Heinrich Zschokke

Ausgewählte Werke von Heinrich Zschokke


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und den Wechsel des Marschalls Blankenschwerd löse ich auf der Stelle bei dir mit fünftausend Gulden ein. Jetzt geh', diene mir treu und führe dich gut auf.«

      15.

       Inhaltsverzeichnis

      Wer war glücklicher als Philipp! Er flog in vollem Sprung zu Röschens Haus. Noch war Röschen nicht zu Bette; sie saß mit ihrer Mutter am Tische und weinte. Er warf die volle Börse auf den Tisch und sagte atemlos: »Röschen, das ist deine Aussteuer! und hier fünftausend Gulden, die sind mein. Ich habe als Nachtwächter Fehler gemacht; dafür verliere ich die Anwartschaft auf des Vaters Dienst, und übermorgen ziehe ich als Schloßgärtner des Prinzen Julian nach Heimleben. Und ihr, Mutter, und Röschen müsset mit mir nach Heimleben. Mein Vater und meine Mutter müssen auch mit mir. Ich kann euch nun wohl alle ernähren. Juchhe! Gott gebe allen guten Leuten ein solch' gutes Neujahr!

      Mutter Bittner wußte nicht, ob ihren Ohren trauen bei Philipps Erzählung, und ihren Augen beim Anblick des vielen Geldes. Aber als Philipp ihr alles und wie es gekommen, doch eben nicht mehr als zu wissen nötig war, erzählt hatte, stand sie schluchzend auf, umarmte ihn mit Freuden und legte dann ihre Tochter an sein Herz. Nun lief oder tanzte die freudetrunkene Frau im Zimmer herum fragte: »Wissen das alles auch dein Vater und deine Mutter schon?« und als es Philipp verneinte, rief sie: »Röschen, mache Feuer an, tue Wasser über, koche einen guten Kaffee für unser Fünf!« nahm ihr wollenes Mäntelchen, wickelte sich hinein und ging zum Hause hinaus.

      Röschen aber vergaß an Philipps Herzen Feuer und Wasser. Sie standen noch in fester Umarmung, als Frau Bittner zurückkam, begleitet vom alten Gottlieb und Mutter Käthe. Die umringten segnend ihre Kinder. Mutter Bittner mußte, wollte sie Kaffee, ihn selbst kochen.

      Daß Philipp den Nachtwächterdienst einbüßte, daß Röschen nach vierzehn Tagen seine Frau ward, daß beide mit ihren Eltern nach Heimleben zogen – das gehört nicht zum Abenteuer der Neujahrsnacht, welches niemandem verderblicher ward als dem Finanzminister Bodenlos. Man hat auch seitdem nicht gehört, daß Prinz Julian ähnliche Geniestreiche gemacht habe.

      Das blaue Wunder

       Inhaltsverzeichnis

       Eine Heirat auf Kredit

       Hoffende Erben.

       Das Bild der Jungfrau.

       Sorg' und Not.

       Das blaue Wunder.

       Krankenbesuche.

       Abermals ein blaues Wunder.

       Das blaueste von allen.

       Es wird immer blauer.

       Gute Folgen.

       Der fromme Betrug.

       Wirkungen.

       Die Schlacht von Abukir.

      Eine Heirat auf Kredit

       Inhaltsverzeichnis

      Der junge Doktor Falk sah hin, das niedliche Suschen sah her, wie es denn seit ziemlich alten Zeiten unter jungen Leuten Sitte geworden ist. Der Doktor war ein artiger Mann, hatte zwei Universitäten besucht, dann die Spitäler von Wien, Mailand und Pavia, und so viel gelernt, daß er, so gut wie irgend einer seiner Zunft, die Kranken nach dem neuesten medizinischen System ins bessere Leben befördern konnte. Aber solche Geschicklichkeit erwirbt man nicht umsonst; Doktor Falk hatte beinahe seine ganze väterliche Erbschaft daran geopfert. «Hm,» dachte er: «komm' ich nach Haus, so heirat ich ein reiches Mädchen, das gern Frau Doktorin wird, und es ist uns beiden geholfen!»

      Allein, der Kopf denkt, das Herz lenkt! Das hübsche Suschen hatte den vollkommensten Beruf, Frau Doktorin zu werden. Nur – das Geld ging ihr ab. «Das wird sich auch endlich finden, liebes Suschen!» sagte der Doktor, und drückte dem weinenden Mädchen einen Kuß auf die Lippen: «Siehst du, ein Doktor muß heiraten, sonst hat man zu ihm kein Vertrauen. Du bringst mir also Kredit, und durch den Kredit Patienten, und die Patienten bringen Geld, und vermögen sie es nicht, so bringen es die Erben. Zudem Jungfrau Sarah Waldhorn ist ja deine Tante, sie steht hoch in den Vierzigern; sie ist reich genug, daß uns der siebente Teil ihres Vermögens aus aller Not helfen kann. Darauf hin muß man schon eins wagen.»

      Lieber Himmel, was wagt ein junges Mädchen nicht für einen frommen Anbeter? Leib und Leben. Suschens Mutter hatte nichts einzuwenden, so wenig als der Vater; denn beide waren nicht mehr am Leben, und der Herr Vormund freute sich der anständigen Versorgung des Mündels. Aus gleichem Grunde freute sich Tante Sarah, die sonst auf das Hochzeitmachen der jungen Leute nicht viel hielt, die aber, so lange Suschen unvermählt war, noch dem Herrn Vormund zum Besten der armen Waise Geldzuschüsse machen mußte. Und Jungfrau Sarah Waldhorn war ein wenig geizig, oder, wie sie es nannte, sie hatte nichts übrig.

      Genug, Suschen verwandelte sich in eine Frau Doktorin, und der Herr Doktor sah fleißig zum Fenster hinaus, ob, bei seinem vermehrten Kredit, die Kunden kommen wollten? Doch kamen sie leider sehr spärlich. Und das war schlimm. Statt dessen versammelte sich allerlei kleine Gesellschaft in seinem Hause, alle Jahre erschien ein vorher nie gesehenes munteres Söhnlein oder Töchterlein, um Herrn und Frau Falk die süßen Vater- und Mutterfreuden vermehren zu helfen. Der Herr Doktor kratzte sich zuweilen bedenklich hinter den Ohren, aber was half's. Wegjagen konnte man doch die kleinen Falken nicht. Man schnitt nun zwar nicht schmälere Bissen, denn gelebt mußte man doch haben – aber die Frau Doktorin kochte etwas magere Suppen. Item, es schlug allen wohl an. Vater und Mutter und ihre vier Kinder blühten und gediehen; es war eine Lust sie zu sehen. Man saß auf hölzernen Bänken und Strohstühlen so weich, als auf gepolsterten Sofas; schlief auf Laubsäcken recht sanft und ging in keinen kostbaren Kleidern, genug, wenn sie sauber und geschmackvoll waren. Darauf verstand sich denn Suschen vollkommen. Alles war in ihrem Hause so schön, so nett, daß jedermann geschworen hätte, der Doktor habe die beste Einnahme von der Welt. «Wie's auch die Leutchen anfangen mögen!» rief Tante Sarah oft, «Es ist ein blaues Wunder!»

      Freilich gab's auch trübe Tage, wenn die Kasse leer war, und man wochenlang keinen harten Taler im Hause gesehen hatte. Doch dann tröstete man sich so gut man konnte, wenigstens damit, daß Tante Waldhorn reich und kränklich und alt war. Und stieg die Not am höchsten, stand immer die Hilfe am nächsten. Ein wahres, liebes Sprichwort.

      Hoffende Erben.

       Inhaltsverzeichnis

      Der Doktor