Ihnen solche Geständnisse mache. Wofür muss ich Ihnen eigentlich dankbar sein? Weil Sie meinem Herzen Gefühl und Leben wiedergegeben haben. Es verschmachtete in Spekulationen, obgleich es für die zärtlichsten Gefühle geschaffen war. Ich bin geboren, um zu lieben und alle Begeisterung der Liebe zu empfinden. […] Alles war glanzlos in meinen Augen; meine Seele war der tröstlichen Trunkenheit verschlossen, die uns nur eine heftige Leidenschaft verschaffen kann. Amor, ich verspüre deine göttliche Wut: Meine Verwirrung, meine Erregung, alles kündet mir deine Anwesenheit! Heute hebt für mich ein neuer Tag an; alles lebt, alles ist neu beseelt, alles scheint von meiner Leidenschaft zu sprechen, alles fordert mich auf, sie zu pflegen. Die Glut, die mich verzehrt, verleiht meinem Herzen, allen Fähigkeiten meiner Seele einen Schwung, eine Tatkraft, die all meine Triebe miterfasst. Seitdem ich Sie liebe, sind mir meine Freunde noch teurer geworden; ich liebe mich selbst noch mehr, die Töne meiner Theorbe, meiner Laute scheinen mir noch rührender, meine Stimme klangvoller. Wenn ich ein Stück spielen will, ergreift mich Leidenschaft, Begeisterung; sie verwirren mich so tief, dass ich jeden Augenblick davon unterbrochen werde. Dann aber folgt dem Schwung eine tiefe Träumerei voll holder Reize. Sie stehen lebend vor meinen Augen, ich sehe Sie, ich spreche mit Ihnen, ich sage Ihnen, dass ich Sie liebe, und mir scheint es immer, als ob ich es Ihnen noch zärtlicher sagte, als wenn Sie wirklich da wären. Bald begünstigt Sie meine Vorstellungskraft, bald wirkt sie Ihnen entgegen. Ich beglückwünsche mich, und ich empfinde Reue; ich wünsche Sie und möchte vor Ihnen fliehen; ich schreibe Ihnen und zerreiße meine Briefe wieder; ich lese die Ihren von Neuem; bald scheinen sie mir galant, bald zärtlich, selten leidenschaftlich und immer zu kurz. Ich betrachte mich prüfend in meinen Spiegeln, ich ertrage das Urteil meiner Frauen über meine Reize. Kurz, ich liebe Sie, ich bin wie närrisch, und ich weiß nicht, was aus mir würde, wenn Sie heute Abend nicht Wort hielten.
Maria Theresia
(1717-1780)
an Kaiser Franz I.
Maria Theresia, seit 1740 Königin von Böhmen und Ungarn, war die Stammmutter des Hauses Habsburg-Lothringen. Sie übernahm die Regierung der habsburgischen Gesamtlande von ihrem Vater und setzte ihren Ehemann, Franz Stephan, den Herzog von Lothringen, den sie 1736 geheiratet hatte, als Mitregenten ein. 1745 wurde er zum Deutschen Kaiser gekrönt, hatte aber eher eine repräsentative als aktive Funktion in der Staatsregierung. Die Ehe der beiden, aus der 16 Kinder hervorgingen, soll sehr glücklich gewesen sein. Der Briefwechsel ist zum Teil in französischer Sprache verfasst.
8. Februar 1736
Durchlauchtigster Herzog, vielgeliebter Bräutigam!
Euer liebden Schreiben hat mich sehr erfreut, bin auch ganz persuadiert, dass Sie lieber selbes persönlich als schriftlich versichert hätten, wie nicht zweifle Euer Liebden ein gleiches von mir auch glauben werden. Ist wohl gut, dass nicht auf lange ist, und hoffe, dass es ins Künftige zu einer beständigeren und gewünschteren Einigkeit dienen wird, die versichere, dass Zeit meines Lebens verbleiben werde,
Euer Liebden getreueste Braut
Maria Theresia.
Caro viso3,
ich bin Ihnen unendlich für Ihre Aufmerksamkeit verbunden, mir Nachricht von Ihnen zu geben, denn ich war bekümmert wie eine arme Hündin. Haben Sie mich ein wenig lieb und verzeihen Sie mir, wenn meine Antwort nur kurz ist. Aber es ist 10 Uhr, und Herbeville wartet auf meinen Brief. Adieu, Mäusl, ich umarme Sie von ganzem Herzen, schonen Sie sich recht. Adieu, caro viso.
Ich bin Ihre
Maria Theresia
Sponsia dilectissima 4
9. Februar 1736
Durchlauchtigster Herzog, vielgeliebter Bräutigam!
Kann nicht genug meine Obligation bezeugen, vor solch großen Attentionen, wünschte nur, dass es mit weniger Ungelegenheit geschehen könnte und versichere, dass Euer Liebden Brief allzeit eine große Ehre und Freud verursachen bei derjenigen, die sich rühmt, Euer Liebden mit größter Ergebenheit zu sein und allezeit verbleibend
Euer Liebden
getreuste Braut
Maria Theresia
10. Februar 1736
Durchlauchtigster Herzog, vielgeliebter Bräutigam!
Was man gern tut, macht keine Ungelegenheit, indem recht von Herzen auf Euer Liebden so obligeanten und komplimentösen Brief antworte, wünsche eine glückliche Reise und gutes Wetter, hoffe, dass dieses die letzte sein wird, die Euer Liebden ohne Ihrer so ergebenen Braut machen werden, die allzeit verbleibe
Euer Liebden
getreueste Braut
Maria Theresia
[undatiert, 1742]
Mein liebes Herz,
Sie werden hieraus ersehen, was man getan hat, aber ich beschwöre Sie, Ihre Rückkehr nicht einen Augenblick zu verzögern. Schreiben Sie, wenn Sie es so wollen, aber er [Friedrich der Große] ist dessen [Friedensverhandlungen im ersten Schlesischen Krieg] nicht würdig und wird einen schlechten Gebrauch davon machen. Erniedrigen Sie sich nicht, und nehmen Sie unsere Eroberungen zum guten Vorwand. Aus dem deutschen Briefe werden Sie das Übrige sehen, und wie nötig ich Ihren Beistand brauche. Verweigern Sie ihn mir nicht. Ich war sehr erstaunt, Sie bei Sprinzenstein [österreichischer Adliger, Anhänger Karl VII. aus dem Hause Wittelsbach] zu wissen; man hat ihn auch für einen der Verschwörer gehalten. Leben Sie wohl, ich küsse Sie zärtlich!
Eva König
spätere Lessing (?1736-1778)
an Gotthold Ephraim Lessing
Eva König, geborene Hahn, war zunächst von 1756 an mit dem Hamburger Kaufmann Engelbert König verheiratet und brachte sieben Kinder zur Welt, von denen vier überlebten. Lessing wurde ein enger Freund der Familie und Pate des Sohnes Fritz, als er wegen des neu gegründeten Nationaltheaters nach Hamburg übersiedelte. Als König 1769 nach Venedig reiste, um Stoffe einzukaufen, bat er Lessing, sich um seine Frau und Kinder zu kümmern, falls ihm etwas zustoßen sollte. Tatsächlich starb er kurz nach seiner Ankunft in Venedig an Typhus. Die Heirat zwischen Eva und Lessing verzögerte sich jedoch um einige Jahre, da sie aus geschäftlichen Gründen wegen des Nachlasses ihres Mannes mehrmals nach Wien reisen musste und Lessing erstens keine Anstellung hatte, die es ihm ermöglicht hätte, eine Familie zu ernähren, und zweitens damals im Dienst von Prinz Leopold von Braunschweig selbst auf Reisen war. Die lange Trennung war der Grund für den ausgiebigen Briefwechsel. Erst sieben Jahre nach Königs Tod, als der Prinz Lessing ein entsprechendes Gehalt zusicherte, wurden die beiden getraut. Lessing war zu diesem Zeitpunkt über 47 Jahre alt, Eva neun Jahre jünger. Leider währte ihr eheliches Glück nur kurz: Eva starb nur knapp zwei Jahre später, einige Wochen nach der Geburt ihres Sohnes Traugott.
1. Januar 1771
Mein liebster Freund!
Wie mich bei meiner jetzigen Gemütsverfassung alles beunruhigt und in Zweifel setzt, so war ich auch kürzlich in einer solchen Lage. Ich wusste mir nicht zu helfen, setzte mich also nieder und fragte Sie um Ihren Rat. Glücklicherweise ging denselben Abend die Post nicht ab. Denn ich hätte um Vieles nicht gewollt, dass Sie den Brief erhalten hätten. Bedauern oder verlachen hätten Sie mich müssen. Wohl überlegt, befürchtete ich das Letztere und beantwortete mir also lieber die Frage selbst. Hatte ich nicht Recht? Doch ich stehe nicht dafür, dass ich nicht noch einmal irre gemacht werde, und dass ich alsdann weder Verlachen noch sonst etwas scheue und mich an Sie wende.
Ihr Brief, den ich diesen Augenblick erhalte, berechtigt mich umso mehr dazu. Sie erlauben mir, Sie unter meine aufrichtigen Freunde zu zählen, was ich ohnehin schon getan habe, und was ich stets tun werde; Sie müssten denn aufhören, Lessing, und ich – ich selbst zu sein. […] Für heute kann ich Ihnen nicht mehr schreiben, weil ich noch viele Neujahrsbriefe abzufertigen habe. Sie kommen mir so hart an, dass ich sie immer