Adolf Erik Nordenskiold

Die erste Umsegelung Asiens und Europas


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Erst weiter nach Norden hinauf, zu beiden Seiten des Matotschkin-Schar, kommt es in größerer Menge vor.

      Es verdient hierbei erwähnt zu werden, dass das Rentier vor dreihundert Jahren, als der nördliche Teil von Nowaja Semlja zum ersten Mal von Menschen besucht wurde, dort nicht allgemeiner vorgekommen zu sein scheint als in der jetzigen Zeit.

      Auf Spitzbergen haben die Rentiere erst durch die Jagd der Holländer und Engländer und später durch die der Russen und Norweger bedeutend abgenommen. In dem nordwestlichen Teil der Insel, wo die Holländer ihre Tranküchen hatten, sind sie sogar vollständig ausgerottet worden.

      Am besten kennt man das Leben des wilden Rentiers von Spitzbergen. Im Sommer hält es sich zu den Grasflächen in den eisfreien Talgängen der Insel, im Spätherbst zieht es, nach der Aussage der Fangmänner, nach der Meeresküste, um das Seegras zu fressen, welches sich am Strand aufgeworfen findet, und im Winter begibt es sich nach den moosbekleideten Berghöhen im Inneren des Landes, wo es ganz gut zu gedeihen scheint, obgleich die Kälte dort im Winter fürchterlich streng sein muss. Wenn die Rentiere im Frühjahr an die Küste zurückkommen, sind sie nämlich noch ganz fett, aber einige Wochen später, wenn sich auf dem Schnee eine gefrorene Rinde gebildet hat und diese Eiskruste die Abhänge der Berge schwer zugänglich macht, dann werden sie so mager, dass man sie kaum essen kann. Im Sommer aber fressen sie sich bald wieder fett, und ihre Fettigkeit im Herbst ist so groß, dass sie auf einer Ausstellung von Mastvieh unbedingt einen Preis gewinnen würden.

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       oben: Elfenbeinmöwe unten: Dreizehige Möwe

      Der Eisbär kommt vorzugsweise an den Küsten und Eilanden vor, welche von Treibeis umgeben sind, häufig sogar auf den Eisfeldern weit hinaus in die See. Zwischen den Treibeisstücken macht er gewöhnlich seinen besten Fang. Jetzt ist er an den im Sommer eisfreien Südwestküsten von Spitzbergen und Nowaja Semlja ziemlich selten, kommt aber in den nördlichen, beinahe beständig von Eis umgebenen Teilen dieser Insel allgemeiner vor.

      Der Eisbär findet sich übrigens überall längs der Nordküste Asiens und Amerikas, dem Anschein nach in um so größerer Menge, je weiter man nach Norden kommt. Mitunter ist er auch, erst auf dem Eis, dann schwimmend, bis nach der Nordküste Norwegens gekommen.

      Der Eisbär ist nicht schwer zu töten. Wenn er einen Menschen bemerkt, nähert er sich gewöhnlich, in der Hoffnung eines Fanges, mit geschmeidigen Bewegungen und in hundert Zickzackwindungen, um nicht zu zeigen, wohin eigentlich sein Ziel geht, und dadurch seine Beute zu erschrecken. Hierbei klettert er oft auf einen Eisblock und hebt sich auf die Hinterbeine, um einen weiteren Gesichtskreis zu erlangen, oder er steht auch still, mit augenscheinlicher Bedachtsamkeit nach allen Seiten witternd, um mithilfe des Geruchs, auf den er sich mehr zu verlassen scheint als auf sein Gesicht, sich über die rechte Art und Natur der umliegenden Gegenstände zu unterrichten. Wenn er glaubt, es mit einem Seehund zu tun zu haben, kriecht er oder schleppt sich auf dem Eis entlang und soll dann den einzigen von der weißen Farbe des Eises abstechenden Teil seines Körpers, die große schwarze Schnauze, mit seiner Vordertatze zu verbergen suchen. Wenn man sich nur still verhält, so kommt der Bär auf diese Weise so nahe, dass man ihn auf einige Büchsenlängen Entfernung leicht erlegen oder, was die Fangmänner für sicherer ansehen, mit der Lanze töten kann. Begegnet man unbewaffnet einem Eisbären, so sind gewöhnlich einige heftige Bewegungen und Schreie genügend, ihn in die Flucht zu jagen; flieht man aber selbst, so kann man sicher sein, ihn dicht hinter sich auf den Fersen zu haben. Wird der Bär verwundet, so flieht er stets. Oft legt er mit der Tatze Schnee auf die Wunde, und mitunter gräbt er im Todeskampf mit den Vorderfüßen ein Loch in den Schnee, um seinen Kopf darin zu verbergen.

      Wenn man vor Anker liegt, schwimmt der Bär mitunter zu dem Fahrzeug hinaus; und schlägt man in entlegenen Gegenden sein Zelt auf, so findet man häufig des Morgens beim Erwachen einen Eisbären in der Nachbarschaft, welcher während der Nacht das Zelt umschnuppert hat, ohne es anzugreifen. Ich erinnere mich jetzt nur eines Falles, wo der Bär gewagt hatte, in ein bewohntes Zelt hineinzuschauen, und zwar war dies auf Kanes Reise [Elisha Kent Kane, amerikanischer Polarforscher, 1820–1857, versuchte von Grönland aus 1854 den Pol zu erreichen]. Er wurde durch das Anzünden einiger Streichhölzer verscheucht. Ich selbst habe mit meinen Kameraden eine Nacht nach der anderen in Gegenden im Zelt gelegen, wo wir sicher sein konnten, dass der Lagerplatz, während wir im tiefsten Schlaf lagen, von irgendeinem Bären genau bewacht wurde, welcher auch, als der Koch aufstand, um Kaffee zu kochen, selten versäumte, auf Schussweite heranzukommen.

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       Eisbären

      Dagegen hat der Eisbär eine besondere Neigung, eine Inventarisierung der Proviantniederlagen verlassener Fahrzeuge und Boote vorzunehmen, welche man am Strand aufgelegt hat. Die meisten arktischen Reisenden wissen mancherlei merkwürdige Abenteuer zu erzählen, denen sowohl Menschen wie Bären bei solchen Gelegenheiten ausgesetzt waren. Auf der Reise von 1864 kam z. B. einmal ein großer Bär und untersuchte genau den Inhalt eines mit dem Zelt überdeckten Bootes; welches wir einige Stunden vorher im Inneren des Großfjords [Spitzbergen] ohne Wache zurückgelassen hatten. Er fraß einen sorgfältig angerichteten Rentierbraten auf, zerriss unsere Reservekleider und streute die Schiffszwiebäcke und andere Sachen umher; und nachdem wir am Abend nach unserer Rückkehr unsere Sachen wieder zusammengelesen, das Zelt ausgebessert und uns schlafen gelegt hatten, kam derselbe Bär wieder und eignete sich während unseres Schlafens alles Rentierfleisch an, das wir anstatt des verlorenen Bratens für die Fahrt am folgenden Tag zubereitet hatten. Während einer der englischen Expeditionen zur Aufsuchung Franklins wurde einmal ein Bär erlegt, in dessen Magen man unter anderen guten Sachen den Vorrat eines ausgeplünderten Heftpflasterdepots fand. Der Bär kann auch große Steine fortwälzen, aber eines Lagers von gefrorenem Sand kann er nicht Herr werden.

      Der Eisbär schwimmt ausgezeichnet, aber nicht so schnell, dass er durch Schwimmen entgehen könnte, wenn er, wie es oft geschieht, bei seinen Fluchtversuchen seine Rettung im Meer sucht und man ihn in einem Boot verfolgt, wenn also ein Boot und tüchtige Ruderer zur Hand sind. Dabei ist er, wie die Fangmänner behaupten, ebenso leicht zu töten wie ein Schaf; man muss sich jedoch beeilen, sich seiner mit der Harpune oder in anderer Weise zu bemächtigen, da er, wenn er nicht sehr fett ist, schnell sinkt.

      Ob der Bär den Winter in einem Lager verbringt, ist noch nicht völlig entschieden, jedoch verschiedene Gründe sprechen dafür. Er verschwindet z. B. während der dunklen Zeit fast vollständig von den Überwinterungsplätzen, und man hat mitunter Höhlen unter dem Schnee gefunden, wo Bären verborgen gewesen waren. So geschah es einmal, dass Tobiesen [Sivert Tobiesen, 1821–1873, berühmter norwegischer Robbenfänger und Eismeerfahrer, erfroren 1873 bei der Überwinterung auf Spitzbergen] mit einem Fuß in eine derartige Höhle geriet, und zwar zu nicht geringem Schrecken für den vielerfahrenen Fangmann wie für den Bären.

      Ich kenne nur eine einzige Gelegenheit, bei welcher ein norwegischer Fangmann von einem Bären ernstlich beschädigt wurde. Es scheint jedoch, als ob dieses Tier in solchen Gegenden kühner und gefährlicher wäre, in denen es noch nicht mit den gefährlichen Jagdgerätschaften der Menschen Bekanntschaft gemacht hat. Während der ersten englischen und holländischen Reisen traf man z. B. in Gegenden, wo der Eisbär jetzt fast ganz und gar fehlt, beinahe an jedem Landungsplatz Bären an, mit denen man gezwungen war, richtige Kämpfe aufzunehmen, Kämpfe, welche manchmal mehrere Menschenleben kosteten.

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       Walrosse

      Das wichtigste Fangtier ist während der letzten fünfzig Jahre das Walross gewesen, aber auch dessen Ausrottung beginnt, sodass es bereits jetzt nur noch selten im Sommer an der Westküste von Nowaja Semlja südlich von Matotschkin-Schar angetroffen wird. So haben wir z. B. während unserer Besuche auf dieser Insel in den Jahren 1875, 1876 und 1878 nicht ein einziges dieser Tiere dort gesehen. Aber an der Karischen Pforte, an der Ostküste von Nowaja Semlja und an gewissen Stellen im Karischen Meer kann man noch einen reichlichen Fang machen. In früherer Jahreszeit soll das Walross auch