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Liebesbriefe großer Frauen


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meine geringen Vorzüge zurückzuführen sind. Der Liebe allein verdanke ich sie. Von ihr allein erhalten sie Sein und Wert; ihr entstammen jene Lebhaftigkeiten meines Temperaments, die Sie so hoch schätzen, sie verleiht meinen Augen den feuchten Schimmer, der Sie begeistert, meinem Körper seinen edlen Gang, meinem Geiste Heiterkeit, meinem Schweigen Ausdruck. Ohne Liebe ist alles in mir und um mich ohne Lust und Leben. Mit einem Worte, Graf, Ihnen verdanke ich alles und nichts der Natur, dem Zufall oder der Eitelkeit. Ich wünschte, alle Männer knieten vor mir, Ihnen zu Ehren.

      Sie glauben also, einen unwiderleglichen Einwand gemacht zu haben, indem Sie behaupten: Man gibt sein Herz nicht als freier Mann nach eigenem Willen, und deswegen sind Sie nicht frei in der Wahl Ihrer Neigung? Das ist Opernmoral! Überlassen Sie solche Gemeinplätze Frauen, die sich damit wegen ihren Schwächen zu rechtfertigen glauben. […] Niemand ahnt, dass solche Ausreden nicht die geringste Entschuldigung für Torheiten enthalten; schlimmer noch: Sie sind das Eingeständnis dafür, dass man gar nicht die Absicht hat, sich zu bessern. Passen Sie einmal auf: Die Redensart von der Schicksalsfügung wird immer nur zu Hilfe gerufen, wenn die Wahl schlecht war. […] Ich für meinen Teil bin deshalb so frei, den Ansichten der Menge nicht beizupflichten. Ich weiß recht gut, die Liebe ist unfreiwillig, das heißt aber nur: Man ist nicht imstande, den ersten Eindruck, den unser Herz empfängt, vorauszusehen oder zu vermeiden. Aber zugleich behaupte ich, dass es möglich ist, ihn abzuschwächen, ja sogar ihn ganz zu zerstören, mag er auch noch so tief sein.

      […]

      Das nennt man überstürzen Marquis! … Wie? Die Gräfin von *** hat Ihr Herz etwas beunruhigt, und nun halten Sie sich schon für verliebt? Ich würde mich schön hüten, so leichtfertig über Ihren Zustand zu urteilen. Ich habe hundert ehrenwerte Leute kennengelernt, die sich gleich Ihnen Stein und Bein für verliebt erklärten und es in Wirklichkeit nicht die Spur waren. Mit den Herzensleiden begegnet einem dasselbe wie mit körperlichen Leiden: Manche bestehen wirklich, andere sind nur eingebildet. Wenn Sie etwas zu einer Frau hinzieht, dann braucht es durchaus noch nicht immer Liebe zu sein. […] Die Gräfin ist unstreitig eine der schönsten Frauen, die jetzt leben. Bis heute vermochte sie niemand zu rühren. Sie blieb dem Andenken ihres Mannes getreu und hat sogar die Dienste eines der liebenswürdigsten Männer unserer Bekanntschaft abgelehnt. Selbstverständlich wäre eine Eroberung, die Ihnen das erträumte gesellschaftliche Ansehen brächte, Ihrer Eitelkeit über die Maßen schmeichelhaft. Das, verehrtester Marquis, nennen Sie Liebe!

      […]

      Nehmen Sie sich in acht, Marquis! Wenn Sie mich ärgern, gehe ich heute noch weiter als gestern. Dann werde ich Ihnen meine stete Überzeugung aussprechen, dass manchmal gar keine Liebe dazu gehört, um uns Frauen erliegen zu lassen. Das wird Ihnen in meinem Frauenmunde wie eine Lästerung erscheinen. Da ich aber versprochen habe, Ihnen nichts, was uns betrifft, zu verheimlichen, so will ich Wort halten, und wenn ich darob mit meinem ganzen Geschlecht in Streit käme. […] Das Liebesbedürfnis ist für die Frau ein gutes Teil ihrer selbst; die Tugend aber ist nur Formsache.

      Das heißt aber, sich die Dinge schwer zu Herzen nehmen, Marquis! Schon zwei Nächte lang haben Sie kein Auge zugetan? Oh, das ist wahre Liebe, da kann man sich nicht mehr täuschen.

      Sie haben Ihre Augen sprechen lassen, Sie haben selbst recht klar und deutlich gesprochen, und doch fand Ihr Zustand nicht die geringste Beachtung. Das schreit nach Rache! Ist es denn wirklich möglich, dass jemand nach ganzen acht Tagen voller Bemühungen und geschäftiger Dienstbarkeit die barbarische Herzlosigkeit besitzt, Ihnen auch keinen Schimmer von Hoffnung zu gewähren? Ja, das ist schwer einzusehen. Solch langer Widerstand grenzt schon ans Unwahrscheinliche. Die Gräfin ist eine Heldin, wie sie nur die längst entschwundene Vergangenheit kannte. […] Aber bitte erinnern Sie sich stets daran, dass all solche Aufregung Ihre gerechte Strafe dafür sein wird, weil Sie die Liebe wie ein Romanheld behandeln, und dass Sie gerade das entgegengesetzte Schicksal erleben könnten, wenn Sie sich wie ein vernünftiger Mensch benähmen. Aber soll ich Ihnen noch mehr schreiben? Jeder Augenblick, den Sie zum Lesen meiner Briefe verwenden, ist ein Diebstahl an Ihrer Liebe. Gott, wie gern wäre ich Zeuge all der Zustände, die Sie durchmachen! Gibt es denn für einen kaltblütigen Menschen etwas Vergnüglicheres als den Anblick eines Mannes in seinen Liebeszuckungen?

      Was erzählen Sie mir da? Das fürchtete ich ja am allermeisten. Erst hatte ich mir das Vertrauen der Gräfin verdient, und jetzt wurde ich plötzlich Gegenstand ihrer Eifersucht! Unser Briefwechsel beunruhigt sie; sie ist voller Sorge über den Einfluss, den eine andere auf Sie ausübt. Ich hatte mir vorgestellt, dass zwischen uns keinerlei Nebenbuhlerschaft aufkeimen könnte, weil ich ja auf Ihr Herz nicht die geringsten Ansprüche mache. Aber eine verliebte Frau fürchtet sogar ihren Schatten!

      […]

      Bedenken Sie, Marquis, dass die Beharrlichkeit, mit der Sie mir schreiben und mich sehen, trotzdem es Ihnen ausdrücklich verboten wurde, Ihnen die schlimmsten Vorwürfe eintragen kann, deren eine eifersüchtige Frau fähig ist? Ich bin tief betrübt, dass ich die Ruhe zweier Menschen störe, zu deren Glück ich so von Herzen gern beigetragen hätte. Trotzdem muss ich Ihnen gestehen, dass ich innerlich über die Ungerechtigkeit der Gräfin aufgebracht bin, und ich will Ihnen auch nicht verhehlen, dass es mir insgeheim viel Spaß machte, wenn ich sah, wie in Ihrem Herzen die Freundin der Macht der Geliebten die Waage hielt. […]

      Wenn Sie sich nicht in acht nehmen, Marquis, dann werde ich Ihnen dieselbe Antwort geben, die eine sehr hässliche, aber sehr geistvolle Frau eines Tages einem unserer Bekannten erteilte. Er spielte immer vor ihr den Leidenschaftlichen; ich weiß nicht, welche Laune ihn trieb, sogar sehr drängend zu werden. Darauf sage sie zu ihm: ›Herr Chevalier, seien Sie bitte etwas vorsichtiger. Wenn Sie weiter drängen, werde ich mich ergeben!‹ Ich bin drauf und dran, Ihnen dasselbe zu drohen. Denn sind Sie sich darüber klar, in welche Verpflichtungen Sie geraten, wenn Sie mir immer weiter erklären, dass Sie mich lieben? Halten Sie sich für fähig, ebenso leidenschaftlich zu lieben, wie ich es tun würde, wenn ich erst Feuer finge? Bis jetzt haben Sie nur oberflächliche Neigungen, alltägliche Verhältnisse erlebt. Sollte es Ninon vorbehalten sein, Sie zu lehren, was wahre Liebe ist? Die zu empfinden, sind weit weniger Herzen imstande, als man im Allgemeinen glaubt. […] Wissen Sie, was ich unter Liebe verstehe, wenn es sich um mich handelt? Ich betrachte es als ein erhabenes, glühendes Gefühl, das zu den gewaltigsten Leistungen befähigt, das Glut und Begeisterung schafft, den Charakter von Grund auf ändert und einen in demselben Maße umgestaltet, wie man anderen Menschen unähnlich wird. Es ist die holde Gleichheit zweier Seelen, die sich gegenseitig anziehen und ineinander verschmelzen; das glückselige Einvernehmen zweier Herzen, vollkommenste Hingebung an das geliebte Wesen, und es ergießt in die Seele einen freudigen Ernst, der den Gipfel alles Glückes bedeutet. Sie haben bis jetzt nur die Liebe der Jugend empfunden, das heißt ein Gefühl, das einer gewaltigen Gärung des Blutes entspringt und nur Genuss zum Ziel hat. Von diesem habe ich auch bis jetzt nur gesprochen. Sollten Sie nun fähig sein, sich auch etwas anderes vorstellen zu können? Denn obzwar es im Grunde dasselbe bleibt, so ist es doch etwas ganz anderes, etwas tausendmal Wertvolleres, weil es sich so unendlich zart äußert. Aber davon will ich erst mit Ihnen reden, wenn ich Sie würdig befunden habe, solche Liebe kennenzulernen.

      Also dahin mussten all meine schönen Standreden gegen die Liebe führen? Was habe ich getan? Wäre es wahr, dass meine Neigung zu Ihnen so lebhaft ist, wie ich es Ihnen gestern sagte – hätte ich Sie dann davon unterrichten sollen? Welches Zaubers haben Sie sich bedient, mich bis zu diesem Grade zu rühren, ohne dass ich im Voraus das Geringste merkte? Wie? Ich habe Ihnen gesagt, dass ich Sie liebe! Ich sagte es Ihnen mit so viel Begeisterung, dass Sie es, wenn Sie an solche Worte gewöhnt wären … aber Sie haben kein Wort geglaubt. Kann Ihnen eine Frau solcher Gefühle fähig erscheinen, nachdem sie darüber so gesprochen hat, wie ich das früher tat? Sicherlich nicht. Sie hätten mich eher für eine Närrin als für eine leidenschaftlich Liebende gehalten. Aber weshalb fürchtete ich so sehr, dass Sie sich von mir eine solch schlechte Meinung gebildet haben? Ach, wenn ich das Unglück hätte, dass Sie wirklich so von mir dächten, wie hoffnungslos wäre ich dann! Glauben Sie mir, meine zärtlichen Gefühle sind wahr, aufrichtig, über die Maßen groß. Vielleicht würden Sie sich nicht gegen eine Erwiderung