seines Schützlings zu Widersetzlichkeiten reizen sollte.
– Dem Grafen Christian selbst müssen Sie Vorhaltungen machen, sagte er. Das Übermaß Ihrer Zärtlichkeit hat den jungen Grafen verwöhnt; es ist Zeit, dass Ihre weisen Erinnerungen endlich die Besorgnis des Vaters rege machen, damit der in Betreff der »gefährlichen Person« entscheidende Schritte tue.
– Glauben Sie denn, dass ich an dieses Mittel noch nicht gedacht habe? entgegnete das Stiftsfräulein. Aber mein Bruder hat leider in den vierzehn Tagen dass Albert das letztemal verschwunden war, um vierzehn Jahre gealtert. Sein Geist ist so heruntergestimmt, dass es unmöglich ist, ihm etwas mit halbem Worte begreiflich zu machen. Er scheint sich mit einem gewissen trägen und blinden Widerstande gegen den bloßen Gedanken an einen neuen Kummer zu wehren; er ist froh wie ein Kind, dass er nur seinen Sohn wieder hat und ihn dem Anscheine nach wie einen vernünftigen Menschen reden hört. Er hält ihn für völlig geheilt und bemerkt nicht, dass der arme Albert in eine neue Raserei, weit schlimmer als die erste, gefallen ist. Die Sicherheit meines Bruders in dieser Hinsicht ist so groß, und er ist in ihr so selig, dass ich noch nicht den Mut gewinnen konnte, sie ihm zu zerstören, und ihm über das was vorgeht die Augen zu öffnen. Es scheint mir, dass diese Eröffnung, wenn sie von Ihnen ausginge, mit mehr Ergebung aufgenommen werden, und, von Ihren heiligen Ermahnungen begleitet, wirksamer und weniger schmerzlich sein würde.
– Eine derartige Eröffnung, versetzte der Kaplan, ist zu delikater Natur, um von einem armen Priester wie ich bin, unternommen zu werden. Im Munde einer Schwester wird sie weit besser an ihrer Stelle sein, und Ihro Gnaden werden die Bitterkeit derselben durch den Ausdruck einer Zärtlichkeit versüßen, die ich dem erhabenen Haupte der Familie gewissermaßen in Vertraulichkeit auszudrücken, mir nicht herausnehmen kann.
Es gingen mehre Tage hin, während deren diese beiden gesetzten Personen sich einander die Sorge zuschoben, der Katze die Schelle anzuhängen; indessen dieser Punkt noch unentschieden blieb, wobei sich ihre Bequemlichkeit, ihre gewohnte Tatlosigkeit im Stillen ganz gut standen, machte die Liebe in Albert’s Herzen rasche Fortschritte. Consuelo’s Kräfte kehrten zusehends wieder, und nichts störte die Süßigkeit eines Umgangs, den die Argusaugen der strengsten Tugendwächter nicht hätten keuscher und zurückhaltender machen können, als er es durch die bloße Wirkung einer wahren Schamhaftigkeit und einer tiefen Liebe war.
8.
Amalie konnte indessen die Demütigungen, denen sie durch ihre Lage Preis gegeben war, nicht länger ertragen und drang immer lebhafter in ihren Vater, sie nach Prag zurückzubringen. Der Freiherr, welcher das Leben im Walde dem in der Stadt vorzog, versprach ihr alles was sie wollte, und verschob jeden Tag auf morgen die Ankündigung, dass er abreisen wollte und die Zurüstungen.
Das junge Mädchen sah, dass man durchgreifen müsste und verfiel auf ein unerwartetes Mittel. Sie verständigte sich mit ihrem Kammermädchen, einer jungen, ganz pfiffigen und entschlossenen Französin, und eines morgens, als ihr Vater eben auf die Jagd gehen wollte, bat sie ihn, mit ihr nach dem benachbarten Schlosse einer Dame ihrer Bekanntschaft zu fahren, der sie schon lange einen Besuch schuldig wäre.
Dem Freiherrn war es gar nicht recht behaglich, Flinte und Jagdtasche abzulegen und sich umzukleiden, um den Tag auf andere Art anzuwenden. Aber er schmeichelte sich, dass seine Nachgiebigkeit Amaliens Quälerei für eine kurze Zeit beseitigen, dass die Spazierfahrt ihre üble Laune verscheuchen und sie geneigter machen würde, noch ein Paar Tage länger ohne zu vieles Murren auf Riesenburg zu bleiben. Wenn dieser wackere Herr eine Woche vor sich sah, so glaubte er seine Freiheit auf Lebenszeit gesichert, weiter hinaus reichte seine Berechnung nicht. Er ließ sich also willig finden, seine Hunde wieder in den Zwinger zu schicken und sein Falk Attila kehrte auf seine Stange zurück mit einer verdrießlichen, bösen Miene, die seinem Herrn einen tiefen Seufzer auspresste.
Der Freiherr steigt endlich mit seiner Tochter ein, und ist schon einen Peitschenknall weit vom Schlosse, wie er unter solchen Umständen pflegt, sanft eingeschlafen. Augenblicklich erhält der Kutscher von Amalien Befehl, umzulenken und nach der nächsten Poststation zu fahren. Nach zwei Stunden gestreckten Laufs ist diese erreicht, und als der Freiherr die Augen aufschlägt, sieht er Postpferde vor seine Kalesche gelegt, und alles fertig um mit ihm auf der Prager Straße davonzufliegen.
Nun! was gibt’s? Wo sind wir denn? Wohin fahren wir? Amalie, mein Kind! was bist du zerstreut! Wie? Oder was für ein Einfall, oder was für ein Spaß ist das?
Auf alle diese Fragen ihres Vaters antwortete das junge Fräulein nur mit lautem Gelächter und kindischen Liebkosungen. Als sie endlich den Postillon im Sattel und den Wagen auf dem Sande der Chaussee leicht dahinrollen sah, nahm sie eine ernsthafte Miene an und sprach mit sehr festem Tone also:
– Machen Sie sich um nichts Sorge, lieber Papa! Alle unsere Koffer sind aufs beste gepackt. Die Magazine sind mit allem Nötigen zur Reise versehen. Bloß Ihre Gewehre und Ihre Tiere sind auf Riesenburg geblieben, die Sie in Prag doch nicht gebrauchen, und die Sie ja auch gleich geschickt erhalten können, wenn Sie es verlangen. Onkel Christian wird beim Frühstück einen Brief empfangen; dieser ist so abgefasst, dass der Onkel die Notwendigkeit unserer Abreise einsehen muss, ohne dass es ihn sehr betrüben oder auf Sie oder mich böse machen kann.
Jetzt aber bitte ich Sie inständigst um Verzeihung wegen meiner List. Sie haben ja seit vier Wochen eingewilligt das zu tun was ich jetzt wahr mache. Ich handle also nicht gegen Ihren Willen, wenn wir auch in einem Augenblicke nach Prag zurückkehren, wo Sie es sich nicht gerade vorgesetzt hatten, und ich bin überzeugt, dass es Ihnen sehr lieb ist, so aller der Langweiligkeit des Entschlussfassens und Einpackens überhoben zu sein. Meine Lage auf dem Schlosse war unleidlich geworden, ohne dass Sie es bemerkt hatten. Dies ist meine Entschuldigung und meine Rechtfertigung. Bitte, geben Sie mir einen Kuss und sehen Sie mich nicht so grimmig an, dass ich mich ordentlich fürchten muss.
Bei diesen Worten verbiss Amalie, wie auch ihr Mädchen, mit aller Macht das Lachen, denn nie in seinem Leben hatte der Freiherr irgend einem Menschen ein grimmiges Gesicht machen können, wie viel weniger seiner geliebten Tochter. Er machte in diesem Augenblicke vielmehr große verwunderte und, man muss gestehen, vor Staunen etwas dumme Augen. Wenn es ihm auch einigermaßen zuwider war, so mit sich spielen zu lassen und wirklich wehe tat, von seinem Bruder und seiner Schwester so jählings und ohne Lebewohl