auf, und ein anderer sucht wie die Ratten seine Sicherheit in den Schlupfwinkeln zwischen den Steinblöcken. Bald aber kriechen sie wieder hervor, um, wie auf geheime Verabredung, in dichten Schwärmen zur See hinauszufliegen und ihre aus Krebstieren und Würmern bestehende Nahrung zu suchen. Der Vogel taucht mit Leichtigkeit. Sein einziges, blauweißes Ei legt er ohne Nest unmittelbar auf den Erdboden, so tief hinunter in den Steinhaufen, dass man nur mit Schwierigkeit dazukommen kann. In dem Steingeröll der Berge nördlich von dem Horn-Sund [West-Spitzbergen] traf ich am 18. Juni 1858 zwei Eier dieser Vögel, welche unmittelbar auf einem zwischen den Steinen befindlichen Eislager lagen. Wahrscheinlich hatte die Brutzeit damals noch nicht angefangen. Wo die Hauptmasse dieser Vögel den Winter zubringt, ist unbekannt, sie kommen aber frühzeitig nach dem Norden zurück, mitunter sogar zu früh. So sah ich 1873 gegen Ende April eine Menge erfrorener Alkenkönige auf dem Eis im nördlichen Teil der Hinlopen-Straße [Meeresenge zwischen West-Spitzbergen und dem Nordostland]. Dem Geschmack nach ist der Alkenkönig ausgezeichnet, und er gibt, infolge der starken Entwicklung der Brustmuskeln, mehr Nahrung her, als man bei der geringen Größe des Vogels erwarten sollte.
Außer dem Alkenkönig trifft man zwischen dem Eis schon weit vom Land ab ganze Scharen von Alken, und je näher man dem Strand kommt, um so mehr nimmt ihre Zahl zu, besonders wenn die Strandklippen dieser gewöhnlichsten Vogelart der Polarländer eine passende Brutstelle bieten. Hierzu werden Klippenwände gewählt, welche steil gegen das Meer abfallen, aber doch durch Vorsprünge und Unebenheiten den brütenden Vögeln Platz bieten. Auf den wirklichen Alkenfelsen liegt Ei an Ei, in dichten Reihen von der Spitze der Klippe bis in die Nähe der Wasserfläche, und der ganze Felsen ist dicht mit Vögeln besetzt, welche außerdem noch in Scharen von Tausenden und Abertausenden nach und von dem Berg fliegen und die Luft mit ihrem äußerst unangenehmen Geschrei erfüllen. Die Eier werden ohne eine Spur von Nest auf die kahle oder nur mit altem Vogelabgang bedeckte Klippe so dicht aneinandergepackt gelegt, dass ich 1858 von einem Klippenvorsprung von unbedeutender Ausdehnung, der von der Spitze des Alkenfelsens mittels eines Taus erreicht wurde, nicht weniger als eine halbe Tonne Eier einsammeln konnte. Jeder Vogel hat nur ein ziemlich großes, grau und braun gesprenkeltes Ei von sehr abwechselnder Farbe und Form. Nachdem es eine Zeit lang bebrütet worden ist, wird es mit einem dicken Lager Vogelabgang bedeckt, und hieran pflegen die Fangmänner die verdorbenen Eier von den frischen zu unterscheiden.
Feuert man einen Schuss gegen den Alkenberg ab, so fliegen Tausende von Vögeln aus ihren Horsten, ohne dass sich die Zahl derjenigen, welche sich nicht aufscheuchen lassen, zu verringern scheint. Die plumpen und kurzflügeligen Vögel fallen, wenn sie sich aus ihrem Horst werfen, anfangs ein ziemliches Stück abwärts, ehe sie »genügend Luft« unter die Flügel bekommen, um fliegen zu können. Viele plumpsen, ehe dies geschieht, ins Wasser und manchmal in das Boot hinunter, welches vielleicht eben an dem Fuß des Vogelbergs entlang rudert.
Papageientaucher
Teist
Ein unaufhörliches, unbehagliches Geschnatter zeigt an, dass ein beständiges Geklatsche in der Alkenkolonie vorherrscht; und dass die Eintracht nicht groß ist, davon zeugt das heftige Geschrei, welches sich von Zeit zu Zeit hören lässt. Hier drängt sich ein Vogel vor, um noch einen Platz auf einem bereits vollgepackten Vorsprung zu bekommen, und dort zanken sich ein paar andere um das Eigentumsrecht an einem Ei, welches auf einer Klippenkante von nur wenigen Zoll Breite gelegt worden ist und das nun während des Streites in den Abgrund gestürzt wird.
Junge von der Größe eines Alkenkönigs habe ich bereits Mitte August der Mutter folgen sehen.
Neben den Alkenkönigen und Alken sieht man zwischen dem Treibeis an der Küste zwei andere nahe verwandte Vogelarten: den Papageientaucher und den Teist oder Blässling. Papageientaucherfelsen kenne ich nicht von Spitzbergen her. Der Papageientaucher scheint dort nur in geringer Zahl zu brüten, obgleich er sich noch auf dem nördlichsten Teil der Insel findet. Auch bei Nowaja Semlja kommt er ziemlich spärlich vor. Der Teist wird dagegen, obgleich nie in großen Scharen versammelt, überall an den Ufern auf Spitzbergen und Nowaja Semlja, sogar bis nach der Parry-Insel unter 80° 40' nördl. Br. [kleine Inselgruppe vor der Nordküste Nordostlands] angetroffen, wo ich 1861 verschiedene ihrer Nester sah. Diese werden auf den Spitzen steil abfallender Strandklippen angelegt. Außen auf den Buchten schwimmen die Teiste oft paarweise zusammen. Ihr Fleisch schmeckt ungefähr wie das der Alken, ist aber zäher und schlechter; die Eier sind dagegen gut.
Alken, Teiste, Papageientaucher und Alkenkönige kommen nie im Inneren des Landes vor. Niemals lassen sie sich auf einer Grasfläche oder auf einem ebenen Sandufer nieder; die steilen Seiten der Vogelberge, das Meer, das Grundeis, Treibeisstücke und kleine, aus dem Wasser hervorragende Steine bilden ihren Aufenthalt. Die schwimmen mit großer Geschicklichkeit sowohl auf wie unter der Oberfläche des Wassers. Die Teiste und Alkenkönige fliegen schnell und gut, die Lummen dagegen schwerfällig und schlecht. Die Letzteren dürften deshalb im Winter wohl kaum weiter von ihren Brutstellen fortziehen als bis nach dem nächsten offenen Wasser, und es lässt sich annehmen, dass keine Lummenkolonie an Stellen angelegt werden, wo das Meer auch weit von der Küste ab ganz und gar zufriert. Hierauf beruht vielleicht die Seltenheit der Alken oder Lummen im Karischen Meer.
Während der Fahrt im Polarmeer folgen den Schiffen fast immer zwei Möwenarten, die raublustige Großmöwe und die geschmeidig geformte, schnell fliegende dreizehige Möwe, und wenn der Robbenfänger an einem Eisstück anlegt, um einen geschossenen Seehund abzuziehen, so dauert es nicht lange, bis eine Menge schneeweißer Vögel mit schwarzblauem Schnabel und schwarzen Beinen sich in der Nachbarschaft niederlässt, um ihren Teil der Beute zu erhalten. Das ist die dritte, gewöhnliche Möwenart des Nordens, die Elfenbeinmöwe.
In Laune und Lebensart sind diese Möwenarten ganz verschieden. Die Großmöwe ist stark genug, um ihre Eier und Jungen gegen die Angriffe des Bergfuchses verteidigen zu können. Sie brütet deswegen gewöhnlich auf der Spitze leicht zugänglicher kleinerer Klippen, Hügel oder Steinhaufen, am liebsten in der Nähe der Alkenfelsen oder auf Vogelinseln, wo die Jungen der Nachbarn ihr Gelegenheit zu Raub und Jagd während der Zeit bieten, wo ihre eigenen Jungen aufgefüttert werden. Manchmal, wie z. B. bei der Branntwein-Bucht auf Spitzbergen, brüten die Großmöwen zusammen in großen Scharen auf Vorsprüngen steiler Felsenseiten, mitten unter den Alken. Auf der Bären-Insel habe ich sie auf der Strandfläche selbst, an einer Stelle sogar unter dem Bogen eines von einer Klippe herabstürzenden Wasserfalls brüten sehen.
Noch gewöhnlicher als die Großmöwe ist in den nordischen Ländern die dreizehige Möwe. Man trifft sie weit in das Meer hinaus, wo sie den Schiffen ganze Tage lang folgt, die Mastspitzen umkreisend, und manchmal – nach Aussage der Fangmänner, wenn ein Sturm im Anzug ist – nach den Spitzen der Wimpel schnappend. Wenn das Schiff im Hafen liegt, versammeln sich diese Möwen gewöhnlich um das Fahrzeug herum, um alles Essbare zwischen dem ausgeworfenen Abfall aufzuschnappen.
In den bebauten Gegenden Europas sind die größeren Säugetiere so selten, dass die meisten Menschen in ihrem Leben kein wildes Säugetier, nicht einmal eins so groß wie ein Hund, gesehen haben. Im hohen Norden ist dies aber nicht der Fall. Die Zahl der größeren Säugetiere ist zwar auch hier nicht mehr so bedeutend wie im 17. Jahrhundert, wo ihre Jagd zwanzig- bis dreißigtausend Menschen ein reichliches Auskommen gab; noch immer aber nährt die Jagdausbeute bei Nowaja Semlja und Spitzbergen mehrere Hundert Fangmänner, und selten wird im Sommer für denjenigen, welcher sich an den Küsten dieser Inseln aufhält, ein Tag vergehen, ohne dass er einen Seehund oder ein Walross, ein Rentier oder einen Eisbären sieht. Zu einem richtigen Bild der Umgebung und Lebensweise des Polarforschers gehört deshalb auch eine Schilderung des Auftretens und der Lebensweise der wilden Säugetiere in den Polarländern.
Eine merkwürdige Tatsache ist es, dass die Rentiere, ungeachtet der verheerenden Jagd, welcher dieselben auf Spitzbergen ausgesetzt sind, dort doch in so viel größerer Menge vorkommen als auf dem nördlichen Nowaja Semlja oder der Taimur-Halbinsel, wo sie vor den Verfolgungen der Jäger ziemlich geschützt waren. Selbst auf dem lang gestreckten Teil des südlichen