umsehen, welches einstweilen mir unmöglich ist, und Euch viel mehr, werde auch mich damit, darzu mir Gott helfe, so bald nicht abweisen lassen, danach Ihr Euch wisst zu richten. Nachdem bitt ich noch, und zum letzten wollet Euer Gewissen in dieser Sachen fleißig verwahren und acht geben, dass Ihr Euch selbst nicht ein ewiges Verdammnis, dafür Euch Gott behüt, aufladen möchtet. So denn also wollt ich lieber, dass ich Euch nimmermehr gesehen hätt, denn eine einige Ursach dazu gewest sein. Solche bitt ich, beherziget bei Euch, und schreibet mir eilendst wieder, damit ich nicht also bekümmert, und da Gott vor sei, in ein Unglück fallen möcht, welches mir denn zu schwer wäre, und Ihr eine einige Ursach. Damit Gott befohlen. Geben Leipzig Dienstag nach der heiligen drei Könige Tag. Im 1544.
Margreth Kuffners
Ninon de Lenclos
(1620-1705)
an den Marquis de Coligny
und den Marquis de Sévigné
Ninon de Lenclos war eine der ersten großen Salondamen Frankreichs, und ihr Beispiel wurde stilbildend für eine ganze Epoche. Sie war schön, geistreich und selbstbewusst – und eine große Liebende. Bedeutende Männer zog es in ihren Bannkreis: den Moralisten de La Rochefoucauld, der zu ihren vielen Liebhabern zählte, den Kardinal Richelieu, dem sie zwar Bewunderung entgegenbrachte, aber keine Nacht in ihrem Bett gewährte, den berühmten Komödienschreiber Molière, den sie bei seiner Karriere tatkräftig unterstützte, und den ebenfalls zum Dreigestirn der französischen Klassik zählenden Tragödiendichter Jean Racine, mit dem sie eine enge Freundschaft verband. In hohem Alter machte sie die Bekanntschaft des späteren Voltaire, der das Zeitalter der Aufklärung so entscheidend prägen sollte, erkannte sein großes Talent und hinterließ dem Neunjährigen in ihrem Testament Geld, damit er sich Bücher kaufen konnte. Doch Ninon de Lenclos war auch eine Autorin aus eigenem Recht: Sie veröffentlichte kritische Schriften, in denen sie unter anderem darlegte, dass man auch ohne Religion ein gutes Leben führen könne. Das machte ihr viele Gegner, aber auch viele Bewunderer. Männer wie Frauen scharten sich um Ninon de Lenclos, die zu den großen Frauengestalten des Rokoko gehört. Sie machte sich stets ihre eigenen Regeln und gestaltete ihr Leben danach. Schon früh war sie entschlossen, nie zu heiraten, und blieb bis zu ihrem Tod ›Mademoiselle‹ de Lenclos. Ninon hatte im Laufe ihres Lebens zahllose Liebhaber und noch mehr Verehrer, denn, wie das Beispiel des Kardinals Richelieu zeigt, schenkte sie ihre Gunst nicht jedem. Ihre erste große Liebe war der Marquis de Coligny, ihre größte vermutlich der Marquis de Villarceaux, den sie schließlich an ihre beste Freundin verlor. Ninon war die Meisterin des höfischen Spiels um Koketterie, Eroberung und Liebe, aber sie blieb ihrem jeweiligen Liebhaber stets treu, bis sie das Interesse an ihm zu verlieren begann und das Verhältnis löste. Die meisten Männer scheinen dies klaglos akzeptiert zu haben, froh, ihre Gunst wenigstens eine Zeitlang genossen zu haben.
Ninon zählte sechsundfünfzig Jahre, als der junge Marquis de Sévigné, der Sohn eines ihrer ehemaligen Liebhaber und einer guten Freundin, die Bitte an sie richtete, ihn in Sachen Liebe zu erziehen und so bei der Eroberung einer Angebeteten zu helfen. Die Briefe Ninons an den jungen Mann ergeben ein ganzes Buch, das ein Sittenbild der Zeit malt, ein Spiegelbild ihres kritischen Verstandes und messerscharfen Witzes ist, aber auch die Geschichte einer langsamen Verführung erzählt – denn der Marquis, der kam, um zu lernen, eine andere Frau zu gewinnen, verliebte sich schließlich in die Briefeschreiberin selbst, und eroberte sich das Herz Ninons, die sich in ihren Briefen unbewusst ein wenig selbst verführt zu haben scheint.
Auch im Alter verlor Ninon ihre Anziehungskraft nicht – was ihr nicht immer zum Vorteil gereichte. Die unverheiratete ›Kurtisane‹ hatte im Laufe ihres Lebens mehreren Männern Kinder geschenkt, die alle bei ihrem jeweiligen Vater aufwuchsen, unter anderem auch der Chevalier de Villiers. Dieser verliebte sich unsterblich in die damals über sechzigjährige Ninon; als sie ihm nach langem Drängen schließlich enthüllte, dass sie seine Mutter war, stürzte sich der junge Mann in seinen Degen. Nach dieser Tragödie zog sich Ninon ein wenig zurück und konzentrierte sich stärker auf ihre literarischen Interessen. Ganz schwor sie der Liebe jedoch nie ab. Ihren vermutlich letzten Liebhaber, den Abbé Gedoyn, erhörte Ninon de Lenclos kurz nach ihrem achtzigsten Geburtstag.
an den Marquis de Coligny
Wie sind Sie doch ungerecht, mein lieber Graf! Alle meine Worte haben Sie nicht beruhigen können? Die Besuche, die uns der Herzog von *** machte, betrüben Sie noch immer. Ich sehe schon, Sie verwechseln mich mit Frauen, die in der Liebe ohne Treue und Ehrlichkeit sind. Lernen Sie nur meinen Charakter besser kennen: Gefielen Sie mir wirklich nicht mehr und hätte der Herzog tatsächlich Ihre Stelle in meinem Herzen eingenommen, so hätte ich nichts Gescheiteres tun können, als es Ihnen ganz offen einzugestehen. Ihre Vorwürfe erst abzuwarten und zu verdienen, hätte ich mich wohl gehütet. Lassen Sie mir Gerechtigkeit widerfahren und versuchen Sie, mir in jenem Taktgefühl gleichzukommen, das ich mir Ihnen gegenüber stets zum Prinzip gemacht habe. Glauben Sie denn wirklich, dass ich nicht auch manchmal Ihretwegen beunruhigt war? Meinen Sie, ich hätte Ihre Bemühungen um die Präsidentin kaltblütig mit angesehen und ohne Unruhe den Bericht von Ihren Soupers bei Hortense, von Ihrem Musizieren bei der Marschallin mit angehört? Habe ich bei dieser Gelegenheit die geringste Klage laut werden lassen? Ich glaube nicht. Die Furcht, Ihnen auch nur den geringsten Kummer zu bereiten, Ihnen Zwang aufzuerlegen oder Ihr Vergnügen zu stören, hielt mich stets davon ab. Bei unserer Liebe habe ich immer nur Ihr Glück vor Augen gehabt. All mein Streben ging dahin, meine Rivalinnen zu übertreffen, Sie bei mir höhere Freuden finden zu lassen als die, die sie Ihnen zu bieten vermöchten. Da die Frauen in der Liebe gewöhnlich nur ihr eigenes Glück oder ihre Eitelkeit im Auge haben, so bekommt diese Eitelkeit etwas Launenhaftes, etwas Tyrannisches. Wie anders ist aber die meine! Daher entstammt sie auch einer anderen Quelle: Keine Frau hat einen Liebhaber, wie es meiner ist, und darum verdanke ich ihm meine Ruhe. Mein lieber Graf hat das nötige Maß an Klugheit und Zartgefühl; und diese beiden Eigenschaften haben [mich] stets in Sicherheit gewiegt, allen abenteuerlustigen Frauen gegenüber. Ich weiß nicht, ist es Klugheit oder Eitelkeit, aber ich habe mir stets mit der Hoffnung geschmeichelt, dass er zwischen einer ihm wirklich zugetanen Frau und einer, die sich nur durch Eitelkeit leiten lässt, werde unterscheiden können. In den Augen eines Gecken ist eine Neckerei eine Avance, eine Höflichkeit eine Auszeichnung; das geringste, oft nur ironische Lob fasst er als Liebeserklärung auf, Frivolität nimmt er für echte Leidenschaft. Da er in der Wahl seines Gegenstandes nicht anspruchvoll ist, wird ihm alles gefallen, was nur irgend nach unverhoffter Gunst aussieht. Aber ein Mann wie Sie weiß alles nach seinem wahren Wert zu würdigen; Affektiertheit gilt ihm nicht als Empfindung, Falschheit nicht als Freimütigkeit, Schein nicht als Wirklichkeit. Sein Ruhm besteht nicht darin, alle Herzen zu erobern und allen zu gefallen, wenn er einmal die Person gefunden hat, die allein seine Achtung verdient; ihr Herz zu erweichen, sie sich zu erhalten und sie vor allen anderen auszuzeichnen, nur darauf ist er bedacht. Eine ganze Anzahl andere können noch zu seiner Unterhaltung beitragen, können sogar Gegenstand seiner Höflichkeit werden, können ihn aber nicht ernstlich fesseln. Wie oft habe ich mir nicht gesagt: Der Graf ist jetzt bei Hortense oder bei der Präsidentin; möglicherweise ist er sogar gern dort, eine andere als ich ist Veranlassung zu seiner Freude und seiner Unterhaltung; doch er ist glücklich, und das genügt mir. Das Interesse, das er an ihnen nimmt, gleicht nicht den Freuden, die er bei mir genießt, das Glück der Liebe unterschiedet sich von allem, was nichts mit der Liebe zu tun hat. […] Im Übrigen, lieber Graf, je liebenswürdiger sie sind, desto schmeichelhafter wird es für mich sein, dass Sie mit ihnen verkehren, ohne dass Ihr Gefallen an mir abnimmt. Doch soll ich fürchten müssen, dass ich Ihnen eines Tages gleichgültig würde? Wenn mich eines über den Verlust Ihres Herzens trösten könnte, so wären es die Vorzüge und die Schönheit meiner Rivalinnen.
Ist es vielleicht die Präsidentin, die Sie mir vorziehen könnten? Sie ist munter, lebhaft, angenehm, aber das alles ist sie vermöge ihres Temperamentes. Sollte es Hortense sein? Ihre Augen sind zärtlich und schmachtend, sie hat Anmut, Sanftmut, aber all diese Vorzüge sind bei ihr natürliche Veranlagung. Oder habe ich gar die Marschallin zu fürchten? Sie vereinigt allerdings mit einem edlen Wuchs die Kunst, sich zu schmücken, sie ist pikant und geistreich; aber ihr Hauptverdienst