George Sand

Gesammelte Werke


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sei­nes Schütz­lings zu Wi­der­setz­lich­kei­ten rei­zen soll­te.

      – Dem Gra­fen Chris­ti­an selbst müs­sen Sie Vor­hal­tun­gen ma­chen, sag­te er. Das Über­maß Ih­rer Zärt­lich­keit hat den jun­gen Gra­fen ver­wöhnt; es ist Zeit, dass Ihre wei­sen Erin­ne­run­gen end­lich die Be­sorg­nis des Va­ters rege ma­chen, da­mit der in Be­treff der »ge­fähr­li­chen Per­son« ent­schei­den­de Schrit­te tue.

      – Glau­ben Sie denn, dass ich an die­ses Mit­tel noch nicht ge­dacht habe? ent­geg­ne­te das Stifts­fräu­lein. Aber mein Bru­der hat lei­der in den vier­zehn Ta­gen dass Al­bert das letz­te­mal ver­schwun­den war, um vier­zehn Jah­re ge­al­tert. Sein Geist ist so her­un­ter­ge­stimmt, dass es un­mög­lich ist, ihm et­was mit hal­b­em Wor­te be­greif­lich zu ma­chen. Er scheint sich mit ei­nem ge­wis­sen trä­gen und blin­den Wi­der­stan­de ge­gen den blo­ßen Ge­dan­ken an einen neu­en Kum­mer zu weh­ren; er ist froh wie ein Kind, dass er nur sei­nen Sohn wie­der hat und ihn dem An­schei­ne nach wie einen ver­nünf­ti­gen Men­schen re­den hört. Er hält ihn für völ­lig ge­heilt und be­merkt nicht, dass der arme Al­bert in eine neue Ra­se­rei, weit schlim­mer als die ers­te, ge­fal­len ist. Die Si­cher­heit mei­nes Bru­ders in die­ser Hin­sicht ist so groß, und er ist in ihr so se­lig, dass ich noch nicht den Mut ge­win­nen konn­te, sie ihm zu zer­stö­ren, und ihm über das was vor­geht die Au­gen zu öff­nen. Es scheint mir, dass die­se Er­öff­nung, wenn sie von Ih­nen aus­gin­ge, mit mehr Er­ge­bung auf­ge­nom­men wer­den, und, von Ihren hei­li­gen Er­mah­nun­gen be­glei­tet, wirk­sa­mer und we­ni­ger schmerz­lich sein wür­de.

      – Eine der­ar­ti­ge Er­öff­nung, ver­setz­te der Ka­plan, ist zu de­li­ka­ter Na­tur, um von ei­nem ar­men Pries­ter wie ich bin, un­ter­nom­men zu wer­den. Im Mun­de ei­ner Schwes­ter wird sie weit bes­ser an ih­rer Stel­le sein, und Ihro Gna­den wer­den die Bit­ter­keit der­sel­ben durch den Aus­druck ei­ner Zärt­lich­keit ver­sü­ßen, die ich dem er­ha­be­nen Haup­te der Fa­mi­lie ge­wis­ser­ma­ßen in Ver­trau­lich­keit aus­zu­drücken, mir nicht her­aus­neh­men kann.

      Es gin­gen meh­re Tage hin, wäh­rend de­ren die­se bei­den ge­setz­ten Per­so­nen sich ein­an­der die Sor­ge zu­scho­ben, der Kat­ze die Schel­le an­zu­hän­gen; in­des­sen die­ser Punkt noch un­ent­schie­den blieb, wo­bei sich ihre Be­quem­lich­keit, ihre ge­wohn­te Tat­lo­sig­keit im Stil­len ganz gut stan­den, mach­te die Lie­be in Al­ber­t’s Her­zen ra­sche Fort­schrit­te. Con­sue­lo’s Kräf­te kehr­ten zu­se­hends wie­der, und nichts stör­te die Sü­ßig­keit ei­nes Um­gangs, den die Ar­gus­au­gen der strengs­ten Tu­gend­wäch­ter nicht hät­ten keu­scher und zu­rück­hal­ten­der ma­chen kön­nen, als er es durch die blo­ße Wir­kung ei­ner wah­ren Scham­haf­tig­keit und ei­ner tie­fen Lie­be war.

      8.

      Ama­lie konn­te in­des­sen die De­mü­ti­gun­gen, de­nen sie durch ihre Lage Preis ge­ge­ben war, nicht län­ger er­tra­gen und drang im­mer leb­haf­ter in ih­ren Va­ter, sie nach Prag zu­rück­zu­brin­gen. Der Frei­herr, wel­cher das Le­ben im Wal­de dem in der Stadt vor­zog, ver­sprach ihr al­les was sie woll­te, und ver­schob je­den Tag auf mor­gen die An­kün­di­gung, dass er ab­rei­sen woll­te und die Zu­rüs­tun­gen.

      Das jun­ge Mäd­chen sah, dass man durch­grei­fen müss­te und ver­fiel auf ein un­er­war­te­tes Mit­tel. Sie ver­stän­dig­te sich mit ih­rem Kam­mer­mäd­chen, ei­ner jun­gen, ganz pfif­fi­gen und ent­schlos­se­nen Fran­zö­sin, und ei­nes mor­gens, als ihr Va­ter eben auf die Jagd ge­hen woll­te, bat sie ihn, mit ihr nach dem be­nach­bar­ten Schlos­se ei­ner Dame ih­rer Be­kannt­schaft zu fah­ren, der sie schon lan­ge einen Be­such schul­dig wäre.

      Dem Frei­herrn war es gar nicht recht be­hag­lich, Flin­te und Jagd­ta­sche ab­zu­le­gen und sich um­zu­klei­den, um den Tag auf an­de­re Art an­zu­wen­den. Aber er schmei­chel­te sich, dass sei­ne Nach­gie­big­keit Ama­li­ens Quä­le­rei für eine kur­ze Zeit be­sei­ti­gen, dass die Spa­zier­fahrt ihre üble Lau­ne ver­scheu­chen und sie ge­neig­ter ma­chen wür­de, noch ein Paar Tage län­ger ohne zu vie­les Mur­ren auf Rie­sen­burg zu blei­ben. Wenn die­ser wa­cke­re Herr eine Wo­che vor sich sah, so glaub­te er sei­ne Frei­heit auf Le­bens­zeit ge­si­chert, wei­ter hin­aus reich­te sei­ne Be­rech­nung nicht. Er ließ sich also wil­lig fin­den, sei­ne Hun­de wie­der in den Zwin­ger zu schi­cken und sein Falk At­ti­la kehr­te auf sei­ne Stan­ge zu­rück mit ei­ner ver­drieß­li­chen, bö­sen Mie­ne, die sei­nem Herrn einen tie­fen Seuf­zer aus­press­te.

      Der Frei­herr steigt end­lich mit sei­ner Toch­ter ein, und ist schon einen Peit­schen­knall weit vom Schlos­se, wie er un­ter sol­chen Um­stän­den pflegt, sanft ein­ge­schla­fen. Au­gen­blick­lich er­hält der Kut­scher von Ama­li­en Be­fehl, um­zu­len­ken und nach der nächs­ten Post­sta­ti­on zu fah­ren. Nach zwei Stun­den ge­streck­ten Laufs ist die­se er­reicht, und als der Frei­herr die Au­gen auf­schlägt, sieht er Post­pfer­de vor sei­ne Ka­le­sche ge­legt, und al­les fer­tig um mit ihm auf der Pra­ger Stra­ße da­von­zu­flie­gen.

      Nun! was gib­t’s? Wo sind wir denn? Wo­hin fah­ren wir? Ama­lie, mein Kind! was bist du zer­streut! Wie? Oder was für ein Ein­fall, oder was für ein Spaß ist das?

      Auf alle die­se Fra­gen ih­res Va­ters ant­wor­te­te das jun­ge Fräu­lein nur mit lau­tem Ge­läch­ter und kin­di­schen Lieb­ko­sun­gen. Als sie end­lich den Po­stil­lon im Sat­tel und den Wa­gen auf dem San­de der Chaus­see leicht da­hin­rol­len sah, nahm sie eine ernst­haf­te Mie­ne an und sprach mit sehr fes­tem Tone also:

      – Ma­chen Sie sich um nichts Sor­ge, lie­ber Papa! Alle un­se­re Kof­fer sind aufs bes­te ge­packt. Die Ma­ga­zi­ne sind mit al­lem Nö­ti­gen zur Rei­se ver­se­hen. Bloß Ihre Ge­weh­re und Ihre Tie­re sind auf Rie­sen­burg ge­blie­ben, die Sie in Prag doch nicht ge­brau­chen, und die Sie ja auch gleich ge­schickt er­hal­ten kön­nen, wenn Sie es ver­lan­gen. On­kel Chris­ti­an wird beim Früh­stück einen Brief emp­fan­gen; die­ser ist so ab­ge­fasst, dass der On­kel die Not­wen­dig­keit un­se­rer Abrei­se ein­se­hen muss, ohne dass es ihn sehr be­trü­ben oder auf Sie oder mich böse ma­chen kann.

      Jetzt aber bit­te ich Sie in­stän­digst um Ver­zei­hung we­gen mei­ner List. Sie ha­ben ja seit vier Wo­chen ein­ge­wil­ligt das zu tun was ich jetzt wahr ma­che. Ich hand­le also nicht ge­gen Ihren Wil­len, wenn wir auch in ei­nem Au­gen­bli­cke nach Prag zu­rück­keh­ren, wo Sie es sich nicht ge­ra­de vor­ge­setzt hat­ten, und ich bin über­zeugt, dass es Ih­nen sehr lieb ist, so al­ler der Lang­wei­lig­keit des Ent­schluss­fas­sens und Ein­pa­ckens über­ho­ben zu sein. Mei­ne Lage auf dem Schlos­se war un­leid­lich ge­wor­den, ohne dass Sie es be­merkt hat­ten. Dies ist mei­ne Ent­schul­di­gung und mei­ne Recht­fer­ti­gung. Bit­te, ge­ben Sie mir einen Kuss und se­hen Sie mich nicht so grim­mig an, dass ich mich or­dent­lich fürch­ten muss.

      Bei die­sen Wor­ten ver­biss Ama­lie, wie auch ihr Mäd­chen, mit al­ler Macht das La­chen, denn nie in sei­nem Le­ben hat­te der Frei­herr ir­gend ei­nem Men­schen ein grim­mi­ges Ge­sicht ma­chen kön­nen, wie viel we­ni­ger sei­ner ge­lieb­ten Toch­ter. Er mach­te in die­sem Au­gen­bli­cke viel­mehr große ver­wun­der­te und, man muss ge­ste­hen, vor Stau­nen et­was dum­me Au­gen. Wenn es ihm auch ei­ni­ger­ma­ßen zu­wi­der war, so mit sich spie­len zu las­sen und wirk­lich wehe tat, von sei­nem Bru­der und sei­ner Schwes­ter so jäh­lings und ohne Le­be­wohl