die vornehme Kühle und Freiheit des Geistes vergiftet, verleumdet, verrufen gemacht werden kann. Der »Glaube« als Imperativ ist das Veto gegen die Wissenschaft, – in praxi die Lüge um jeden Preis … Paulus begriff, daß die Lüge – daß »der Glaube« noth that; die Kirche begriff später wieder Paulus. – Jener »Gott«, den Paulus sich erfand, ein Gott, der »die Weisheit der Welt« (im engern Sinn die beiden großen Gegnerinnen alles Aberglaubens, Philologie und Medicin) »zu Schanden macht«, ist in Wahrheit nur der resolute Entschluß des Paulus selbst dazu: »Gott« seinen eignen Willen zu nennen, thora, das ist urjüdisch. Paulus will »die Weisheit der Welt« zu Schanden machen: seine Feinde sind die guten Philologen und Ärzte alexandrinischer Schulung –, ihnen macht er den Krieg. In der That, man ist nicht Philolog und Arzt, ohne nicht zugleich auch Antichrist zu sein. Als Philolog schaut man nämlich hinter die »heiligen Bücher«, als Arzt hinter die physiologische Verkommenheit des typischen Christen. Der Arzt sagt »unheilbar«, der Philolog »Schwindel« …
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48.
– Hat man eigentlich die berühmte Geschichte verstanden, die am Anfang der Bibel steht, – von der Höllenangst Gottes vor der Wissenschaft? … Man hat sie nicht verstanden. Dies Priesterbuch par excellence beginnt, wie billig, mit der großen inneren Schwierigkeit des Priesters: er hat nur Eine große Gefahr, folglich hat »Gott« nur Eine große Gefahr. –
Der alte Gott, ganz »Geist«, ganz Hoherpriester, ganz Vollkommenheit, lustwandelt in seinen Gärten: nur daß er sich langweilt. Gegen die Langeweile kämpfen Götter selbst vergebens. Was thut er? Er erfindet den Menschen, – der Mensch ist unterhaltend … Aber siehe da, auch der Mensch langweilt sich. Das Erbarmen Gottes mit der einzigen Noth, die alle Paradiese an sich haben, kennt keine Grenzen: er schuf alsbald noch andre Thiere. Erster Fehlgriff Gottes: der Mensch fand die Thiere nicht unterhaltend, – er herrschte über sie, er wollte nicht einmal »Thier« sein. – Folglich schuf Gott das Weib. Und in der That, mit der Langenweile hatte es nun ein Ende, – aber auch mit Anderem noch! Das Weib war der zweite Fehlgriff Gottes. – »Das Weib ist seinem Wesen nach Schlange, Heva« – das weiß jeder Priester; »vom Weib kommt jedes Unheil in der Welt« – das weiß ebenfalls jeder Priester. » Folglich kommt von ihm auch die Wissenschaft« … Erst durch das Weib lernte der Mensch vom Baume der Erkenntniß kosten. – Was war geschehn? Den alten Gott ergriff eine Höllenangst. Der Mensch selbst war sein größter Fehlgriff geworden, er hatte sich einen Rivalen geschaffen, die Wissenschaft macht gottgleich, – es ist mit Priestern und Göttern zu Ende, wenn der Mensch wissenschaftlich wird! – Moral: die Wissenschaft ist das Verbotene an sich, – sie allein ist verboten. Die Wissenschaft ist die erste Sünde, der Keim aller Sünde, die Erbsünde. Dies allein ist Moral. – »Du sollst nicht erkennen«: – der Rest folgt daraus. – Die Höllenangst Gottes verhinderte ihn nicht, klug zu sein. Wie wehrt man sich gegen die Wissenschaft? das wurde für lange sein Hauptproblem. Antwort: fort mit dem Menschen aus dem Paradiese! Das Glück, der Müßiggang bringt auf Gedanken, – alle Gedanken sind schlechte Gedanken… Der Mensch soll nicht denken. – Und der »Priester an sich« erfindet die Noth, den Tod, die Lebensgefahr der Schwangerschaft, jede Art von Elend, Alter, Mühsal, die Krankheit vor Allem, – lauter Mittel im Kampfe mit der Wissenschaft! Die Noth erlaubt dem Menschen nicht, zu denken … Und trotzdem! entsetzlich! Das Werk der Erkenntniß thürmt sich auf, himmelstürmend, götterandämmernd, – was thun! – Der alte Gott erfindet den Krieg, er trennt die Völker, er macht, daß die Menschen sich gegenseitig vernichten (– die Priester haben immer den Krieg nöthig gehabt…). Der Krieg – unter Anderem ein großer Störenfried der Wissenschaft! – Unglaublich! Die Erkenntniß, die Emancipation vom Priester, nimmt selbst trotz Kriegen zu. – Und ein letzter Entschluß kommt dem alten Gotte: »der Mensch ward wissenschaftlich, – es hilft Nichts, man muß ihn ersäufen!« …
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48.
– Man hat mich verstanden. Der Anfang der Bibel enthalt die ganze Psychologie des Priesters. – Der Priester kennt nur Eine große Gefahr: das ist die Wissenschaft, – der gesunde Begriff von Ursache und Wirkung. Aber die Wissenschaft gedeiht im Ganzen nur unter glücklichen Verhältnissen, – man muß Zeit, man muß Geist überflüssig haben, um zu »erkennen« … » Folglich muß man den Menschen unglücklich machen«, – dies war zu jeder Zeit die Logik des Priesters. – Man erräth bereits, was, dieser Logik gemäß, damit erst in die Welt gekommen ist: – die » Sünde«… Der Schuld- und Strafbegriff, die ganze »sittliche Weltordnung« ist erfunden gegen die Wissenschaft, – gegen die Ablösung des Menschen vom Priester … Der Mensch soll nicht hinaus«, er soll in sich hineinsehn; er soll nicht klug und vorsichtig, als Lernender, in die Dinge sehn, er soll überhaupt gar nicht sehn: er soll leiden … Und er soll so leiden, daß er jederzeit den Priester nöthig hat. – Weg mit den Ärzten! Man hat einen Heiland nöthig. – Der Schuld« und Straf-Begriff, eingerechnet die Lehre von der »Gnade«, von der »Erlösung«, von der »Vergebung« – Lügen durch und durch und ohne jede psychologische Realität – sind erfunden, um den Ursachen-Sinn des Menschen zu zerstören: sie sind das Attentat gegen den Begriff Ursache und Wirkung! – Und nicht ein Attentat mit der Faust, mit dem Messer, mit der Ehrlichkeit in Haß und Liebe! Sondern aus den feigsten, listigsten, niedrigsten Instinkten heraus! Ein Priester-Attentat! Ein Parasiten-Attentat! Ein Vampyrismus bleicher unterirdischer Blutsauger! … Wenn die natürlichen Folgen einer That nicht mehr »natürlich« sind, sondern durch Begriffs– Gespenster des Aberglaubens, durch »Gott«, durch »Geister«, durch »Seelen« bewirkt gedacht werden, als bloß »moralische« Consequenzen, als Lohn, Strafe, Wink, Erziehungsmittel, so ist die Voraussetzung zur Erkenntnis; zerstört, – so hat man das größte Verbrechen an der Menschheit begangen. – Die Sünde, nochmals gesagt, diese Selbstschändungs-Form des Menschen par excellence, ist erfunden, um Wissenschaft, um Cultur, um jede Erhöhung und Vornehmheit des Menschen unmöglich zu machen; der Priester herrscht durch die Erfindung der Sünde. –
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50.
– Ich erlasse mir an dieser Stelle eine Psychologie des »Glaubens«, der »Gläubigen« nicht, zum Nutzen, wie billig, gerade der »Gläubigen«. Wenn es heute noch an Solchen nicht fehlt, die es nicht wissen, inwiefern es unanständig ist, »gläubig« zu sein – oder ein Abzeichen von décadence, von gebrochnem Willen zum Leben –, morgen schon werden sie es wissen. Meine Stimme erreicht auch die Harthörigen, – Es scheint, wenn anders ich mich nicht verhört habe, daß es unter Christen eine Art Kriterium der Wahrheit giebt, das man den »Beweis der Kraft« nennt. »Der Glaube macht selig: also ist er wahr.« –