Adolf Erik Nordenskiold

Die erste Umsegelung Asiens und Europas


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den Meeresströmungen umher, bis das Holz so viel Wasser eingesaugt hat, dass es sinkt, oder bis es an die Ufer von Nowaja Semlja, der Nordküste Asiens, Spitzbergens oder vielleicht Grönlands geworfen wird. Ein Teil des Treibholzes sinkt, ehe es das Meer erreicht, oft so, dass die Stämme aufrecht auf dem Boden des Flusses mit dem einen Ende gleichsam wie mit Wurzeln im Sand festgehalten stehen. Sie können in dieser Weise für die Schifffahrt, wenigstens an den flacheren Stellen des Stromes, sehr unbequem werden. Eine Bucht gleich außerhalb Dicksonshafen war sogar beinahe abgeschlossen durch ein natürliches Palisadenwerk von Treibholzstämmen.

      7. August. Die Vega nahm Kohlen von der Express ein. Am Abend kam die Lena, sechsunddreißig Stunden, nachdem die Vega in diesem Hafen Anker geworfen hatte, d. h. genau zu der bestimmten Zeit.

      Als die Fraser und die Express am Morgen des 9. August nach der höher den Fluss hinauf gelegenen Stelle abfuhren, wo ihre Ladung aufgestapelt war, waren auch die Vega und die Lena, segelfertig. Ich ließ jedoch die Fahrzeuge noch einen Tag länger in Dicksonshafen verweilen, teils, um Leutnant Bove Gelegenheit zu geben, seine kartographische Aufnahme desselben abzuschließen, teils, um womöglich eine Ortsbestimmung dieser wichtigen Stelle zu erhalten. Infolge des beständig mit Wolken bedeckten Himmels bekam ich jedoch diesmal ebenso wenig wie während der Reise von 1875 Gelegenheit dazu, was als Beleg dafür dienen kann, welcher Art das Wetter zur Sommerzeit an diesem Platz ist, wo sich das warme Wasser des Jenissej in das Meer ergießt. Die Vega und die Lena lichteten also am Morgen des 10. August die Anker, um ihre Fahrt fortzusetzen. Der Kurs wurde nach der westlichsten der Inseln gestellt, welche alte Karten außerhalb des Mündungsgebietes der Pjäsina verlegen und Kammenni-Ostrow [Stein-Insel] benennen, ein Name, welcher anzudeuten scheint, dass die ihrer Naturbeschaffenheit nach mit den steinigen Inseln um Dicksonshafen herum übereinstimmen. Der Himmel war bedeckt, die Lufttemperatur bis + 10,4°C und das Wasser anfangs bis + 10°, später bis + 8° erwärmt sowie der Salzgehalt der Meeresoberfläche unbedeutend. Während des Tages war kein Eis sichtbar. Von einem frischen Südostwind begünstigt, konnte die Vega ihre Fahrt mit voll gespannten Segeln antreten. Kleinere Felseninseln, die auf der Seekarte nicht verzeichnet sind, erinnerten uns jedoch bald an die Unzuverlässigkeit der Karten. Dies sowie eine dicke Luft zwangen Kapitän Palander, mit großer Vorsicht sowie unter scharfer Ausschau und beständigen Untersuchungen mit dem Senkblei vorwärtszusegeln. Warmes Wetter und ein eisfreies Meer begünstigten auch am folgenden Tag unsere Fahrt; dann wurde aber der Nebel so dicht, dass die Vega schon am Morgen bei einer der vielen kleinen Inseln, welche wir auf unserem Weg antrafen, beilegen musste.

      Am Nachmittag hatte sich das Wetter wieder so weit aufgeklärt, dass wir weitersegeln konnten. Hin und wieder zeigten sich Eisstücke, und während der Nacht nahm das Eis in beunruhigender Weise zu; doch kam es auch jetzt noch nicht in so großer Masse vor, dass es bei klarem Wetter oder in bekannten Fahrwassern der Seefahrt hätte hinderlich werden können.

      Am 12. August segelten wir fortwährend zwischen umfangreichen Feldern zerstreuten Treibeises, das teils aus grobem, altem Eis, teils aus stark zerfressenem Jahreseis bestand. Es bildete jedoch kein ernstliches Hindernis gegen das Vorwärtskommen, und wahrscheinlich würden wir in größerer Nähe des Strands sogar völlig eisfreies Wasser gehabt haben; natürlich war es aber, außer im wirklichen Notfall, nicht ratsam, in dem Nebel und dem unbekannten Fahrwasser uns allzu sehr dem Land zu nähern. Am Fuß eines großen Grundeisblocks, an dem wir für einige Stunden beigelegt hatten, waren viele Fische sichtbar; und während des folgenden Tages sahen wir an einer der Inseln, wo das Wasser sehr klar war, den Meeresboden mit unzähligen toten Fischen derselben Art bedeckt. Vermutlich waren sie aus gleicher Ursache umgekommen, wie so oft Fische im Ob in solch großer Menge getötet werden, dass die Luft dadurch verpestet wird, wenn nämlich ein größerer Zug Fische vom Eis in einem engen Loch eingeschlossen worden ist, wo das Wasser nach dem Zufrieren seiner Oberfläche nicht mehr durch Absorption aus der Luft den verbrauchten Sauerstoff hat ersetzen können und wo die Fische selbst in dieser Weise erstickt oder buchstäblich ertrunken sind.

      Am 13. August segelten wir wieder an einer Menge kleiner Klippen und Inseln vorbei. Das Meer war anfangs ziemlich eisfrei, bedeckte sich aber später mit gleichmäßigen dünnen Eisstücken, welche nicht aufeinander »geschraubt« und also während des Winters keinem Eisdruck ausgesetzt gewesen waren. Dieses Eis hatte keine besonderen Übelstände für die Seefahrt zur Folge, gleichzeitig aber wurde alles von einem äußerst dichten Nebel eingehüllt, welcher uns bald nötigte, in einer kleinen Bucht an der Küste Anker zu werfen. Ich versuchte vergebens, irgendeine Ortsbestimmung der Stelle zu erhalten. Am Ufer lag beinahe überall noch ein ziemlich hoher Schnee- und Eisrand, welcher im Nebel das Aussehen mächtiger Gletscher hatte; im Übrigen war das Land frei von Schnee.

      Während der ganzen Zeit unseres Aufenthalts hier herrschte ein äußerst anhaltender Nebel, welcher jedoch am 18. September sich endlich etwas aufklärte. Wir lichteten sogleich die Anker und dampften den westlichen Strand der Taimur-Insel entlang weiter; dieselbe ist von einer Menge Inseln umgeben, welche auf den Karten nicht bezeichnet sind [sie tragen heute den Namen Nordenskiöld-Archipel], und möglicherweise ist die Taimur-Insel selbst durch Sunde in mehrere Teile geteilt. Auf unserer weiteren Fahrt hinderte uns jedoch der noch immer dichte Nebel, die Inseln, zwischen denen hindurch die Vega ihren Weg suchte, anders als nur ganz oberflächlich aufzunehmen. Soviel konnten wir aber doch sehen, dass die Nordspitze der Taimur-Insel nicht so weit nach Norden hinaufreicht, wie die Karten gewöhnlich angeben.

      Eis trafen wir nur in geringer Menge, und was wir davon sahen, war äußerst zerfressenes Buchten- oder Flusseis. Ich glaube kaum, dass wir während des ganzen Tages eine einzige Scholle erblickten, die groß genug war, um darauf einen Seehund auszuweiden. Wirkliches altes Treibeis, wie man es an der Nordküste Spitzbergens antrifft, hatten wir noch nicht gesehen. In Bezug auf die Beschaffenheit des Eises findet zwischen dem Karischen Meer und dem Meer nördlich und östlich von Spitzbergen eine vollständige Ungleichheit statt. Eine andere auffallende Verschiedenheit liegt in dem Mangel an warmblütigen Tieren, welcher in dieser bisher von aller Jagd verschont gebliebenen Gegend vorherrscht. Im Laufe des Tages hatten wir nicht einen einzigen Vogel gesehen, ein Umstand, der mir vorher nie während einer Sommerfahrt in den arktischen Gegenden begegnet ist, und ebenso war kaum ein Seehund zu erblicken gewesen.

      Am 19. August fuhren wir fort, längs der Küste teils zu segeln, teils zu dampfen, meist in einem äußerst dichten Nebel, welcher sich nur zeitweise soweit zerteilte, dass die Küstenlage unterschieden werden konnte. Um nicht getrennt zu werden, mussten beide Fahrzeuge oft mit der Dampfpfeife Signale geben. Das Meer war glatt wie ein Spiegel. Nur wenig und stark zerfressenes Eis zeigte sich ab und zu; im Laufe des Tages aber dampften wir an einem ausgedehnten, ungebrochenen, landfesten Eisfeld vorbei, welches eine Bucht an der westlichen Seite der Tscheljuskin-Halbinsel einnahm. Das Eis, aus dem dasselbe bestand, erschien im Nebel ungeheuer stark und hoch, obgleich es in Wirklichkeit beinahe ebenso zerfressen war wie das, welches die Eisstreifen bildete, die uns hier und da auf dem Meer begegneten.

      Der Nebel hinderte alle weite Aussicht über das Meer, und ich fürchtete bereits, dass die nördlichste Spitze Asiens so eisumschlossen sein würde, dass wir nicht an derselben würden landen können. Bald aber schimmerte eine dunkle, eisfreie Landspitze im Nordosten aus dem Nebel hervor. Ein nach Norden offener Busen schnitt hier in das Land hinein, und in diesem warfen beide Fahrzeuge am 19. August um 6 Uhr nachmittags Anker.

      Wir hatten jetzt ein jahrhundertelang vergebens erstrebtes Ziel erreicht: Zum ersten Mal lag ein Fahrzeug an der nördlichsten Landspitze der Alten Welt vor Anker. Es ist deshalb nicht zu verwundern, dass dieses Ereignis durch Aufhissen der Flaggen und durch Kanonensalute sowie später, nachdem wir von unserem Ausflug ans Land zurückgekehrt waren, durch eine Festlichkeit an Bord mit Wein und Toasten gefeiert wurde.

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       Die Vega und die Lena, das Kap Tscheljuskin salutierend

      Ebenso wie bei unserer Ankunft am Jenissej wurden wir auch hier von einem großen Eisbären empfangen, den wir schon vor dem Ankern der Fahrzeuge am Strand auf- und abgehen und dann und wann unruhig ausschauen und nach dem Meer zu schnüffeln sahen, um zu erforschen, welch merkwürdige