Leben unmittelbar auf den Schultern sitzt, ohne Ideologie oder mit einer unaufhörlich wechselnden Mode.
Es gibt sicher eine Phil. der Mode. Ob es eine zeitgemäße, soziale gibt, weiß ich nicht –
Mode
Illustr. Ztgen. haben seit einigen Jahren die hübsche Gewohnheit angenommen, Modebilder aus solchen vergangenen Zeiten zu reproduzieren, die ein großer Teil von uns noch mitgemacht hat, also etwa aus den Jahren 1914, 1900 bis 1890. Ihren Abschluß nach unten findet diese Reihe etwa in den 70er Jahren des vor. Jhrdts. Man sieht Hüte, die wie Räder oder große Käseringe sind, gepuffte Ärmel, wunderliche Linien vom Magen bis zum Hals und Schöße voll Unnatur. Der erste Eindruck ist der eines komischen Ungeschicks, dem unsere Gegenwart viel mehr entronnen sei als aus ihm hervorgegangen, gemischt mit der Befriedigung, daß wir es in wenigen Jahren so weit gebracht haben.
Ganz so einfach ist das aber nicht.
Vor allem: warum schließt das mit 1870 ab? Ein Historiker der Form, der Entwicklungslinien sucht, wird die unserer Kleidung mühelos u. natürlich über das Jahr 1870 hinaus u zurück verfolgen können, in die 30er Jahre hinein und von da, so wie eben eins aus dem andern folgt, bis zur Zeit Goethes ja der Anfänge des Bürgertums zurück. Und doch befindet sich etwa bei 1870 für unser Gefühl ein Bruch, so daß uns alles, was älter ist, als historisches Kostüm erscheint, so als ob es aus irgendwelchen Gründen der Zeit damals entsprochen hätte, während ab 1870 ein Gefühl verlassener Torheit in uns erregt wird, geradeso als ob wir irgendwie dafür noch verantwortlich wären.
Damals waren unsere Eltern oder Großeltern in ihren besten Jahren, einige Jahrzehnte später waren wir es selbst; es scheint ein Zeichen für das zu sein, was wir noch nicht ganz als Vergangenheit und mehr oder minder als Gegenwart empfinden, daß wir uns dafür schämen. Denn wir schämen uns der Lächerlichkeit unserer abgelegten Kleider.
Warum legen wir sie dann aber an?
Häßlichkeit hindert eine Mode nicht am Entstehen; sie kann anfangs ganz deutlich als unangenehm empfunden werden, wird aber doch mitgemacht, und nach einer Weile ist sie unentbehrlich. So waren die umgeklappten Hosen, die man heute trägt, vor dem Krieg auf Regenwetter u Straße beschränkt u galten selbst da in Dtschld. nicht für besonders anständig, heute betritt man u U. einen Salon mit ihnen, und die kurzen Frauenröcke, die bis vor eben so kurzem getragen wurden, bedeuteten, unvoreingenommen betrachtet, die unvorteilhafteste Gliederung der weiblichen Erscheinung, die sich nur ersinnen läßt, denn es entstand ein hochgestelltes Rechteck, das auf zwei kurzen Stelzchen ruhte. Daß diese kniefreien Röcke praktisch waren, hat nicht gehindert, daß sie sich seither wieder ins Unpraktische verlängerten, und alles was man von der Bewegungsfreiheit der neuen tätigen Frau schrieb u sprach, war nur Zeitgeklapper: in Wahrheit spielt das Praktische in der Mode eine ebenso untergeordnete Rolle wie das Schöne, und nichts steht dafür gut, daß wir nicht noch einmal Vatermörder und Schnürstiefel tragen werden.
Natürlich hat eine neue Mode immer etwas an sich, was reizvoll ist, aber das ist wahrscheinlich gerade das, was später nicht mehr verstanden wird; es ist das Genughaben am Vorangegangenen (Opposition u Variation)
Eine Einzelheit, die ein Ganzes nach sich zieht: ein labiles, debiles Verhalten.
Man spricht von der Tyrannei der Mode und meint darunter, daß man nicht versteht, warum man sie wechselt.
Zum Teil weiß man, daß das von außen kommt. Längstens alle 2, 3 Jahre müssen die Schneider und Hütemacher aus Geschäftsgründen etwas Neues erfinden. Bald fällt ihnen mehr, bald weniger ein, bald etwas Nettes, bald nur etwas Albernes. Das weiß man und fühlt man und kann sich der Aufforderung, es zu tragen, doch nicht entziehn. Rührend deutlich war das ja bei der kurzen Frauenhaartracht – die so konsequenzenreich war wie keine Mode An u für sich nur in einer beschränkten Zahl von Fällen unbedingt schön. Rührendes jahrelanges Zögern. Abwägen. Sondieren des Manns u Parlamentieren. Aufmarsch von Grundsätzen. Und schließlich ein Zopf nach dem andern unter der Scheere, so daß es heute geradezu Ausdruck bestimmten Charakters, Grundsätze, Milieus ist, wenn noch ..
Man sagt, daß man sich nicht dem Einfluß dessen, was alle tun, entziehn könne; man findet es anfangs abstrus u später selbstverständlich. Es liegt etwas ungeheuer Melancholisches, menschlich Rührendes in der Tatsache der Mode. Es ist mit anderen Dingen auch so, nur fällt es nicht so in die Augen: darin liegt die philosoph. Bedeutung der Mode.
Es spielt mit, daß man die neue Mode anfangs unbefangen, rein optisch sieht u also als absurd erkennt, während man sie später sozial sieht, als Zeichen der Vornehmheit u Eleganz, je nach Reichtum u Geschmack ihrer Ausführung. Kleider waren ja immer ein nach außen Kehren der sozialen Bedeutung. Konsequent müßte man sich mit kostbaren holländischen Gulden oder mit schlichten Mark bekleiden. Ein Grund der Inkonsequenz der Mode ist ihre Indirektheit. Bekanntlich ist sie auch im Erotischen indirekt.
Sie besteht aus Inkonsequenzen u Indirektheiten.
Konsequent u direkt führt sie zum Reformsack.
Es scheint heute eine Vernunftlinie zur Nacktheit zu führen
Aber die eigentliche Wahrheit der Mode besteht in: Ich kann mich nicht mehr sehn.
Der Doppelmäzen
Man spricht u schreibt heute viel darüber, ob es wohl noch Mäzene gebe, daß es sie noch gebe, wie nötig sie wären und was sie zu tun hätten; da mag es willkommen sein, wenn man versichern kann, daß es sogar noch Doppelmäzene gibt. Nennen wir sie dem Märchenhaften ihrer Erscheinung gemäß Emporius & Kömmling; ihre irdische Anschrift steht ernsten Interessenten (nur) gegen Schadensversicherung zur Verfügung.
Sie handelten mit allem, was es zwischen einem Seidenstrumpf und dem Sauerstoffmangel der Stratosphäre gibt, und niemand wußte, ob sie reich wären, aber sie besaßen alles, was äußerlich zum Reichtum gehört, Palais, Kraftwagen, Bilder, Frauen und Pferde, u daß R.[eichtum] auch innerlich etwas sein müsse, kann sein ist aber schließlich eine Drohung von Leuten, die nicht viel mehr besitzen als ihre Tugenden. So dachte wenigstens Kömmling, der es sich wohlergehen ließ und in seinen allerpersönlichsten Wohnräumen Bilder von Rennpferden, Jagdmeuten und Rebhühnern in Pfirsichen hängen hatte. Nicht so aber Emporius. Dieser stammte aus einer Gymnasiallehrerfamilie, die er nicht unterstützte, von der er aber etwas zurück behalten hatte; allerdings war das nur die Überzeugung, daß man vornehm sein müsse, aber es freute ihn doch. So beschäftigte sich sein Geist viel damit, wie man die Künste fördern könne, und er stritt oft mit seinem Kompagnon K. darüber, der große Summen unwiederbringlich an niedere Begierden verlor, obwohl ihm E. bewies, daß man für das gleiche Geld seine Wohnung mit alten Bildern so bekleben kann, daß sie wie ein Briefmarkenalbum aussieht und sich auch durchaus zu Spekulationen ebensogut eignet wie ein solches. Durch diese Unterschiede ihrer geistigen Haltung waren die beiden Kompagnons meistens miteinander verfeindet, u. Emporius beschloß, einmal K. zu zeigen, wie man es machen müsse, wenn man den Platz verdienen will, auf dem man verdient.
Er hörte, daß ein berühmter Lyriker in der Stadt anwesend sei, machte ihm seinen Besuch und lud ihn zu sich. Dort setzte er ihn, nachdem sie wie Fürsten bei Kerzenlicht diniert hatten, unter eine Bilderhecke [?], zog für sich einen Stuhl heran u sprach: «Ich bin ein einfacher Kaufmann, aber ich weiß, was man der Kunst schuldet Antike Bilder befriedigen mich nicht, ich will etwas tun, was noch nicht da war: ich stifte einen großen Preis für Lyrik (das schönste Gedicht).»
Der Lyriker öffnete die Augen.
«Ich geben 3000 M. jährlich dafür» sagte Emporius. «Für 3 Gedichte»
Wie Lyriker nun einmal sind, fand der Eingeladene das zu wenig.
«30000 M. müßten es sein» räumte Emporius ein «Lassen Sie mich nachdenken. Das repräsentiert ein Kapital von rund 400000 M, ich werde 40000 geben, also müssen wir noch 360000 aufbringen: Hören Sie das geht!» Sie nahmen den Kaffee im Privatkontor in einer durch u durch sachlichen Umgebung ein, der Lyriker kniff sich ins Bein u fand, daß alles stimme. «Wir werden Deutschland zum Land der Gedichte machen» erklärte Emporius «Wollen Sie mir an die Hand gehen? Aber Sie allein, Meister, sind bei aller Bewunderung, die ich persönlich