Фридрих Вильгельм Ницше

Gesammelte Werke


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tanz­te vor Ver­gnü­gen; und wenn er auch, wie man­che Er­zäh­ler mei­nen, da­mals voll süs­sen Wei­nes war, so war er ge­wiss­lich noch vol­ler des süs­sen Le­bens und hat­te al­ler Mü­dig­keit ab­ge­sagt. Es giebt so­gar Sol­che, die er­zäh­len, dass da­mals der Esel ge­tanzt habe: nicht um­sonst näm­lich habe ihm der häss­lichs­te Mensch vor­her Wein zu trin­ken ge­ge­ben. Diess mag sich nun so ver­hal­ten oder auch an­ders; und wenn in Wahr­heit an je­nem Aben­de der Esel nicht ge­tanzt hat, so ge­sch­a­hen doch da­mals grös­se­re und selt­sa­me­re Wun­der­din­ge als es das Tan­zen ei­nes Esels wäre. Kurz, wie das Sprich­wort Za­ra­thustra’s lau­tet: »was liegt dar­an!«

      2

      Za­ra­thustra aber, als sich diess mit dem häss­lichs­ten Men­schen zu­trug, stand da, wie ein Trun­ke­ner: sein Blick er­losch, sei­ne Zun­ge lall­te, sei­ne Füs­se schwank­ten. Und wer möch­te auch er­rat­hen, wel­che Ge­dan­ken da­bei über Za­ra­thustra’s See­le lie­fen? Er­sicht­lich aber wich sein Geist zu­rück und floh vor­aus und war in wei­ten Fer­nen und gleich­sam »auf ho­hem Jo­che, wie ge­schrie­ben steht, zwi­schen zwei Mee­ren,

      – zwi­schen Ver­gan­ge­nem und Zu­künf­ti­gem als schwe­re Wol­ke wan­delnd.« All­ge­mach aber, wäh­rend ihn die hö­he­ren Men­schen in den Ar­men hiel­ten, kam er ein We­nig zu sich sel­ber zu­rück und wehr­te mit den Hän­den dem Ge­drän­ge der Ver­eh­ren­den und Be­sorg­ten; doch sprach er nicht. Mit Ei­nem Male aber wand­te er schnell den Kopf, denn er schi­en Et­was zu hö­ren: da leg­te er den Fin­ger an den Mund und sprach: »Kommt!«

      Und als­bald wur­de es rings still und heim­lich; aus der Tie­fe aber kam lang­sam der Klang ei­ner Glo­cke her­auf. Za­ra­thustra horch­te dar­nach, gleich den hö­he­ren Men­schen; dann aber leg­te er zum an­dern Male den Fin­ger an den Mund und sprach wie­der­um: »Kommt! Kommt! Es geht gen Mit­ter­nacht!« – und sei­ne Stim­me hat­te sich ver­wan­delt. Aber im­mer noch rühr­te er sich nicht von der Stel­le: da wur­de es noch stil­ler und heim­li­cher, und Al­les horch­te, auch der Esel, und Za­ra­thustra’s Ehr­ent­hie­re, der Ad­ler und die Schlan­ge, ins­glei­chen die Höh­le Za­ra­thustra’s und der gros­se küh­le Mond und die Nacht sel­ber. Za­ra­thustra aber leg­te zum drit­ten Male die Hand an den Mund und sprach:

       Kommt! Kommt! Kommt! Lasst uns jet­zo wan­deln! Es ist die Stun­de: lasst uns in die Nacht wan­deln!

      3

      Ihr hö­he­ren Men­schen, es geht gen Mit­ter­nacht: da will ich euch Et­was in die Ohren sa­gen, wie jene alte Glo­cke es mir in’s Ohr sagt, –

      – so heim­lich, so schreck­lich, so herz­lich, wie jene Mit­ter­nachts-Glo­cke zu mir es re­det, die mehr er­lebt hat als Ein Mensch:

      – wel­che schon eu­rer Vä­ter Her­zens-Schmer­zens-Schlä­ge ab­zähl­te – ach! ach! wie sie seufzt! wie sie im Trau­me lacht! die alte tie­fe tie­fe Mit­ter­nacht!

      Still! Still! Da hört sich Man­ches, das am Tage nicht laut wer­den darf; nun aber, bei küh­ler Luft, da auch al­ler Lärm eu­rer Her­zen stil­le ward, –

      – nun re­det es, nun hört es sich, nun schleicht es sich in nächt­li­che über­wa­che See­len: ach! ach! wie sie seufzt! wie sie im Trau­me lacht!

      – hörst du’s nicht, wie sie heim­lich, schreck­lich, herz­lich zu dir re­det, die alte tie­fe tie­fe Mit­ter­nacht? Oh Mensch, gieb Acht!

      4

      Wehe mir! Wo ist die Zeit hin? Sank ich nicht in tie­fe Brun­nen? Die Welt schläft –

      Ach! Ach! Der Hund heult, der Mond scheint. Lie­ber will ich ster­ben, ster­ben, als euch sa­gen, was mein Mit­ter­nachts-Herz eben denkt.

      Nun starb ich schon. Es ist da­hin. Spin­ne, was spinnst du um mich? Willst du Blut? Ach! Ach! der Thau fällt, die Stun­de kommt –

      – die Stun­de, wo mich frös­telt und friert, die fragt und fragt und fragt: »wer hat Herz ge­nug dazu?

      – wer soll der Erde Herr sein? Wer will sa­gen: so sollt ihr lau­fen, ihr gros­sen und klei­nen Strö­me!«

      – die Stun­de naht: oh Mensch, du hö­he­rer Mensch, gieb Acht! die­se Rede ist für fei­ne Ohren, für dei­ne Ohren was spricht die tie­fe Mit­ter­nacht?

      5

      Es trägt mich da­hin, mei­ne See­le tanzt. Ta­ge­werk! Ta­ge­werk! Wer soll der Erde Herr sein?

      Der Mond ist kühl, der Wind schweigt. Ach! Ach! Flogt ihr schon hoch ge­nug? Ihr tanz­tet: aber ein Bein ist doch kein Flü­gel.

      Ihr gu­ten Tän­zer, nun ist alle Lust vor­bei, Wein ward Hefe, je­der Be­cher ward mür­be, die Grä­ber stam­meln.

      Ihr flogt nicht hoch ge­nug: nun stam­meln die Grä­ber »er­löst doch die Tod­ten! Wa­rum ist so lan­ge Nacht? Macht uns nicht der Mond trun­ken?«

      Ihr hö­he­ren Men­schen, er­löst doch die Grä­ber, weckt die Leich­na­me auf! Ach, was gräbt noch der Wurm? Es naht, es naht die Stun­de, –

      – es brummt die Glo­cke, es schnarrt noch das Herz, es gräbt noch der Holz­wurm, der Her­zens­wurm. Ach! Ach! Die Welt ist tie­f!

      6

      Süs­se Lei­er! Süs­se Lei­er! Ich lie­be dei­nen Ton, dei­nen trun­ke­nen Un­ken-Ton! – wie lang her, wie fern her kommt mir dein Ton, weit her, von den Tei­chen der Lie­be!

      Du alte Glo­cke, du süs­se Lei­er! Je­der Schmerz riss dir in’s Herz, Va­ter­schmerz, Vä­ter­schmerz, Ur­vä­ter­schmerz, dei­ne Rede wur­de reif,-

      – reif gleich gol­de­nem Herbs­te und Nach­mit­tage, gleich mei­nem Ein­sied­ler­her­zen – nun re­dest du: die Welt sel­ber ward reif, die Trau­be bräunt,

      – nun will sie ster­ben, vor Glück ster­ben. Ihr hö­he­ren Men­schen, riecht ih­r’s nicht? Es quillt heim­lich ein Ge­ruch her­auf,

      – ein Duft und Ge­ruch der Ewig­keit, ein ro­sen­se­li­ger, brau­ner Gold-Wein-Ge­ruch von al­tem Glücke,

      von trun­ke­nem Mit­ter­nachts-Ster­be­glücke, wel­ches singt: die Welt ist tief und tiefer als der Tag ge­dacht!

      7

      Lass mich! Lass mich! Ich bin zu rein für dich. Rüh­re mich nicht an! Ward mei­ne Welt nicht eben voll­kom­men?

      Mei­ne Haut ist zu rein für dei­ne Hän­de. Lass mich, du dum­mer töl­pi­scher dump­fer Tag! Ist die Mit­ter­nacht nicht hel­ler?

      Die Reins­ten sol­len der Erde Herrn sein, die Uner­kann­tes­ten, Stärks­ten, die Mit­ter­nachts-See­len, die hel­ler und tiefer sind als je­der Tag.

      Oh Tag, du tappst nach mir? Du tas­test nach mei­nem Glücke? Ich bin dir reich, ein­sam, eine Schatz­gru­be, eine Gold­kam­mer?

      Oh Welt, du willst mich? Bin ich dir welt­lich? Bin ich dir geist­lich? Bin ich dir gött­lich? Aber Tag und Welt, ihr seid zu plump, –

      – habt klü­ge­re Hän­de, greift nach tiefe­rem Glücke, nach tiefe­rem Un­glücke, greift nach ir­gend ei­nem Got­te, greift nicht nach mir:

      – mein Un­glück,