werden. Das frage ich mich auch. Meiner Ansicht nach ist Baumann überhaupt nicht zu ersetzen.«
»Jeder Mensch ist zu ersetzen. Mir tut es furchtbar leid. Er war mir sehr sympathisch geworden. Andererseits hat er einen schnellen Tod gehabt. Und das ist tröstlich.«
Bendler nimmt im zweiten Sessel Platz und starrt vor sich hin.
»Das wird morgen ein schönes Durcheinander irn Werk geben. Baumann hat weder Verwandte noch Kinder. Passen Sie auf, Patricia, das Werk wird verkauft werden.«
Sie sieht ihn ängstlich an.
»Und was wird dann aus uns?«
Er zuckt die Schultern. »Keine Ahnung.«
*
Pünktlich wie immer sitzt Patricia am nächsten Morgen an ihrem Schreibtisch und sichtet die eingegangene Post. In ihrem Zimmer ist ein ewiges Kommen und Gehen. Man stellt ihr Fragen, die ihr oft peinlich und unangenehm sind. Schließlich wirft sie alle hinaus. Reine Neugier treibt die Leute zu ihr. Sicher bangen sie alle um ihren Posten.
Nur Peter Bendler ist ruhig und gelassen. Er führt Verhandlungen, beruft Konferenzen ein, spricht mit alten treuen Kunden.
Als Generaldirektor Baumann zu Grabe getragen wird, folgt ihm eine riesige Menschenmenge.
Dr. Meinhardt, der Freund und No-tar Baumanus, nimmt Bendler nach der Beerdigung zur Seite.
»Bitte erwarten Sie mich morgen gegen zehn Uhr im großen Konferenzzimmer. Auch die übrigen Direktoren werden da sein.«
»Ich werde pünktlich sein«, sagt Peter gepreßt, dann führt er Patricia zu dem wartenden Wagen, der dem Werk gehört und in dem Peter oft mit dem Chef gefahren ist.
»Ich bringe Sie jetzt heim, Patricia«, ordnet er an. Widerspruchslos läßt sie über sich bestimmen. Eine grenzenlose Leere ist in ihr.
*
Gegen zehn Uhr am nächsten Morgen geht es lebhaft im großen Konferenzzimmer zu. Die Direktoren sind pünktlich eingetroffen. Einer belauert den anderen. Wer wird die Nachfolge antreten?
Pünktlich erscheint Doktor Meinhardt. Er wird herzlich begrüßt. Und wo sonst Baumann zu sitzen pflegte, da nimmt Meinhardt Platz.
Alles blickt erwartungsvoll auf Baumanns Anwalt. Peter hat ganz unten am Ende der Tafel Platz gefunden, von keinem beachtet, von keinem bemerkt.
»Es kann Sie nicht überraschen«, beginnt Meinhardt, »daß ich Sie hier zusammengerufen habe. Ich handle im Auftrage des Verstorbenen, unseres allseits verehrten Generaldirektors Baumann.«
Zustimmendes Gemurmel, und dann herrscht Stille, in die Meinhardts Stimme von neuem einfällt.
»Generaldirektor Baumann hat ein Testament hinterlassen, das ich Ihnen jetzt zur Kenntnis geben will.«
Nach längeren allgemeinen Bestimmungen, denen man ohne allzu großes Interesse zuhört, folgt der kürzeste und wichtigste Satz im Testament:
»Zu meinem Nachfolger bestimme ich Peter Bendler.«
Ein Laut, ein einziger Laut des Entsetzens geht durch den Raum. Nur Bendler bleibt gelassen, obwohl auch ihm der Schock in die Glieder gefahren ist.
Dr. Meinhardt liest weiter, und wieder lauschen die Herren ihm.
»Peter Bendler hat bewiesen, daß er durch sein Können, seine Umsicht, sein restloses Aufgehen in der Arbeit für das Werk, das er liebt, der geeignete Mann ist, um mein Lebenswerk fortzusetzen. Die Herren Direktoren bleiben auf ihren Posten. Sie haben sich, wie einst mir, jetzt Herrn Peter Bendler zu fügen und seinen Anordnungen zu folgen.«
Alles blickt auf Peter Bendler, der, blaß und verstört, reglos auf seinem Platz sitzt. Wie eine Wand schiebt sich jetzt alles vor seine Augen. Die anwesenden Herren, Dr. Meinhardt, alles – alles –
»Ich hoffe«, hört Peter wie aus weiter Ferne, »Sie erfüllen den letzten Wunsch des Verstorbenen. Sie können mir glauben, wir haben uns eingehend über diesen Punkt unterhalten. Generaldirektor Baumann hat genau gewußt, was er tat, als er Sie zu seinem Nachfolger erwählte.«
Peter erhebt sich, er wankt und stützt beide Hände auf die Tischplatte. »Aber – ich weiß nicht, ob ich dieser Aufgabe gewachsen bin«, sagt er mit einer Stimme, die ihm selbst fremd vorkommt.
Dr. Meinhardt winkt lächelnd ab.
»Natürlich sind Sie dieser Stellung gewachsen, Herr Bendler. Oder trauen Sie dem Verstorbenen so wenig Menschenkenntnis zu?«
»Das gewiß nicht.« Peters Augen wandern reihum. Er sieht nur feindselige Blicke. Da ist mancher unter den Direktoren, die im Werk alt geworden sind, der mit diesem Posten gerechnet hat.
Dr. Meinhardt zerstreut diese Bedenken. »Das Werk braucht eine junge, unverbrauchte Kraft, einen Menschen, dem das Gemeinwohl am Herzen liegt. Und dafür sind Sie, Herr Peter Bendler, die geeignete Person. Nehmen Sie an?«
Peter Bendler durchströmt ein Glücksgefühl ohnegleichen. Seine hohe Gestalt strafft sich.
»Ich nehme an«, sagt er mit feierlichem Ernst, »und ich werde meine ganze Kraft einsetzen, das Werk im Sinne des Verstorbenen weiterzuführen.« Mit gewinnendem Lächeln wendet er sich an die mit verschlossenen Mienen Dasitzenden. »Ich bin überzeugt, meine Herren, daß Sie mich bei der Durchführung dieser Aufgabe unterstützen werden.«
Abermals tritt eine lähmende Stille ein. Dr. Meinhardt blättert in seinen Akten, als gehe ihn das Weitere nichts mehr an. Schließlich erhebt er sich einer nach dem anderen und reicht Peter Bendler die Hand.
»Auf mich können Sie rechnen!«
»Danke!« erwidert Peter kurz, dann geht er um den großen Tisch herum zu Doktor Meinhardt. »Ich danke auch Ihnen, lieber Doktor. Sind Sie wirklich überzeugt, daß ich meiner Aufgabe gerecht werden kann?«
Meinhardt nimmt Peters Hand.
»Wäre sonst dieses Testament zustande gekommen?« fragt er lächelnd zurück. Peter atmet auf. Auch hier sagt er nur einfach:
»Ich danke Ihnen!«
Eine Viertelstunde später liegt der Konferenzsaal leer und verlassen.
Peter Bendler hat vom Arbeitszimmer des Generaldirektors Besitz ergriffen. Seine Arbeit beginnt mit Telefonaten und Diktaten. Die Konferenzen, die zuerst abgeblasen waren, werden auf einen anderen Zeitpunkt festgelegt. Peter Bendler ist ganz in seinem Element.
Nur eine große Scheu beherrscht ihn. Er wagt nicht auf den Knopf zu drücken, der Patricia zu ihm ruft. Solange er kann, schiebt er es hinaus. Als er alles soweit erledigt hat, geht er selbst ins Vorzimmer.
»Fräulein Hellberg, einen Augenblick, bitte!«
Patricia, die völlig ahnungslos ist, folgt ihm mit Stenogrammblock und gespitzten Stiften.
»Ja, bitte!« Sie läßt sich auf ihrem Platz nieder, wo sie für gewöhnlich Baumanns Diktate aufzunehmen pflegte.
»Nein, Patricia«, sagt er und nimmt ihr Block und Stifte aus der Hand. Wenn sie allein sind, nennen sie sich beim Vornamen. Das hat ihre Freundschaft mit sich gebracht. »Ich habe etwas mit Ihnen zu besprechen.«
»Mit mir?« Ihre großen nachtdunk-len Augen irritieren ihn. »Handelt es sich um Monika?«
Er schöpft tief Atem, geht ein paarmal über den dicken, jeden Laut verschluckenden Teppich, und bleibt dann vor ihr stehen.
»Patricia, ich bitte Sie, meine Frau zu werden.«
Mit einem schwachen Laut läßt Patricia sich in den Sessel sinken. Sie sieht ihn an, aber sie vermag keine Worte zu formen.
Ich habe sie erschreckt, denkt er, und er neigt sich über sie, seine Hände auf die Armlehnen stützend.
»Patricia – ich liebe Sie. Ich liebe Sie schon lange. Heute kann ich es Ihnen sagen. Heute habe ich den Mut dazu, und meiner Moni kann ich keine bessere Mutti