Adolf Erik Nordenskiold

Die erste Umsegelung Asiens und Europas


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des langen Rückwegs wahrscheinlich an Skorbut starb.

      Mit dem Verlust des spanischen Monopols über den südlichen Seeweg nach Ostasien verlor Europa zunächst das Interesse an der Nord-Ost-Passage. Häufig besuchten jetzt jedoch holländische Walfänger die hohen nördlichen Breiten, drangen aber selten bis in die Karische See vor. Nachdem eine Expedition der Briten unter der Führung des unfähigen Kapitäns Wood 1676 erneut vor Nowaja Semlja scheiterte, wurde die Frage nach der Befahrbarkeit der Nord-Ost-Passage erst zweihundert Jahre später durch die österreichische Expedition von 1872 wieder ernsthaft aufgegriffen. Selbst der angesehene deutsche Geograph August Petermann war in der Mitte des vergangenen Jahrhunderts noch der Ansicht, dass nordöstlich von Nowaja Semlja durch den Einfluss des Golfstroms ständig freies Wasser herrsche, eine Meinung, die auch Nordenskiöld lange Zeit vertrat. Das österreichische Forschungsschiff Tegetthoff fror 1873 jedoch ein und driftete nach Nordosten, wobei Franz-Joseph-Land entdeckt wurde. Einige Jahre später ging hier auch die Privatjacht des Briten Leigh-Smith im Eis verloren, der Nordenskiöld bei der Überwinterung auf Spitzbergen zu Hilfe gekommen war.

      Die Suche nach der Durchfahrt wurde nicht nur von Westen, von Europa her, in Angriff genommen, auch vom Pazifik aus versuchten die Seefahrer, in die Bering-Straße einzudringen. Die Kolonisierung Sibiriens von Petersburg aus brachte es mit sich, dass hier vor allem die Russen eine führende Rolle spielten, nachdem sie von der Landseite her die großen Ströme Lena und Kolyma erreicht hatten. Im Jahr 1648 segelte der Kosak Simeon Deschnew mit mehreren Fahrzeugen den Kolyma abwärts in das Eismeer und wandte sich dann nach Osten, um als Erster das heute nach ihm benannte Kap zu umrunden und durch die Bering-Straße in den Pazifik zu gelangen, wo er sich am Anadyr niederließ. Die über dreitausend Kilometer lange Reise des Kosaken ist allerdings mit vielen Fragezeichen behaftet, ist es doch nicht erwiesen, ob er nicht weite Strecken auf dem Landweg zurückgelegt hatte. Als Forschungsfahrt im eigentlichen Sinn kann erst die »Große Nordische Expedition« von 1734–1742 gesehen werden. Die Leitung wurde dem in Russland ansässigen Dänen Vitus Bering übertragen, der bereits 1728, ohne es zu wissen, die Bering-Straße in dichtem Nebel durchsegelt hatte, ehe er auf 67° 18' umkehrte, um nicht vom Winter überrascht zu werden. Die Aufgabe bestand darin, die gesamte Küste zwischen Archangelsk bis nach Anadyr zu vermessen und zu erforschen. Zwar ist Berings Schicksal in die Annalen der Arktisforschung eingegangen, aber auch die Führer der anderen Schiffe, wie Owtsin, Laptew und Tscheljuskin, der als Erster am 17. Mai 1742 die nach ihm benannte nördlichste Spitze des Festlands erreichte, haben unmenschliche Strapazen bei der Erforschung der sibirischen Küste auf sich genommen. Im Dezember 1741 ist Bering nach der Strandung seines Schiffs St. Peter auf der Insel Awatscha, die nun den Namen des Forschers trägt, gestorben. Erst 1749 war das ehrgeizige Vorhaben der Erkundung des östlichen Sibiriens abgeschlossen, trotz aller Bemühungen aber noch immer nicht die Frage geklärt, ob Asien und Amerika zusammenhingen. Erst James Cook hatte mit der Resolution auf seiner letzten Reise im Jahr 1778 das Glück, bei klarer Sicht in die Bering-Straße einzulaufen und damit dieses letzte Rätsel um die Nord-Ost-Passage zu lösen.

      Nordenskiöld betrat mit seiner Reise somit keineswegs unerforschtes Neuland, aber es gelang ihm als Erstem, die Passage in ihrer ganzen Länge zu befahren, eine Leistung, die auch aus heutiger Sicht zu den großen Forschungsfahrten zählt. Denn selbst im Zeitalter moderner Schiffe und starker Maschinen ist die Durchquerung der Nord-Ost-Passage noch heute ein riskantes Unternehmen und nur mit Unterstützung starker Eisbrecher zu bewerkstelligen.

      DIE NORD-OST-PASSAGE HEUTE

      Obwohl die Sowjetunion alle Anstrengungen unternahm, das mit Bodenschätzen reich ausgestattete Sibirien zu entwickeln, geht die Besiedlung der riesigen Region infolge des unwirtlichen Klimas nur langsam vonstatten. Als Leitlinie der Erschließung dient dabei jedoch nicht der nördliche Seeweg, sondern der Schienenstrang der transkontinentalen Eisenbahnen, denn nur er gewährleistet auch im tiefsten Winter eine sichere Verbindung mit den Industriezentren im Süden des Landes. Nicht von ungefähr liegen über die Hälfte aller Städte mit mehr als hunderttausend Einwohnern an der Transsibirischen Bahnlinie. Die bisher noch seltenen größeren Siedlungen nahe der Küste, wie Norilsk unweit der Jenissej-Mündung, verdanken ihre Existenz ausschließlich Bodenschätzen, die keine Transportprobleme aufwerfen, darunter Buntmetalle und vor allem Erdöl und Erdgas, das durch Pipelines abtransportiert wird. Durch das langsame, aber stetige Vordringen der Siedlungsgrenze in Richtung auf die Küsten des Polarmeeres gewinnt die Versorgung über See zunehmende Bedeutung. Dennoch ist die Seefahrt auch hundert Jahre nach Nordenskiölds denkwürdiger Reise noch immer ein höchst risikoreiches Unternehmen. Trotz moderner eisgehender Schiffe und riesiger atomgetriebener Eisbrecher treten durch plötzlichen Wetterwechsel immer wieder bedrohliche Situationen auf, in denen ganze Konvois vom Eis eingeschlossen werden und aus der Luft versorgt werden müssen. Den größten Teil des Jahres muss die Seefahrt eingestellt werden, sodass die Bedeutung der Nord-Ost-Passage in dem Maß abnehmen wird, in dem die Erschließung der binnenländischen Infrastruktur durch die Ausweitung des Bahn- und Straßennetzes Fortschritte macht.

      DAS REISEWERK

      In der großen Zeit der Forschungsreisen, besonders zwischen dem 17. und dem 19. Jahrhundert, war es üblich, dass die Ergebnisse der Expeditionen nicht nur in wissenschaftlichen Publikationen ihren Niederschlag fanden, sondern zumeist auch in Form eines Reisetagebuchs der Allgemeinheit zugänglich gemacht wurden, die in jener Zeit großen Anteil an der Erkundung der Erde nahm.

      So war es auch für Nordenskiöld nach seiner Rückkehr selbstverständlich, seine Erlebnisse mit der Vega möglichst schnell auf den Markt zu bringen. Bereits am 9. Juli 1881 lag der erste Band vor, knapp drei Monate später der zweite. Im Jahr 1882 erschien auch die deutsche Übersetzung bei Brockhaus, auf die bei der Bearbeitung zurückgegriffen wurde. Das Reisewerk, das heute zu den gesuchten Raritäten zählt, zeichnet sich durch eine überaus umfangreiche Illustration aus: Fünfhundert Stahlstiche und neunzehn Karten begleiten den Text. Da die Bände zusammen fast eintausend Seiten enthalten, war es nicht immer leicht, die richtige Auswahl zu treffen, ohne die Aussagekraft einzuschränken.

      Da Nordenskiöld durch seine enge Beziehung zur Geschichte und aufgrund seiner umfangreichen Sammlung historischer Reisebeschreibungen immer wieder historische Rückblicke auf die Erforschung der von ihm bereisten Regionen einflocht, bot sich hier noch am ehesten die Möglichkeit zur Kürzung. Die Geschichte der Nord-Ost-Passage wurde stattdessen in einer kurzen Zusammenfassung in die Einleitung übernommen. Auch die zahlreichen naturwissenschaftlichen Ausführungen, insbesondere über Flora, Fauna und Geologie, erfuhren eine Kürzung. Die Schreibweise der Namen wurde, soweit möglich, aktualisiert, die uns manchmal etwas »verschnörkelt« klingende Ausdrucksweise jedoch unter Beachtung zeitgemäßer Rechtschreibregeln beibehalten, um dem Werk nicht seine Authentizität zu nehmen. Die in eckige Klammern gesetzten Anmerkungen bzw. Ortsnamen in moderner Schreibweise sind vom Herausgeber eingefügt, eventuell unklare Begriffe sind in einem Glossar am Ende des Buches erläutert.

      Hans-Joachim Aubert

      AUFBRUCH INS UNBEKANNTE

      Am 21. Juli war die ganze Ausrüstung der Vega an Bord, ihre Mannschaft vollzählig und alles zur Abfahrt bereit, und an demselben Tage um 2 Uhr 15 Min. nachmittags lichteten wir den Anker und traten unter lebhaften Hurrarufen einer zahlreichen am Strand versammelten Volksmenge in vollem Ernst unsere Eismeerfahrt an.

      Nachdem wir Tromsö verlassen hatten, steuerten wir anfangs innerhalb der Schären nach der Insel Masö, in deren Hafen die Vega einen Aufenthalt von einigen Stunden nehmen sollte, um Briefe auf dem dortigen Postbüro, wahrscheinlich der nördlichsten Poststation der Welt, abzugeben. Während dieser Zeit erhob sich aber ein so heftiger Nordwestwind, dass wir drei Tage lang dort aufgehalten wurden.

      Masö ist eine kleine, unter 71° nördl. Br., nur zweiunddreißig Kilometer südwestlich vom Nordkap, in einer fischreichen Gegend etwa in der