diesen Stöcken viele Gesichter eingeschnitten, eins über dem anderen.
Knochen von Bären, worunter sich auch die Tatzen und der nur zur Hälfte von seiner Haut entblößte Kopf eines Bären befanden, welcher erst so kurz vorher geschossen worden war, dass das Fleisch noch nicht hatte verwesen können.
Und endlich die mächtigen Wesen, denen alle diese Herrlichkeiten geopfert worden waren.
Letztere bestanden aus Hunderten von kleinen Holzsplittern, nach oben äußerst plump in Form von Menschengesichtern ausgeschnitten, von denen die meisten fünfzehn bis zwanzig und einige bis zu dreihundertsiebzig Zentimetern lang waren. Sie waren alle auf der Ostseite des Hügels in den Boden gesteckt. Nahe dem Opferplatz sah man Stücke von Treibholz und Überreste der Feuerstelle, auf welcher die Opfermahlzeit angerichtet worden war. Unser Wegweiser erzählte, dass bei diesen Mahlzeiten der Mund der Götzen mit Blut und mit Branntwein bestrichen würde.
Mein Wegweiser wurde jetzt augenscheinlich unruhig und sagte, dass ich den Zorn der Bolvanen dadurch versöhnen müsste, dass ich ihnen selbst etwas opferte. Ich äußerte sogleich, dass ich bereit wäre, dies zu tun, wenn er mir zeigen wollte, wie ich dabei zuwege gehen sollte. Einigermaßen verlegen und zweifelhaft, inwieweit er mehr den Zorn der Bolvanen als die Strafe fürchten sollte, welche in der anderen Welt denjenigen treffen soll, der falschen Götzen opfert, sagte er, dass ich nur einige Kupfermünzen zwischen die Steine zu legen brauchte. Mit einer feierlichen Kirchenmiene legte ich hierauf meine Gabe auf den Hügel, nämlich zwei Silbermünzen, sicherlich die größte Kostbarkeit, die je hier geopfert worden war. Jetzt war der Russe zufrieden, erklärte aber, dass ich verschwenderisch gewesen wäre, da ein paar Kupfermünzen völlig genügend gewesen wären.
Am folgenden Tag bekamen die Samojeden zu wissen, dass ich zu ihrem Opferhügel geführt worden war. Für ihren eigenen Teil schienen sie wenig Gewicht darauf zu legen, erklärten aber, dass der Wegweiser schon von den beleidigten Bolvanen gestraft werden würde. Er würde seine Tat vielleicht schon im nächsten Herbst bereuen, wenn seine Rentiere von den Waigatsch-Inseln zurückkehrten, wo sie gegenwärtig von den Samojeden gehütet würden; ja, wenn die Strafe ihn nicht jetzt ereile, würde sie ihn in der Zukunft heimsuchen oder auch seine Kinder oder Kindeskinder treffen, sicherlich aber würden ihn die Götter nicht ungestraft lassen. In Bezug auf Gottes Zorn stimmten ihre Religionsbegriffe vollständig mit den Lehren des Alten Testaments überein.
Opferhöhle auf der Waigatsch-Insel
Dieser Opferplatz war übrigens nicht besonders alt. Ein älterer Opferplatz hatte dagegen sechshundert Meter näher nach dem Strand hin unweit einer Höhle gelegen und war von den Samojeden mit abergläubischer Ehrfurcht betrachtet worden. Eine Menge Holzgötzen waren hier aufgestellt gewesen; aber vor etwa dreißig Jahren hatte ein eifriger, neu eingesetzter und deshalb streng durchgreifender Archimandrit [orthodoxer Priester] die Stelle besucht, den Opferhügel niedergebrannt und anstelle desselben ein noch dort stehendes Kreuz errichtet. Eine Vergeltung hatten die Samojeden jedoch nicht durch Zerstörung dieses Zeichens christlicher Anbetung ausgeübt; sie überließen die Rache den Göttern selbst, überzeugt, dass dieselben bald alle Rentiere des Archimandriten umbringen würden, und verlegten nun ihren eigenen Opferplatz etwas tiefer in das Land hinein, und vorläufig hatte kein weiterer unverständiger Glaubenseiferer Eingriffe in ihre Bolvanenverehrung gemacht.
Der alte Opferplatz war noch durch die Masse von Knochen- und rostigen Eisenstücken erkennbar, welche um das russische Kreuz herum noch über ein weites Gebiet verstreut lagen. Auch sah man dort noch Überreste des Feuerplatzes, auf welchem die Schamanengötzen verbrannt worden waren.
TIERLEBEN IM POLARMEER
Wenn man nicht die wenigen Samojeden in Betracht zieht, welche sich während der letzten Jahre auf Nowaja Semlja niedergelassen haben oder im Sommer auf den Ebenen der Waigatsch-Insel umherstreifen, so sind alle die Länder, welche in der Alten Welt das Forschungsfeld der Polarforscher bilden – Spitzbergen, Franz-Joseph-Land, Nowaja Semlja, Waigatsch, die Halbinsel Taimur [Taimyr], die Neusibirischen Inseln und vielleicht auch Wrangel-Land – völlig unbewohnt. Die Bilder von Leben und Abwechslung, welche der Eingeborene mit seinen eigentümlichen Sitten und Gebräuchen dem Reisenden in fremden entlegenen Ländern gewöhnlich darbietet, findet man hier nicht. Aber stattdessen ist das Tierleben, welches man dort im Sommer antrifft – denn im Winter verschwinden beinahe alle über der Meeresfläche lebenden Wesen aus dem höchsten Norden –, frischer und vielleicht sogar reicher oder, richtiger gesagt, weniger durch die Üppigkeit des Pflanzenlebens verborgen als im Süden.
Es sind jedoch hier nicht die größeren Säugetiere, wie Wale, Walrosse, Seehunde, Bären und Rentiere, welche zunächst unsere Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen, sondern die unzähligen Scharen von Vögeln, welche den Polarfahrer während des langen Sommertags des Nordens umschwärmen.
Schon lange, ehe man in das eigentliche Gebiet des Eismeeres eingesegelt ist, sieht man das Fahrzeug von Scharen großer grauer Vögel umgeben, welche dicht über die Oberfläche des Meeres dahinfliegen oder vielmehr -schweben, indem sie sich mit dem Wogenschwall heben und senken und eifrig nach irgendeinem essbaren Gegenstand auf der Wasserfläche spähen oder in dem Kielwasser des Schiffs schwimmen, um ausgeworfenen Abfall aufzuschnappen. Dies ist der arktische Sturmvogel (Mallemuck, Eissturmvogel). Der Sturmvogel ist furchtlos und gefräßig; er hat einen üblen Geruch, weshalb man ihn auch nur im Notfall isst, obgleich das Fleisch, wenn der Vogel nicht kurz vorher zu reichlich in verfaultem Fleisch geschwelgt hat, durchaus nicht unschmackhaft für denjenigen sein soll, welcher wenigstens gegen einen nicht allzu scharf hervortretenden Trangeschmack abgehärtet ist. Bei der Bären-Insel und Spitzbergen ist derselbe allgemeiner als bei Nowaja Semlja, und hier scheint er auch kaum in irgendeiner größeren Anzahl zu nisten. Nördlich von Skandinavien kenne ich drei Stellen, wo große Scharen von Sturmvögeln nisten: Die erste ist auf der Bären-Insel auf dem Abhang einiger nicht sonderlich steiler Klippen außerhalb des sogenannten Südhafens der Insel, die andere am südlichen Strand der Branntwein-Bai auf Nordostland [Spitzbergen] und die dritte auf Vorsprüngen steiler Bergwände im Inneren des Eisfjords [Spitzbergen]. An den letzteren Stellen sind die Nester unzugänglich; auf der Bären-Insel dagegen kann man ohne allzu große Schwierigkeit eine ganze Kolonie ihrer schmutzig grauen, kurzen, an beiden Enden gleichmäßig abgerundeten Eier berauben. Diese sollen ganz gut von Geschmack sein. Das Nest ist höchst unansehnlich und übel riechend wie der Vogel selbst.
Wenn das Schiff etwas weiter nach Norden hinauf in ein eisbestreutes Meer gekommen ist, so hört der Seegang plötzlich auf, der Wind legt sich, und das Meer wird spiegelblank, indem es sich mit einer langsam leichten Wogenbewegung hebt und senkt. Scharen von Alkenkönigen (Krabbentaucher) und Teisten schweben jetzt in der Luft und schwimmen zwischen den Eisstücken. Der Alkenkönig, welcher auch »Seekönig« oder »Rotges« genannt wird, kommt auf Nowaja Semlja außer in dem südlichen Teil nur wenig vor und brütet dort auch nicht, soviel mir bekannt ist. Die Lage des Landes ist zu südlich und das Steingeröll an den Seiten der Berge zu unbedeutend für das Wohlbefinden dieses kleinen Vogels. Auf Spitzbergen aber kommt er in unglaublichen Scharen vor und nistet in den ein- bis zweihundert Meter hohen Steinhaufen, welche Frost und Verwitterung an mehreren Stellen der Seiten der steil abfallenden Küstenberge, z. B. bei dem Horn-Sund, der Magdalena-Bai, auf den Norskinseln (nahe an 80° nördl. Br.) und anderen Stellen gebildet haben. Diese Steinhaufen bilden den Palast des Alkenkönigs, reicher an Räumen und Sälen als irgendeine andere Stelle auf dem weiten Erdenrund. Klettert man zwischen den Steinen hinauf, so sieht man hier und da ganze Wolken von Vögeln plötzlich aus dem Boden hervorkommen, um entweder in der Luft umherzuschwärmen oder über die See hinauszufliegen, und gleichzeitig geben sich die unter der Erde zurückgebliebenen durch ein unaufhörliches Geschnatter und Gemurmel zu erkennen, welches dem Lärm einer Menge zankender Weiber nicht unähnlich ist. Sollte dieses Geräusch für einige Augenblicke verstummen, so braucht man nur zu versuchen, durch irgendeine der Öffnungen zwischen den Steinen ihr Geschrei nachzuahmen, um sofort eifrige und andauernde Antwort von allen Seiten zu erhalten. Die in der Luft kreisenden Vögel lassen sich bald genug wieder auf die Steine des Bergabhangs nieder, wo