Stelle berührt, denkt sie, und ärgert sich über sich selbst. Was geht sie eigentlich dieser Mann an? Sie liebt Monika, das stimmt, aber das hat doch mit Peter Bendler nichts zu tun.
Mit einem Ruck bleibt er vor ihr stehen.
»Darüber kann ich nicht sprechen, wenigstens jetzt nicht. Vielleicht später, bitte, verstehen Sie mich«, stößt er erregt hervor.
Patricia nickt. Was gehen sie seine Privatverhältnisse an? Ihr geht es nur um das Kind, und sie hätte gern gewußt, warum er jede Erinnerung an Monikas Mutter auslöscht.
In Gedanken zuckt sie die Schultern. Nun! Was geht es sie an, was er für Gründe haben mag.
Peter Bendler setzt sich wieder. Sie wirft einen scheuen Seitenblick auf ihn. Jetzt ist er wieder der verschlossene Mann mit dem düsteren Ausdruck. Sie erhebt sich schnell.
»Es wird Zeit, nach Monika zu sehen. Das Kind muß ins Bett, und ich muß heim.«
Peter hält sie nicht zurück. Er sieht mit einem nachdenklichen Blick hinter ihr her, bis sie die Tür hinter sich ins Schloß gezogen hat.
In der Küche findet sie Monika mit hochroten Wangen.
»Es ist alles fertig, Tante Pat.« Monika wirft sich in Patricias Arme und bedeckt deren Gesicht mit kleinen zärtlichen Küssen. Verschämt flüstert sie: »Ich habe dich sehr lieb.«
»Ich dich auch, mein Liebes.« Monika schmiegt sich fester in Pats Arme und läßt sich hin und her wiegen.
»Jetzt marsch ins Bett, Kleines. Morgen bist du nicht ausgeschlafen«, droht Pat scherzend.
»Du kommst doch mit?« Monikas Augen leuchten vor Freude, und Pat legt den Arm um Monikas Schulter. Gemeinsam suchen sie Monikas schmales, aber doch gemütlich eingerichtetes Zimmer auf. Auch hier hat Patricia die Möbel umgestellt und einen bunten Teppich auf den Boden gelegt. Er stammt aus ihrem Haushalt. Auch sonst hat sie manche Dinge in Monikas Zimmer verteilt, die früher ihr gehörten.
Während Monika ins Bad verschwindet, richtet Pat das Bett für Monika. Wie eine fürsorgliche Mutter hantiert sie, und dabei überrascht Peter sie.
Er bleibt im Türrahmen stehen. »Ich habe es mir überlegt, Fräulein Hellberg«, sagt er mit rauher Stimme. »Sie können Monika zu sich nehmen, wenn ich mit dem Chef auf Reisen bin.«
Patricia spürt, wie sie vor Freude errötet. Monika kommt also in kein Heim. Sie wird sich um das Kind kümmern dürfen, das ihr so sehr ans Herz gewachsen ist.
Nach außen tut sie sich Zwang an. »Na, endlich werden Sie vernünftig. Monika wird nichts entbehren.«
»Davon bin ich überzeugt«, sagt er von der Tür her. »Eine Mutter könnte Monika nicht lieber haben.«
Was ist nur los mit mir, denkt sie ärgerlich, muß ich heute jedes Wort von ihm so wichtig nehmen? Er denkt sich bestimmt nichts Besonderes dabei.
Sie richtet sich auf, streicht noch einmal über die zurückgeschlagene Bettdecke und wendet sich Peter zu.
»Wenn Monika im Bett ist, gehe ich heim«, erwidert sie.
»Selbstverständlich begleite ich Sie.« Und als sie eine abwehrende Handbewegung macht, setzt er kurz hinzu: »Bitte keine Widerrede.«
Verdrossen geht sie später an seiner Seite ihrer Wohnung zu.
Ihm kommt gar nicht der Gedanke, daß er sie durch seine Schroffheit verletzt haben könnte. Er wirft hin und wieder einen Blick auf ihre zierliche Gestalt. Er hört das Klappern ihrer hohen Absätze und überlegt, wann er das letzte Mal neben einer Frau hergegangen ist.
Patricia Hellberg ist schön, wunderschön sogar, soviel hat er heute abend festgestellt. Aber er weiß auch, diese Schönheit blüht nicht für ihn. Wer ist er schon?
»Hier bin ich daheim«, fällt sie in seinen Gedankengang ein und reicht ihm die Hand. Er sieht an dem vornehmen Haus empor. Hm! Wer ist Patricia Hellberg eigentlich? Ihm selbst kaum bewußt, beginnt er sich mehr und mehr mit ihr zu befassen, und oft schiebt er die Gedanken an sie ärgerlich von sich.
Persönlich hat er kein Interesse an ihr, redet er sich ein. Er ist ihr nur sehr zu Dank verpflichtet, da sie sich mit großer Liebe seines Kindes angenommen hat. Diese Sorge hat ihn oft hart gequält.
Ja, wenn Monika immer nur von ihrer Pat schwärmt, möchte er ihr mitunter das Sprechen verbieten. Aber dann lächelt er nachsichtig. Kinder sind nun einmal so. Woran sie ihr Herz gehängt haben, das ist für sie ein Gegenstand, der im Mittelpunkt ihrer kleinen Welt steht.
*
Peter Bendler hat sich sehr gut in sein neues Aufgabengebiet eingearbeitet. Generaldirektor Baumann ist sehr zufrieden mit dem Mann, der nie ein überflüssiges Wort spricht, der von seiner Arbeit besessen ist und auf den er sich in jedem Falle verlassen kann.
Patricia und Peter haben öfter im Werk miteinander zu tun. Sie führen ganz unpersönliche Gespräche. Nur wenn Peter von einer Reise zurückgekommen ist, geht er zuerst zu Patricia und bedankt sich bei ihr für ihre Fürsorge um Monika.
»Es macht mir Freude«, hört er immer wieder, sonst nichts. Sie kommen sich einfach persönlich nicht näher. Aber – will Patricia das? Immer noch steht das Erlebnis mit Donald im Vordergrund. Sie liebt ihn und wird ihn immer lieben. Was bedeutet für sie dagegen Peter Bendler?
Und doch werden sie durch Monika immer wieder zusammengeführt. Monika ist das Bindeglied zwischen ihnen. Sie verbringen die Abende gemeinsam. Manchmal in Patricias Wohnung, von Reserl betreut, manchmal bei Peter, da spielt Patricia die Hausfrau, und Monika unterstützt sie voll Eifer.
Peter erkennt sein Kind kaum wieder. Es strahlt Gesundheit und Fröhlichkeit aus. Längst darf sie abends nicht mehr ins Werk, wenn Peter länger arbeitet.
Dann gibt Patricia bei Gottfried eine appetitlich angerichtete Speise ab, während Monika ihren Kinderschlaf schläft.
So geht das monatelang. Patricia blüht schöner denn je auf. Sie ist aber nicht nur schön, sondern auch klug und Baumann unentbehrlich geworden. Barbara ist nicht wieder zurück ins Werk gekommen. Sie mußte zur Erholung weg, hat sich dort in einen Arzt verliebt und schnell geheiratet. Barbara ist glücklich.
Am Rande der Stadt bewohnt sie ein Einfamilienhaus. Ihr Mann, Klaus Grundig, hat seine Praxis in der Stadt.
Oft ist Patricia zu Besuch bei Barbara, und sie erlebt das junge Glück des Paares.
*
Ein wundersamer Sommer folgt. Patricia hat ihn noch nie so genossen wie dieses Jahr. Zusammen mit Monika macht sie weite Spaziergänge. Sie liegen auf herb duftenden Wiesen und lassen sich von der Sonne bräunen. Sie jagen sich, und Patricia wird selbst zum Kind. Lachend fallen sie sich in die Arme.
Wieder einmal bringt Pat das Kind in die Wohnung des Vaters zurück.
Peter Bendler nimmt Monika in Empfang. Er sieht bleich aus und scheint zerfahren und nervös zu sein.
»Was ist los?« erkundigt sich Patricia.
»Generaldirektor Baumann ist tot«, sagt er tonlos, und Patricia ist genauso entsetzt wie er.
Sie folgt Peter in das Wohnzimmer. Dort nimmt Pat in dem Erker Platz.
Monika ist in ihrem Zimmer verschwunden. Noch interessieren die Probleme der Erwachsenen sie nicht.
Peter Bendler macht einen völlig erschlagenen Eindruck.
»Schrecklich«, stößt er schließlich hervor, da Patricia keine Worte findet. Sie hatte den zuerst sehr grämlichen Generaldirektor, der später viele liebenswerte Seiten zeigte, ehrlich liebgewonnen.
»Ich kann es nicht fassen«, flüstert sie vor sich hin. Dann hebt sie den Kopf. »Was hat ihm gefehlt?«
»Herzschlag«, sagt Peter kurz. Unaufhörlich wandert er im Zimmer umher, ruhelos, nervös, von Sorgen bedrückt.
»Lieber Gott, wer wird sein Nachfolger werden?« Patricia