ist denn eine Mami so richtig cool?«
Schließlich tat ich wirklich mein Bestes: Ich besitze sowas von nichts aus Loden und auch keinen Bausparvertrag, veranstalte keine Fondues, tobe mit den schönsten Schwulen durch die Nacht und kaufte mir in der Sekunde die neue Macy-Gray-CD. Die Vernichtung war dennoch unaufhaltbar. »Sobald sich jemand bemüht, cool zu sein«, erklärt sie, »wird’s automatisch uncool. So hat sich der liebe Gott das nun einmal ausgedacht.«
Abends stolperte mir ein Regisseur in die Arme, der trotz fortgeschrittener Dunkelheit und Lebenszeit mafiaschwarze