Gustav Wied

Die Bosheit-Trilogie


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will ja nichts an der Rinne machen lassen, der Esel! – Weshalb bist du eigentlich gekommen, Manuel?" Mortensen kniff ein Auge zusammen und streckte den Hals vor. "Heute abend nützt es nicht mehr, mein Freund, denn sechs Vollblutpferde könnten ihn nicht von seinem Lager herantransportieren."

      Thomsen schüttelte den Kopf und machte eine abwehrende Handbewegung.

      "Du mit deinem dummen Gerede", sagte er unwillig. "Du mit deinem Unsinn!"

      "Ja, ja! lieber Manuel, ja, ja!" murmelte der Alte, "ich rede ja meistens um deinetwillen!"

      Und dann schwiegen sie. Man hörte nur das Schnurren der Mühlsteine und das Plätschern des Wassers, das über das Treibrad floß. Plötzlich streckte der Menschen-Mortensen den Hals in die Luft und lauschte.

      "Zum Teufel auch!" sagte er, "hast du etwas Lebendiges in deiner Tasche?"

      In dem Koffer, den Manuel bei der Treppe hingestellt hatte, ward ein deutliches Knurren und Kratzen hörbar.

      "Ja," sagte Thomsen ruhig. "Das sind die Tiere."

      "Die Tiere?"

      "Ja!"

      "Was für Tiere?"

      "Knors und Mortensen."

      "Hast du jetzt angefangen, mit ihnen herumzulaufen?" fragte der Alte und sah Manuel mit einem Blick an, in dem man den deutlichen Argwohn las, daß der liebe Gott jetzt dem "Jungen" sein bißchen Verstand genommen habe. – "Was zum Teufel willst du mit den Tieren in deinem Koffer?"

      "Er macht es nicht mehr lange", sagte Thomsen düster. "Der Hahn nämlich!"

      "Nein, das ist wohl sonnenklar. Glaubst du aber, daß es nützt, wenn du ihn spazierenführst?"

      Emanuel achtete nicht auf die Bemerkung des Freundes. Er ging hin, holte den Koffer und trug ihn an das Licht.

      "Und da meinte man, daß es wohl am besten sein würde, wenn man sie hier herausbrächte, ehe es zu spät wäre", sagte er.

      "Hier heraus?"

      "Ja, denn du weißt doch, daß Vater sagte, man bekäme den Mühlenhof nicht wieder, ehe nicht Knors und der andere die Füße auf den väterlichen Boden gesetzt hätten."

      Der Menschen-Mortensen pfiff lange und verständnisvoll. Und der Ausdruck in seinen Augen ging von Besorgnis in Bewunderung über.

      "Du bist ein Apostel, Manuel", sagte er. "Du bist ein wahrer Schlauberger, wo es sich darum handelt, in Gedanken zu spekulieren!"

      "Und dann bekam man über Nacht den Einfall," fuhr Thomsen voller Stolz und Befriedigung über die Wirkung seiner Worte fort, "daß man sie heute abend mitnehmen und Gottes Willen vollziehen müsse."

      "Ja, ja!"

      "Und nun ist man mit ihnen draußen auf dem Felde gewesen und im Garten und auf dem Hof –"

      "Ja, ja!"

      "Und da dachte man, daß sie auch das Haus betreten könnten", schloß Manuel. – "Dann hat man getan, was man konnte."

      "Ahem! ahem! krrr!" räusperte sich Mortensen ganz überwältigt. "Du bist, weiß Gott, ein Prophet. Manuel Thomsen, an dem der liebe Gott seine Freude hat. – Pfui Kuckuck! Hol' der Teufel meinen Husten!"

      "Willst du mir behilflich sein, sie herauszunehmen?" fragte Emanuel und kauerte nieder, um die Kofferriemen zu lösen.

      "Das wollt' ich ja gerade!" nickte der Alte eifrig und richtete sich auf dem steifen Bein auf. – "Aber ich kann mich ja nicht bücken, wie du siehst –"

      "Dann setzen wir den Koffer auf den Sack –"

      Manuel stellte den Koffer auf einen Sack und öffnete ihn.

      "Verteufelt, wie der drauflos kratzt!" sagte Mortensen ganz bedenklich, als ein fürchterliches Rumoren aus dem Koffer ertönte.

      "Ja, Knors ist ein wenig wild geworden. Man hatte ja seine liebe Not mit ihm unten auf dem Hof."

      "Das ist auch nicht so, als wenn man in der Equipage fährt, he, he, he! – Tut er dem Hahn denn nichts zuleide?"

      "Sie sitzen jeder in seinem Fach, weißt du!"

      "Ach so! Ja, du kannst mehr als bis drei zählen, du hast einen Kopf für zehn! – Aber jetzt kommt er heraus! Da ist er ja!" sagte der Alte ganz ängstlich und schwenkte mit den Fingern in der Luft herum. – "Was für ein Gesicht er hat! Aber du erdrosselst ihn ja, Manuel! Du erdrosselst ihn ja!"

      "Aber so hilf mir doch, Mensch! Nimm ihn doch!"

      "Ja, ja! Ja, ja! Aber er zerkratzt mir ja mein Fleisch!"

      Der Kater hatte seinen Kopf aus dem Koffer herausgezwängt, den Manuel schnell wieder zusammengeklappt hatte. Und nun sah das Tier da in der Klemme und glotzte und zischte wie ein Wahnsinniger, der seinen Kopf durch das Fenster seiner Zelle gezwängt hat.

      "Aber so faß ihn doch an, so faß ihn doch an!" schrie Thomsen und stampfte auf den Fußboden.

      "Ja, ja!" sagte der Alte und trippelte umher. "Aber er zerkratzt mich ja, wenn ich ihn anrühre! – Sieh, jetzt zeigt er auch die Krallen! Er ist ganz verrückt geworden!"

      Manuel preßte den Koffer gegen das eine Bein, wodurch er eine Hand frei bekam, mit der er das Tier im Nacken packte. Knors aber langte mit der Pfote nach ihm aus, so daß alle fünf Krallen Spuren in seiner Haut hinterließen.

      "Du hättest mir doch auch immer helfen können", sagte er wütend zu dem Freund.

      Mortensen schielte zu Manuels fünf roten Streifen hinüber und streckte zögernd eine Hand mit ausgespreizten Fingern vor. Aber dann ließ er plötzlich den Arm sinken und sagte in einem unendlich überlegenen Ton:

      "Laß ihn los! Zum Teufel, so laß ihn doch los! Es wird ihm ganz gut sein, ein wenig frische Luft zu genießen!"

      "Ja, aber –"

      "Ich will ihn schon fangen!" nickte der Alte mit Würde. – "Eine Katze fangen! Es ist doch, soviel ich weiß, kein Krukkedill!"

      Thomsen zögerte noch einen Augenblick. Aber dann ließ er den Koffer los und Knors fuhr mit einem Satz heraus.

      Er war infolge des Transports und der Einsperrung vollständig wahnsinnig geworden. Zuerst umkreiste er viermal in rufender Geschwindigkeit die Laterne, wälzte sich auf dem Rücken, focht mit den Pfoten in der Luft herum, miaute, zischte, fauchte, drehte sich wie ein Kreisel, stand wieder auf den Beinen und begann von neuem.

      Die beiden Freunde standen da und betrachteten den Kater mit tiefem Sinnen.

      "Er ist ganz verrückt geworden!" erklärte der Menschen-Mortensen dann, "der Teufel ist in ihn hineingefahren! – Aber" – fügte er tröstend hinzu, "das gibt sich wohl wieder."

      "Knors! Lieber kleiner Miezemau-Knors!" rief Manuel zärtlich. "So komm doch, du kleiner Miezemaukater!"

      Aber der kleine Miezemaukater fauchte, machte einen krummen Buckel und zeigte die Krallen, dann sprang er plötzlich mit einem Satz an seinem Herrn vorüber, an dem nächsten Balken hinauf, so daß der Mehlstaub um ihn her stob. Und oben auf dem Balken legte er sich gemütlich nieder und schielte mit seinem schrecklichen Auge zu dem Feind hinab.

      Mortensen guckte in die Höhe wie ein Huhn nach einem Habicht.

      "Ja, da liegt er!" sagte er.

      "Und wie bekommt man ihn wieder herunter?" fragte Manuel.

      "Zum Teufel auch, laß ihn doch liegen! Der kommt schon, wenn er sich nur erst beruhigt hat!"

      "Ja,