Heinrich Zschokke

Ausgewählte Werke von Heinrich Zschokke


Скачать книгу

begreif' ich! Nur darum gab er mir seine Maske, nur darum wollte er auf eine halbe Stunde Ich sein!« – Und nun fiel ihm die Maske ein, die ihm von der Opernsängerin Rollina, dann von Röschen erzählt hatte, und er erneuerte sein Verhör strenger als vorher: ob und wie sie den Prinzen vorher gesehen? ob ihr nicht ein Mann aufgefallen sei, ein vornehmer Herr, der ihr beim Kirchengehen nachgeschlichen sei, oder der sich im Milchgäßchen Geschäfte gemacht habe? oder ob nie ein Herr oder sonst jemand zu ihrer Mutter gekommen sei, um sie mit Geld und Wohltaten in ihrer Verlassenheit zu unterstützen?

      Röschens Antworten fielen sämtlich so beruhigend aus und trugen so sehr das Gepräge der unbefangensten Unschuld, daß Philipps Herz wieder leicht ward. Er warnte sie vor den Schleichern und vor der Barmherzigkeit der Vornehmen, und Röschen hinwieder warnte vor den Gefahren der Maskenbälle und allen Abenteuern mit Frauenzimmern hohen Standes, durch welche mancher junge Mensch schon unglückliche geworden sei. Man vergab sich alle in der Unwissenheit begangenen Sünden, und Philipp stand im Begriff, den Kuß einzufordern, der ihm bestimmt gewesen, und den er nicht empfangen hatte – als das Pärchen im besten Augenblicke durch eine fremde Erscheinung unterbrochen wurde.

      Es kam in vollem Lauf und Sprung ein Mensch gegen sie gerannt, der atemlos bei ihnen stehen blieb. An Mantel, Stange, Hut und Horn erkannte Philipp auf der Stelle seinen Mann. Dieser hingegen suchte den Maskenträger. Philipp reichte ihm den Hut und Seidenmantel und sagte: »Gnädigster Herr, hier Ihre Sachen. In dieser Welt tauschen wir die Rollen nicht wieder miteinander, ich käme zu kurz dabei!«

      Der Prinz rief: »Nur geschwind, nur geschwind!« warf die nachtwächterliche Amtstracht von sich in den Schnee, band die Larve und den Mantel um und setzte den Hut auf. Röschen sprang erschrocken zurück. Philipp bedeckte sich mit seinem alten Filz und Mantel und nahm Stange und Horn.

      »Ich habe dir ein Trinkgeld versprochen, Kamerad,« sagte der Prinz, »aber so wahr ich lebe, ich habe meinen Geldbeutel nicht bei mir.«

      »Den hab' ich!« antwortete Philipp und hielt ihm die Börse hin: »Sie gaben ihn meiner Braut da – aber, gnädigster Herr, wir verbitten uns Geschenke der Art.«

      »Kamerad, behalte, was du hast, und mache dich geschwind aus dem Staube: es ist für dich hier nicht geheuer!« rief der Prinz eilig und wollte davon. Philipp hielt ihn am Mantel fest: »Gnädigster Herr, wir haben noch eins abzutun!«

      »Flieh, sag ich dir, Nachtwächter! Flieh', man stellt dir nach.«

      »Ich habe keine Ursache, zu fliehen, gnädigster Herr. Aber ich habe Ihnen hier Ihre Börse –«

      »Die behalte. Lauf, was du kannst!«

      »Und einen Wechsel des Marschall Blankenschwerd von fünftausend Gulden zuzustellen.«

      »Der Hagel, wie kommst du mit dem Marschall Blankenschwerd zusammen, Nachtwächter?«

      »Er sagte, es sei eine Spielschuld, die er Ihnen zu zahlen habe. Er will diese Nacht noch mit seiner Gemahlin auf seine polnischen Güter.«

      »Bist du toll? Woher weißt du das? Wo gab er dir die Verrichtungen an mich?« »Gnädigster Herr, und der Finanzminister Bodenlos will bei Abraham Levi alle Ihre Schulden zahlen, wenn Sie sich für ihn beim König verwenden wollen, daß er im Ministerium bleibe.«

      »Nachtwächter, du bist vom hellen Teufel besessen!«

      »Ich habe ihn aber in Hochdero Namen abgewiesen!«

      »Du den Minister?«

      »Ja, gnädigster Herr; hingegen, habe ich die Gräfin Bonau mit dem Kammerherrn Pilzow vollkommen versöhnt.«

      »Wer von uns beiden ist ein Narr?«

      »Noch eins. Die Sängerin Rollina ist eine gemeine Metze, gnädigster Herr. Ich kenne deren Liebesgeschichten. Sie sind der Betrogene. Darum hielt ich es für Ihre königliche Hoheit unwürdig sich mit ihr einzulassen, und habe für diese Nacht das Abendmahl bei ihr abbestellt.«

      »Die Rollina? Wie kamst du zu der?«

      »Noch eins. Der Herzog Hermann ist fürchterlich gegen Sie aufgebracht wegen der Kellergeschichte. Er wollte Sie beim König verklagen.«

      »Der Herzog? Wer hat dir denn das alles erzählt?«

      »Er selbst. Sie sind noch nicht sicher. Zum König aber geht er nicht mehr, denn ich drohte ihm mit dem Zettel, den er dem Bäckermädchen gab. Hingegen wollte er sich mit Ihnen auf Tod und Leben schlagen. Nehmen Sie sich in acht vor ihm.«

      »Eins sage mir: weißt du, woher der Herzog weiß, daß ich –«

      »Er weiß alles von der Marschallin Blankenschwerd; die hat es ihm ausgeplaudert, und daß sie als Hexe bei dem Gaukelspiel gesessen.«

      Der Prinz nahm den Philipp beim Arm und sagte: »Spaßvogel, du bist kein Nachtwächter!« Er drehte ihm das Gesicht gegen eine aus der Ferne herschimmernde Laterne und erschrak, da er einen ihm vollkommen fremden Menschen sah. »Bist du vom Satan besessen oder ... Wer bist du denn?« fragte Julian, der vor Schrecken ganz nüchtern geworden war.

      »Ich bin der Gärtner Philipp Stark, Sohn des Nachtwächters Gottlieb Stark!« antwortete Philipp ruhig.

      13.

       Inhaltsverzeichnis

      »Nun ja, den suchen wir eben! Halt, Bursch!« riefen mehrere Stimmen, und Philipp, Röschen und der Prinz sahen sich plötzlich von sechs handfesten Dienern der löblichen Polizei umringt. Röschen tat einen lauten Schrei. Philipp ergriff des erschrockenen Mädchens Hand und sagte: »Fürchte dich nicht!« – Der Prinz klopfte dem Philip auf die Achsel und sagte: »Es ist ein dummer Streich. Ich sagte dir nicht vergebens, du sollest dich zu rechter Zeit davonmachen. Aber fürchte dich nicht; es soll dir nichts widerfahren.«

      »Das wird sich hintennach ergeben!« versetzte einer der Handfesten: »Einstweilen wird er mit uns kommen.«

      »Wohin?« fragte Philipp: »Ich bin in meinem Dienst,– ich bin der Nachtwächter.«

      »Das haben wir schon gehört, und eben deswegen kommt Ihr mit uns.«

      »Laßt ihn gehen, ihr Leute!« sagte Julian, und suchte in den Taschen nach Geld. Da er nichts fand, flüsterte er Philippen heimlich zu, ihnen aus der Börse zu geben. Die Handfesten aber rissen beide auseinander und riefen: »Fort! Hier werden keine Abreden mehr genommen. Auch die Maske ist verdächtig und muß mit uns!«

      »Die nicht!« sagte Philipp: »Ihr wollt den Nachtwächter; der bin ich. Könnet ihr verantworten, mich aus meinen Berufsgeschäften zu nehmen, so führet mich, wohin es euch beliebt. Diesen Herrn aber laßt gehen.« »Das ist nicht Eure Sache, uns zu lehren, wen wir für verdächtig halten sollen!« versetzte einer der Polizeidiener: »Marsch, alles mit uns!«

      »Auch das Frauenzimmer?« fragte Philipp: »Ich will nicht hoffen.«

      »Nun, das Jüngferchen mag gehen. Für sie haben wir keinen Befehl. Aber Namen und Gesichtchen müssen wir für den Notfall kennen und den Aufenthalt.«

      »Es ist die Tochter der Witwe Bittner im Milchgäßchen!« sagte Philipp und ärgerte sich nicht wenig, als die Kerls alle das Gesicht des weinenden Röschens gegen den Schein der fernen Straßenlaterne drehten und begafften.

      »Geh' heim, Röschen!« sagte Philipp: »Geh' heim; fürchte nichts für mich. Ich habe ein gutes Gewissen.«

      Röschen aber schluchzte laut, daß es selbst den Polizeidienern Mitleid einflößte. Der Prinz wollte diesen Umstand benutzen, um durch einen Sprung zu entkommen. Aber von den Handfesten einer war noch ein besserer Springer, stand mit einem Satz vor ihm und sagte: »Holla! der hat ein schlechtes Gewissen; er muß mit uns. Vorwärts, marsch!«

      »Wohin?« fragte der Prinz.

      »Direkte und schnurgeraden Wegs zu Seiner Exzellenz dem Herrn Polizeiminister.«

      »Hört,