Adolf Erik Nordenskiold

Die erste Umsegelung Asiens und Europas


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der Handel durch den Umstand erleichtert, dass die alte Hexe Anna Petrowna, welche ihre Götzen verkaufte, als Christin getauft war, welcher Umstand natürlich von mir genutzt wurde, die Eigentümerin an das Unrecht zu erinnern, das sie begehe, wenn sie als Christin noch fortfahre, solche Teufeleien wie ihre »Bolvane« (Götzenbilder) zu verehren, und indem ich ihr die Notwendigkeit vorstellte, dieselben schleunigst loszuwerden. Aber meine zu gleicher Zeit sophistischen und egoistischen Behauptungen wurden von den Umstehenden, sowohl Russen wie Samojeden, missbilligt, indem sie erklärten, dass im Ganzen genommen kein besonderer Unterschied zwischen den Bolvanen der Samojeden und den Heiligenbildern der Christen existiere. Es wollte sogar scheinen, dass die Russen selbst diese Bolvane als Repräsentanten einer Art Heiliger der Samojeden in der anderen Welt ansähen.

      Nachdem indessen der Götzenhandel, obwohl nicht zu meiner Zufriedenheit, weil ich für mein Geld zu wenig erhalten zu haben glaubte, zum Abschluss gebracht worden war, wurden wir ebenso wie im Jahr 1875 von einem der Russen eingeladen, in seiner Hütte Tee zu trinken. Diese bestand aus einem Hausflur und einem ungefähr vier Meter im Quadrat messenden, kaum zweieinhalb Meter hohen Zimmer. Die eine Ecke nahm ein großer Feuerherd ein; zur Seite desselben befand sich die sehr niedrige Tür und dieser gegenüber eine Fensterluke, unter welcher einige Kisten aufgestellt waren, die bei dieser Gelegenheit als Teetisch benutzt wurden. Längs der beiden übrigen Seiten des Zimmers waren an der Wand befestigte Bettstellen aus Brettern, mit Rentierfellen bedeckt. Die Fensterluke schien früher mit Glasscheiben versehen gewesen zu sein, von diesen waren aber jetzt die meisten zerschlagen und durch Bretter ersetzt worden, und man kann sich wohl kaum wundern, wenn Glas hier ein selten gesehener Luxusartikel ist.

      Sobald wir in die Hütte eingetreten waren, nahmen die Vorbereitungen zu der Teegesellschaft ihren Anfang. Zucker, Brezeln, Teetassen mit Untertassen und eine Branntweinflasche wurden aus einem gewöhnlichen russischen Reisekoffer hervorgenommen. Feuer wurde gemacht, Wasser gekocht und Tee in der gewöhnlichen Weise bereitet, wobei sich eine dicke schwarze Rauchwolke in dem oberen Teil des niedrigen Zimmers ausbreitete, welches während dieser Zeit sich dicht mit einer Menge Neugieriger gefüllt hatte. Bis auf diese kleineren Unannehmlichkeiten verlief das Fest sehr angenehm unter fortwährendem Gespräch, das mit großer Lebhaftigkeit geführt wurde, obgleich der Wirt und die meisten seiner Gäste sich nur mit Schwierigkeit einander verständlich machen konnten.

      Von hier begaben wir uns nach den Lederzelten der Samojeden, welche abseits der von den Russen bewohnten Holzhütten lagen. Auch hier wurden wir freundlich empfangen. Verschiedene der Zeltbewohner waren jetzt mit etwas größerer Sorgfalt in eine Tracht aus Rentierfellen gekleidet, etwa wie die Lappländer. Die Feiertagstracht der Frauen war besonders kleidsam. Dieselbe besteht aus einem ziemlich langen, am Leib eng anschließenden Kleid aus Rentierhaut, welche so dünn ist, dass sie von der Mitte an in hübschen, regelmäßigen Falten herabfällt. Der Rock ist mit zwei oder drei ungleichfarbigen Volants oder Fransen von Hundefell versehen, zwischen welchen Borten von grellfarbigen Zeugstücken aufgenäht sind. Die Fußbekleidung besteht aus hohen, hübsch und geschmackvoll eingefassten Rentierfellstiefeln. Im Sommer geht man mit bloßem Kopf. Die Frauen haben dann das schwarze struppige Haar nach hinten in zwei mit Riemen, bunten Bändern und Perlen zusammengeflochtene Haarbüschel geteilt, welche auch noch da, wo das Haar aufhört, sich in einer künstlichen Verlängerung der Flechten fortsetzen.

      Die jungen Frauen schmücken sich hier also wie überall anderswo nach bestem Vermögen; aber hübsch sind sie deshalb dennoch nicht in unseren Augen. Sie wetteifern mit den Männern im Schmutz. Gleich den Männern sind sie klein von Wuchs und haben schwarzes, grobes, dem Pferdehaar ähnliches Haar, eine gelbe, oft durch Schmutz verborgene Gesichtsfarbe, kleine, schielende, gewöhnlich triefende und entzündete Augen, eine platte Nase, breite hervorstehende Kinnbacken, dünne spindelartige Beine und kleine Füße und Hände.

      Die Tracht der Männer, welche derjenigen der Lappländer gleicht, besteht aus einem weiten und langen Päsk, welcher um den Leib herum durch einen mit Knöpfen und Messingbeschlägen reich verzierten Gürtel zusammengehalten wird, an welchem das Messer hängt. Die Stiefel aus Rentierfell reichen gewöhnlich bis über die Knie hinauf, und die Kopfbedeckung besteht aus einer eng ansitzenden, ebenfalls aus Rentierfell gefertigten Mütze.

      Die Sommerzelte, die einzigen, die wir gesehen haben, sind konisch und mit einem Loch im Dach zum Ableiten des Rauchs versehen, der von dem in der Mitte auf dem Boden befindlichen Feuerplatz aufsteigt. Die Schlafplätze sind in vielen Zelten hinter einem Vorhang aus Baumwollzeug verborgen.

      Von den Polarvölkern, mit denen ich Bekanntschaft gemacht habe, stehen die skandinavischen Lappländer ohne Zweifel am höchsten, und nach diesen kommen die Eskimos im dänischen Grönland. Beide sind christliche und des Lesens kundige Völker, welche gelernt haben, eine Menge Erzeugnisse auf dem Gebiet des Ackerbaus, des Handels und der heutigen Industrie anzuwenden. Sie sind auch jetzt noch Nomaden und Jäger, können aber nicht länger Wilde genannt werden, und der gebildete Europäer, welcher eine längere Zeit unter ihnen gelebt hat, fasst häufig eine gewisse Vorliebe für viele Seiten ihrer Lebensart und Denkweise. Nächst diesen an Bildung kommen die Eskimos im nordwestlichen Amerika, auf deren ursprünglich rohes Leben die amerikanischen Walfänger einen sehr wohltätigen Einfluss ausgeübt zu haben scheinen. Ihnen folgen die Tschuktschen, welche bisher nur wenig mit Leuten der europäischen Rassen in Berührung gekommen sind, deren Erwerbsquellen aber während der neueren Zeit in bedenklicher Weise abgenommen zu haben scheinen, sodass auch die Kraft und die Lebenslust der Nation sehr merkbar geringer geworden sind. Zuletzt kommen die Samojeden oder wenigstens diejenigen Samojeden, welche die Grenzgegenden nach den Ländern des kaukasischen Stammes hin bewohnen. Auf diese scheint der Einfluss der höheren Rassen mit ihren Reglements und Verordnungen, ihren Handelsleuten und vor allem mit ihrem Feuerwasser entschieden verschlechternd eingewirkt zu haben.

      Als ich einst einen Eskimo im nordwestlichen Grönland, welcher durch sein sehr übertriebenes Selbstwertgefühl bekannt war, fragte, ob er nicht zugeben wollte, dass der dänische Gouverneur mehr gelte als er, erhielt ich von ihm die Antwort: »Das ist nicht so sicher; der Gouverneur hat zwar ein größeres Besitztum und scheint mehr Macht zu haben, aber es gibt doch Leute in Kopenhagen, denen er gehorchen muss – über mich hat aber niemand zu befehlen.« Dasselbe stolze Selbstgefühl trifft man in der Hütte des Lappen und in dem Fellzelt des Tschuktschen. Bei den Samojeden dagegen scheint dasselbe durch ein Gefühl der Untergebenheit und der Furcht verdrängt zu sein.

      Aus älteren Reisebeschreibungen sowie aus eigener Erfahrung wusste ich, dass eine andere, vielleicht niedrigere Art von Götzenbildern als diejenigen, welche Anna Petrowna aus ihrem alten Stiefel hervorgesucht hatte, an mehreren Stellen auf den mit Knochen geopferter Tiere bestreuten Hügeln aufgestellt sein würde. Unser russischer Wirt erzählte uns, dass die Samojeden von weit entlegenen Gegenden nach diesen Plätzen zu wallfahren pflegten, um dort zu opfern und Gelübde abzulegen. Lange Zeit aber wollte keiner der dortigen Russen mir als Wegweiser dienen. Endlich erbot sich jedoch ein junger Mann, mich an eine Stelle auf der Waigatsch-Insel zu führen, wo ich das Gewünschte würde sehen können. Ich machte deshalb am nächsten Tag in einer der Dampfschaluppen einen Ausflug nach dem anderen Strand der Jugor-Straße.

      Der Opferplatz war auf dem höchsten Punkt der südwestlichen Spitze der Waigatsch-Insel gelegen und bildete einen natürlichen Hügel, welcher sich einige Meter über die umgebende Ebene abhob. Diese wurde nach dem Meer zu durch einen steilen Abgrund abgeschlossen. Das Land war flach, erhob sich allmählich zu einer Höhe von achtzehn Metern über das Meer. Hier und da gab es seichte Einsenkungen in der Ebene, welche mit einem recht reichen, ebenmäßig grünen Graswuchs bedeckt waren. Die höher gelegenen, trockenen Teile dagegen prangten in einem äußerst üppigen Blumenteppich. Wald fehlt ganz und gar. Auch die Gebüsche sind kaum eine Elle hoch und auch dieses nur an geschützten Stellen, in Talsenkungen und am Fuße steiler, nach Süden gelegener Hänge.

      Der Opferhügel bildete einen Steinhaufen von einigen Metern im Quadrat, welcher auf einer besonderen Erhöhung der Ebene lag. Zwischen den Steinen fand man:

      Rentierschädel, welche zur Herausnahme des Gehirns zerschlagen waren, die aber die Hörner noch am Stirnknochen sitzen hatten; diese waren so zwischen den Steinen aufgestellt, dass sie ein dichtes Gebüsch von Rentierhörnern bildeten, was dem Opferhügel sein eigentümliches Gepräge gab.