Фридрих Вильгельм Ницше

Gesammelte Werke


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(Mar­cus 9,1). – Gut ge­lo­gen, Lö­we…

      »Wer mir will nach­fol­gen, der ver­leug­ne sich selbst und neh­me sein Kreuz auf sich und fol­ge mir nach. Denn …« (An­mer­kung ei­nes Psy­cho­lo­gen. Die christ­li­che Moral wird durch ihre Denn’s wi­der­legt: ihre »Grün­de« wi­der­le­gen, – so ist es christ­lich.) Mar­cus 8, 34. –

      »Rich­tet nicht, auf daß ihr nicht ge­rich­tet wer­det. Mit wel­cher­lei Maaß ihr mes­set, wird euch ge­mes­sen wer­den« (Mat­thä­us 7,1). – Wel­cher Be­griff von Ge­rech­tig­keit, von ei­nem »ge­rech­ten« Rich­ter!…

      »Denn so ihr lie­bet, die euch lie­ben, was wer­det ihr für Lohn ha­ben? Thun nicht das­sel­be auch die Zöll­ner? Und so ihr nur zu eu­ren Brü­dern freund­lich thut, was thut ihr Son­der­li­ches? Thun nicht die Zöll­ner auch also?« (Mat­thä­us 5, 46.) – Prin­cip der »christ­li­chen Lie­be«: sie will zu­letzt gut be­zahlt sein…

      »Wo ihr aber den Men­schen ihre Feh­ler nicht ver­ge­bet, so wird euch euer Va­ter eure Feh­ler auch nicht ver­ge­ben« (Mat­thä­us 6, 15). – Sehr com­pro­mit­ti­rend für den ge­nann­ten »Va­ter«…

      »Trach­tet am ers­ten nach dem Rei­che Got­tes und nach sei­ner Ge­rech­tig­keit, so wird euch sol­ches Al­les zu­fal­len« (Mat­thä­us 6, 33). – Sol­ches Al­les: näm­lich Nah­rung, Klei­dung, die gan­ze No­th­durft des Le­bens. Ein Irr­thum, be­schei­den aus­ge­drück­t… Kurz vor­her er­scheint Gott als Schnei­der, we­nigs­tens in ge­wis­sen Fäl­len…

      »Freu­et euch als­dann und hüp­fet: denn sie­he, euer Lohn ist groß im Him­mel. Des­glei­chen tha­ten ihre Vä­ter den Pro­phe­ten auch« (Lu­cas 6,23), – Un­ver­schäm­tes Ge­sin­del! Es ver­gleicht sich be­reits mit den Pro­phe­ten …

      »Wis­set ihr nicht, daß ihr Got­tes Tem­pel seid und der Geist Got­tes in euch woh­net? So Je­mand den Tem­pel Got­tes ver­der­bet, den wird Gott ver­der­ben: denn der Tem­pel Got­tes ist hei­lig, der seid ihr« (Pau­lus 1. Ko­rin­ther 3,16). – Der­glei­chen kann man nicht ge­nug ver­ach­ten …

      »Wis­set ihr nicht, daß die Hei­li­gen die Welt rich­ten wer­den? So denn nun die Welt soll von euch ge­rich­tet wer­den: seid ihr denn nicht gut ge­nug, ge­rin­ge­re Sa­chen zu rich­ten?« (Pau­lus 1. Ko­rin­ther 6,2.) – Lei­der nicht bloß die Rede ei­nes Ir­ren­häus­lers … Die­ser fürch­ter­li­che Be­trü­ger fährt wört­lich fort: »Wis­set ihr nicht, daß wir über die En­gel rich­ten wer­den? Wie viel mehr über die zeit­li­chen Gü­ter!« …

      »Hat nicht Gott die Weis­heit die­ser Welt zur Thor­heit ge­macht? Denn die­weil die Welt durch ihre Weis­heit Gott in sei­ner Weis­heit nicht er­kann­te, ge­fiel es Gott wohl, durch thö­rich­te Pre­digt se­lig zu ma­chen Die, so dar­an glau­ben …; nicht viel Wei­se nach dem Fleisch, nicht viel Ge­wal­ti­ge, nicht viel Edle sind be­ru­fen. Son­dern was thö­richt ist vor der Welt, das hat Gott er­wäh­let, daß er die Wei­sen zu Schan­den ma­che; und was schwach ist vor der Welt, das hat Gott er­wäh­let, daß er zu Schan­den ma­che, was stark ist; und das Uned­le vor der Welt und das Ver­ach­te­te hat Gott er­wäh­let, und das da Nichts ist, daß er zu Nich­te ma­che, was Et­was ist. Auf daß sich vor ihm kein Fleisch rüh­me« (Pau­lus 1. Ko­rin­ther 1,20 ff.). – Um die­se Stel­le, ein Zeug­niß al­ler­ers­ten Ran­ges für die Psy­cho­lo­gie je­der Tschan­da­la-Moral, zu ver­stehn, lese man die ers­te Ab­hand­lung mei­ner Ge­nea­lo­gie der Moral: in ihr wur­de zum ers­ten Mal der Ge­gen­satz ei­ner vor­neh­men und ei­ner aus res­sen­ti­ment und ohn­mäch­ti­ger Ra­che ge­bor­nen Tschan­da­la-Moral an’s Licht ge­stellt. Pau­lus war der größ­te al­ler Apos­tel der Ra­che …

      *

      46.

      – Was folgt dar­aus? Daß man gut thut, Hand­schu­he an­zu­ziehn, wenn man das neue Te­sta­ment liest. Die Nähe von so viel Un­rein­lich­keit zwingt bei­na­he dazu. Wir wür­den uns »ers­te Chris­ten« so we­nig wie pol­ni­sche Ju­den zum Um­gang wäh­len: nicht daß man ge­gen sie auch nur einen Ein­wand nö­thig hät­te … Sie rie­chen bei­de nicht gut. – Ich habe ver­ge­bens im neu­en Te­sta­men­te auch nur nach Ei­nem sym­pa­thi­schen Zuge aus­ge­späht; Nichts ist dar­in, was frei, gü­tig, of­fen­her­zig, recht­schaf­fen wäre. Die Men­sch­lich­keit hat hier noch nicht ih­ren ers­ten An­fang ge­macht, – die In­stink­te der Rein­lich­keit feh­len … Es giebt nur schlech­te In­stink­te im neu­en Te­sta­ment, es giebt kei­nen Muth selbst zu die­sen schlech­ten In­stink­ten. Al­les ist Feig­heit, Al­les ist Au­gen-schlie­ßen und Selbst­be­trug dar­in. Je­des Buch wird rein­lich, wenn man eben das neue Te­sta­ment ge­le­sen hat: ich las, um ein Bei­spiel zu ge­ben, mit Ent­zücken un­mit­tel­bar nach Pau­lus je­nen an­muthigs­ten, über­müthigs­ten Spöt­ter Pe­tro­ni­us, von dem man sa­gen könn­te, was Do­me­ni­co Boc­cac­cio über Ce­sa­re Bor­gia an den Her­zog von Par­ma schrieb: »è tut­to fe­sto« – un­s­terb­lich ge­sund, un­s­terb­lich hei­ter und wohl­ge­rat­hen … Die­se klei­nen Mu­cker ver­rech­nen sich näm­lich in der Haupt­sa­che. Sie grei­fen an, aber Al­les, was von ih­nen an­ge­grif­fen wird, ist da­mit aus­ge­zeich­net. Wen ein »ers­ter Christ« an­greift, den be­su­delt er nicht … Um­ge­kehrt: es ist eine Ehre, »ers­te Chris­ten« ge­gen sich zu ha­ben. Man liest das neue Te­sta­ment nicht ohne eine Vor­lie­be für Das, was dar­in miß­han­delt wird, – nicht zu re­den von der »Weis­heit die­ser Welt«, wel­che ein fre­cher Wind­ma­cher »durch thö­rich­te Pre­digt« um­sonst zu Schan­den zu ma­chen sucht … Aber selbst die Pha­ri­sä­er und Schrift­ge­lehr­ten ha­ben ih­ren Vort­heil von ei­ner sol­chen Geg­ner­schaft: sie müs­sen schon et­was werth ge­we­sen sein, um auf eine so un­an­stän­di­ge Wei­se ge­haßt zu wer­den. Heu­che­lei – das wäre ein Vor­wurf, den »ers­te Chris­ten« ma­chen dürf­ten! – Zu­letzt wa­ren es die Pri­vi­le­gir­ten: dies ge­nügt, der Tschan­da­la-Haß braucht kei­ne Grün­de mehr. Der »ers­te Christ« – ich fürch­te, auch der »letz­te Christ«, den ich viel­leicht noch er­le­ben wer­de – ist Re­bell ge­gen al­les Pri­vi­le­gir­te aus un­ters­tem In­stink­te, – er lebt, er kämpft im­mer für » glei­che Rech­te« … Ge­nau­er zu­ge­sehn, hat er kei­ne Wahl. Will man, für sei­ne Per­son, ein »Au­ser­wähl­ter Got­tes« sein– oder ein »Tem­pel Got­tes«, oder ein »Rich­ter der En­gel« –, so ist je­des and­re Prin­cip der Aus­wahl, zum Bei­spiel nach Recht­schaf­fen­heit, nach Geist, nach Männ­lich­keit und Stolz, nach Schön­heit und Frei­heit des Her­zens, ein­fach »Welt«, – das Böse an sich … Moral: je­des Wort im Mun­de ei­nes »ers­ten Chris­ten« ist eine Lüge, jede Hand­lung, die er thut, eine In­stinkt-Falsch­heit, – alle sei­ne Wert­he, alle sei­ne Zie­le sind schäd­lich, aber wen er haßt, was er haßt, das hat Werth … Der Christ, der Pries­ter–Christ in Son­der­heit, ist ein Kri­te­ri­um für Wert­he – – Habe ich noch zu sa­gen, daß im gan­zen neu­en Te­sta­ment bloß eine ein­zi­ge Fi­gur vor­kommt, die man eh­ren muß? Pila­tus, der rö­mi­sche Statt­hal­ter. Ei­nen Ju­den­han­del ernst zu neh­men – dazu über­re­det er sich nicht. Ein Jude mehr oder we­ni­ger – was liegt dar­an? … Der vor­neh­me Hohn ei­nes Rö­mers, vor dem ein un­ver­schäm­ter Miß­brauch mit dem Wort »Wahr­heit« ge­trie­ben wird, hat das neue Te­sta­ment mit dem ein­zi­gen Wort be­rei­chert, das Werth hat, – das sei­ne Kri­tik, sei­ne Ver­nich­tung selbst ist: »was ist Wahr­heit!« …

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      47.

      – Das ist es nicht, was uns ab­schei­det, daß wir kei­nen Gott wie­der­fin­den,