Фридрих Вильгельм Ницше

Gesammelte Werke


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der Wil­le, um zur Kunst zu kom­men, sich in die­se Wel­ten, Ster­ne, Kör­per und Ato­me aus­ge­gos­sen hat: min­des­tens müß­te uns dann klar wer­den, daß die Kunst nicht für die In­di­vi­du­en, son­dern für den Wil­len selbst nothwen­dig ist: eine er­ha­be­ne Aus­sicht, auf die einen Blick zu wer­fen uns noch ein­mal von ei­ner an­dern Stel­le er­laubt sein wird.

      (Bruch­stück 1871.)

      Was wir hier über das Ver­hält­nis; der Spra­che zur Mu­sik auf­ge­stellt ha­ben, muß aus glei­chen Grün­den auch vom Ver­hält­nis; des Mi­mus zur Mu­sik gel­ten. Auch der Mi­mus, als die ge­stei­ger­te Ge­ber­den­sym­bo­lik des Men­schen, ist, an der ewi­gen Be­deut­sam­keit der Mu­sik ge­mes­sen, nur ein Gleich­niß, das de­ren in­ners­tes Ge­heim­niß nur sehr äu­ßer­lich, näm­lich am Substrat des lei­den­schaft­lich be­weg­ten Men­schen­lei­bes, zum Aus­druck bringt. Fas­sen wir aber auch die Spra­che mit un­ter die Ka­te­go­rie der leib­li­chen Sym­bo­lik und hal­ten wir das Dra­ma, ge­mäß un­serm auf­ge­stell­ten Ka­non, an die Mu­sik her­an: so dürf­te jetzt ein Satz Scho­pen­hau­er’s in die hells­te Be­leuch­tung tre­ten, an den an ei­ner spä­te­ren Stel­le wie­der an­ge­knüpft wer­den muß. »Es möch­te hin­gehn, ob­gleich ein rein mu­si­ka­li­scher Geist es nicht ver­langt, daß man der rei­nen Spra­che der Töne, ob­wohl sie, selbst­ge­nüg­sam, kei­ner Beihül­fe be­darf, Wor­te, so­gar auch eine an­schau­lich vor­ge­führ­te Hand­lung, zu­ge­sellt und un­ter­legt, da­mit un­ser an­schau­en­der und re­flek­ti­ren­der In­tel­lekt, der nicht ganz mü­ßig sein mag, doch auch eine leich­te und ana­lo­ge Be­schäf­ti­gung da­bei er­hal­te, wo­durch so­gar die Auf­merk­sam­keit der Mu­sik fes­ter an­hängt und folgt, auch zu­gleich Dem, was die Töne in ih­rer all­ge­mei­nen bil­der­lo­sen Spra­che des Her­zens be­sa­gen, ein an­schau­li­ches Bild, gleich­sam ein Sche­ma, oder wie ein Exem­pel zu ei­nem all­ge­mei­nen Be­griff, un­ter­ge­legt wird: ja, der­glei­chen wird den Ein­druck der Mu­sik er­hö­hen.« (Scho­pen­hau­er, Pa­rer­ga II, Zur Me­ta­phy­sik des Schö­nen und Äs­the­tik § 224). Wenn wir von der na­tu­ra­lis­tisch äu­ßer­li­chen Mo­ti­vi­rung ab­sehn, wo­nach un­ser an­schau­en­der und re­flek­ti­ren­der In­tel­lekt beim An­hö­ren der Mu­sik nicht ganz mü­ßig sein mag, und die Auf­merk­sam­keit, an der Hand ei­ner an­schau­li­chen Ak­ti­on, bes­ser folgt, – so ist von Scho­pen­hau­er mit höchs­tem Rech­te das Dra­ma im Ver­hält­niß zur Mu­sik als ein Sche­ma, als ein Exem­pel zu ei­nem all­ge­mei­nen Be­griff cha­rak­te­ri­sirt wor­den: und wenn er hin­zu­fügt: »ja, der­glei­chen wird den Ein­druck der Mu­sik er­hö­hen«, so bürgt die un­ge­heu­re All­ge­mein­heit und Ur­sprüng­lich­keit der Vo­kal­mu­sik, der Ver­bin­dung von Ton mit Bild und Be­griff, für die Rich­tig­keit die­ses Auss­pruchs. Die Mu­sik je­des Vol­kes be­ginnt durch­aus im Bun­de mit der Ly­rik, und lan­ge be­vor an eine ab­so­lu­te Mu­sik ge­dacht wer­den kann, durch­läuft sie in je­ner Ve­rei­ni­gung die wich­tigs­ten Ent­wick­lungs­stu­fen. Ver­ste­hen wir die­se Ur­ly­rik ei­nes Vol­kes, wie wir es ja müs­sen, als eine Nach­ah­mung der künst­le­risch vor­bil­den­den Na­tur, so muß uns als ur­sprüng­li­ches Vor­bild je­ner Ve­rei­ni­gung von Mu­sik und Ly­rik die von der Na­tur vor­ge­bil­de­te Dop­pel­heit im We­sen der Spra­che gel­ten: in wel­ches wir jetzt, nach den Er­ör­te­run­gen über die Stel­lung von Mu­sik zum Bild, tiefer ein­drin­gen wer­den.

      In der Viel­heit der Spra­chen giebt sich so­fort die That­sa­che kund, daß Wort und Ding sich nicht voll­stän­dig und nothwen­dig de­cken, son­dern daß das Wort ein Sym­bol ist. Was sym­bo­li­sirt aber das Wort? Doch ge­wiß nur Vor­stel­lun­gen, sei­en dies nun be­wuß­te oder, der Mehr­zahl nach, un­be­wuß­te: denn wie soll­te ein Wort-Sym­bol je­nem in­ners­ten We­sen, des­sen Ab­bil­der wir selbst, sammt der Welt, sind, ent­spre­chen? Nur als Vor­stel­lun­gen ken­nen wir je­nen Kern, nur in sei­nen bild­li­chen Äu­ße­run­gen ha­ben wir eine Ver­traut­heit mit ihm: au­ßer­dem giebt es nir­gends eine di­rek­te Brücke, die uns zu ihm selbst führ­te. Auch das ge­samm­te Trieb­le­ben, das Spiel der Ge­füh­le Emp­fin­dun­gen Af­fek­te Wil­lens­ak­te, ist uns – wie ich hier ge­gen Scho­pen­hau­er ein­schal­ten muß – bei ge­naues­ter Selbst­prü­fung nur als Vor­stel­lung, nicht sei­nem We­sen nach, be­kannt: und wir dür­fen wohl sa­gen, daß selbst der »Wil­le« Scho­pen­hau­er’s nichts als die all­ge­meins­te Er­schei­nungs­form ei­nes uns üb­ri­gens gänz­lich Un­ent­zif­fer­ba­ren ist. Müs­sen wir uns also schon in die star­re No­thwen­dig­keit fü­gen, nir­gends über die Vor­stel­lun­gen hin­aus­zu­kom­men, so kön­nen wir doch wie­der im Be­reich der Vor­stel­lun­gen zwei Haupt­gat­tun­gen un­ter­schei­den. Die einen of­fen­ba­ren sich uns als Lust- und Un­lu­st­emp­fin­dun­gen und be­glei­ten als nie feh­len­der Grund­baß alle üb­ri­gen Vor­stel­lun­gen. Die­se all­ge­meins­te Er­schei­nungs­form, aus der und un­ter der wir al­les Wer­den und al­les Wol­len ein­zig ver­ste­hen und für die wir den Na­men »Wil­le« fest­hal­ten wol­len, hat nun auch in der Spra­che ihre eig­ne sym­bo­li­sche Sphä­re: und zwar ist die­se für die Spra­che eben­so fun­da­men­tal, wie jene Er­schei­nungs­form für alle üb­ri­gen Vor­stel­lun­gen. Alle Lust- und Un­lust­gra­de – Äu­ße­run­gen ei­nes uns nicht durch­schau­ba­ren Ur­grun­des – sym­bo­li­si­ren sich im Tone des Spre­chen­den: wäh­rend sämmt­li­che üb­ri­gen Vor­stel­lun­gen durch die Ge­ber­den­sym­bo­lik des Spre­chen­den be­zeich­net wer­den. In­so­fern je­ner Ur­grund in al­len Men­schen der­sel­be ist, ist auch der Ton­un­ter­grund der all­ge­mei­ne und über die Ver­schie­den­heit der Spra­chen hin­aus ver­ständ­li­che. Aus ihm ent­wi­ckelt sich nun die will­kür­li­che­re und ih­rem Fun­da­ment nicht völ­lig ad­äqua­te Ge­ber­den­sym­bo­lik: mit der die Man­nig­fal­tig­keit der Spra­chen be­ginnt, de­ren Viel­heit wir gleich­niß­wei­se als einen stro­phi­schen Text auf jene Ur­me­lo­die der Lust- und Un­lust­spra­che an­se­hen dür­fen. Das gan­ze Be­reich des Con­so­nan­ti­schen und Vo­ka­li­schen glau­ben wir nur un­ter die Ge­ber­den­sym­bo­lik rech­nen zu dür­fen – Con­so­nan­ten und Vo­ka­le sind ohne den vor Al­lem nö­thi­gen fun­da­men­ta­len Ton nichts als Stel­lun­gen der Spra­ch­or­ga­ne, kurz Ge­ber­den –; so­bald wir uns das Wort aus dem Mun­de des Men­schen her­vor­quel­len den­ken, so er­zeugt sich zu al­ler­erst die Wur­zel des Wor­tes und das Fun­da­ment je­ner Ge­ber­den­sym­bo­lik, der Ton­un­ter­grund, der Wie­der­klang der Lust- und Un­lu­st­emp­fin­dun­gen. Wie sich uns­re gan­ze Leib­lich­keit zu je­ner ur­sprüng­lichs­ten Er­schei­nungs­form, dem »Wil­len« ver­hält, so ver­hält sich das con­so­nan­tisch-vo­ka­li­sche Wort zu sei­nem Ton­fun­da­men­te.

      Die­se ur­sprüng­lichs­te Er­schei­nungs­form, der »Wil­le«, mit sei­ner Ska­la der Lust- und Un­lu­st­emp­fin­dun­gen, kommt aber in der Ent­wick­lung der Mu­sik zu ei­nem im­mer ad­äqua­te­ren sym­bo­li­schen Aus­druck: als wel­chem his­to­ri­schen Pro­ceß das fort­wäh­ren­de Stre­ben der Ly­rik ne­ben­her läuft, die Mu­sik in Bil­dern zu um­schrei­ben: wie die­ses Dop­pel­phä­no­men, nach der so­eben ge­mach­ten Aus­füh­rung, in der Spra­che ur­an­fäng­lich vor­ge­bil­det liegt.

      Wer uns in die­se schwie­ri­gen Be­trach­tun­gen be­reit­wil­lig, auf­merk­sam und mit ei­ni­ger Phan­ta­sie ge­folgt ist – auch mit Wohl­wol­len er­gän­zend, wo der Aus­druck zu knapp oder zu un­be­dingt aus­ge­fal­len