George Sand

Gesammelte Werke


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ei­ni­ge Wei­sen in sei­nen Cho­rä­len über­lie­fert hat, noch Clau­de den Jün­ge­ren, noch Ar­ca­delt, noch Ge­org Rhaw, noch Be­ne­dict Du­cis, noch Jo­hann von Weiß.1

      Wird Sie die Be­gier­de, so merk­wür­di­ge Sa­chen ken­nen zu ler­nen, nicht ver­lei­ten, lie­be Con­sue­lo! mei­ne Grot­te ein­mal wie­der zu be­su­chen, aus der ich nun schon so lan­ge ver­bannt bin, mei­ne Kir­che zu se­hen, die Sie noch gar nicht ken­nen?

      Wäh­rend die­ser Vor­schlag die Neu­gier der jun­gen Künst­le­rin reiz­te, mach­te er sie doch zit­tern. Die furcht­ba­re Grot­te er­weck­te in ih­rer See­le Bil­der, de­ren sie sich nicht ohne Schau­der er­in­nern konn­te, und der Ge­dan­ke, al­lein mit Al­bert da­hin zu­rück­zu­keh­ren, er­reg­te ihr, un­ge­ach­tet des Ver­trau­ens, das sie zu ihm ge­won­nen hat­te, eine pein­li­che Un­ru­he, die er auf der Stel­le be­merk­te.

      – Sie ha­ben einen Wi­der­wil­len ge­gen die­se Wall­fahrt, de­ren Wie­der­ho­lung Sie mir frei­lich ver­spro­chen ha­ben; gut! re­den wir nicht mehr da­von! sag­te er. Mei­nem Ge­lüb­de treu wer­de ich sie nicht ohne Sie ma­chen.

      – Sie er­in­nern mich an das mei­ni­ge, Al­bert! ant­wor­te­te sie; ich wer­de es er­fül­len, so­bald Sie es ver­lan­gen. Aber, mein teu­rer Doc­tor, Sie müs­sen be­den­ken, dass ich noch nicht die nö­ti­ge Kraft dazu habe. Wol­len Sie mich da­her nicht schon zu­vor die merk­wür­di­ge Mu­sik se­hen und den be­wun­derns­wür­di­gen Künst­ler, der bes­ser Gei­ge spielt als ich sin­ge, hö­ren las­sen?

      – Ich weiß nicht, ob Sie scher­zen, lie­be Schwes­ter! Aber ich weiß, dass Sie mich nicht au­ßer­halb mei­ner Grot­te hö­ren wer­den. Dort habe ich es ver­sucht, die Spra­che mei­nes Her­zens die­sem In­stru­men­te ab­zu­lo­cken, des­sen Macht ich nicht kann­te, ob­gleich ich meh­re­re Jah­re lang für mei­nes Va­ters schwe­res Geld einen Leh­rer hat­te, der es glän­zend und keck be­han­del­te. Dort habe ich ge­lernt, was Mu­sik ist und was für einen läs­ter­li­chen Spott so vie­le Men­schen dar­aus ma­chen.

      Ich muss aber ge­ste­hen, dass ich aus mei­ner Gei­ge kei­nen Ton zie­hen könn­te, ohne mich im Geis­te vor der Gott­heit nie­der­zu­wer­fen. Selbst wenn ich Sie kalt ne­ben mir sähe, nur auf die Form der Stücke, die ich spie­le, ach­tend und be­gie­rig zu un­ter­su­chen, ob ich ein bi­schen Ta­lent mehr oder we­ni­ger habe, wür­de ich so schlecht spie­len, dass Sie es schwer­lich er­tra­gen könn­ten. Ich habe die­ses mir hei­li­ge, dem Lobe des Herrn oder dem Angst­ruf mei­nes in­brüns­ti­gen Ge­be­tes ge­weih­te In­stru­ment nie, seit ich es ein we­nig zu be­han­deln weiß, be­rührt, ohne mich in die idea­le Welt ent­rückt zu füh­len, und ohne dem ge­heim­nis­vol­len Zuge ei­ner Ein­ge­bung und himm­li­schen Be­geis­te­rung zu fol­gen, die ich nicht nach Be­lie­ben her­vor­ru­fen kann und die von mir weicht, ohne dass ich im­stan­de wäre sie zu be­herr­schen und fest­zu­hal­ten. Ver­lan­gen Sie von mir, wenn ich bei kal­tem Blu­te bin, das ein­fachs­te The­ma, und ich wer­de, wie leb­haft auch mein Wunsch ist Ih­nen zu ge­nü­gen, mich auf nichts be­sin­nen kön­nen, ich wer­de so un­ge­schickt sein, wie ein Kind, das zum ers­ten Male den Bo­gen führt.

      – Ich bin nicht un­wert, ent­geg­ne­te Con­sue­lo, die ihm ge­spannt und an­däch­tig zu­ge­hört hat­te, die Art, wie Sie die Mu­sik be­trach­ten, in mich auf­zu­neh­men. Ich hof­fe auch, mich Ihrem Ge­be­te mit so ge­sam­mel­tem und brüns­ti­gem Geis­te an­schlie­ßen zu kön­nen, dass mei­ne Ge­gen­wart Ihre Be­geis­te­rung nicht stö­ren soll. Ach! warum kann mein Leh­rer Por­po­ra nicht hö­ren, was Sie über die hei­li­ge Kunst sa­gen, Al­bert! er wür­de zu Ihren Fü­ßen lie­gen. Und den­noch geht die­ser große Meis­ter selbst nicht so weit in sei­ner Stren­ge wie Sie, und er meint, der Sän­ger und je­der Ton­künst­ler müs­se einen An­trieb zur Be­geis­te­rung in dem Mit­ge­füh­le und der Be­wun­de­rung sei­ner Zu­hö­rer su­chen.

      – So ver­mengt der Por­po­ra viel­leicht doch in der Mu­sik den himm­li­schen Flug mit dem ir­di­schen Han­ge, was er auch sage. Vi­el­leicht auch ur­teilt er über hei­li­ge Mu­sik als Ka­tho­lik, und ich wür­de den­ken wie er, wenn ich auf sei­nem Stand­punk­te stün­de. Ja, in ei­ner Ge­mein­schaft des Glau­bens und des Geis­tes­le­bens mit ei­nem Vol­ke, des­sen Got­tes­dienst der mei­ni­ge wäre, wür­de ich in der geis­ti­gen Berüh­rung mit die­sen gleich­ge­stimm­ten Ge­mü­tern eine Er­he­bung fin­den, die ich bis jetzt ge­zwun­gen war, in der Ein­sam­keit zu su­chen und die ich da­her nur un­voll­kom­men er­rei­chen konn­te. Wenn ich noch ein­mal das Glück er­lan­ge, in ei­nem Ge­be­te nach mei­nem Her­zen, dei­ne gött­li­che Stim­me, Con­sue­lo, mit den Seuf­zern mei­ner Gei­ge zu ver­ei­ni­gen, dann ohne Zwei­fel wer­de ich mich hö­her em­por­schwin­gen als ich je ge­konnt, und mein Ge­bet wird der Gott­heit wür­dig sein.

      Al­lein ver­giss nicht, lie­bes Kind, dass bis die­sen Au­gen­blick mein Glau­be al­len de­nen, wel­che um mich sind, ein Ge­gen­stand des Ab­scheu’s war, und dass er de­nen, die dar­an kein Är­ger­nis näh­men, ein Ge­gen­stand des Spot­tes sein wür­de. Dies ist der Grund, wes­halb ich, gleich als ein Ge­heim­nis zwi­schen Gott, dem ar­men Zden­ko und mir, die ge­rin­ge Gabe, die mir ward, ver­bor­gen hielt. Mein Va­ter liebt die Mu­sik und wür­de es gern se­hen, wenn ich die­ses In­stru­ment, das mir so hei­lig ist, wie es die Sistren wa­ren in den eleu­si­ni­schen Ge­heim­nis­sen, zu sei­ner Er­hei­te­rung ge­brauch­te. Wie wür­de mir zu Mute sein, großer Gott! wenn ich Ama­li­en eine Ca­va­ti­ne be­glei­ten müss­te und wie wür­de mei­nem Va­ter zu Mute sein, wenn ich ihm ei­nes die­ser al­ten Hus­si­ten­lie­der spiel­te, die so vie­le un­se­rer Vor­fah­ren in die Mi­nen und in den Tod ge­stürzt ha­ben, oder eine der spä­te­ren Hym­nen un­se­rer lu­the­ri­schen Vä­ter, von de­nen er sich ab­zu­stam­men schämt?

      Ach, Con­sue­lo! Neu­e­res lei­der weiß ich nicht. Es gibt des­sen ge­wiss von großer Schön­heit. Was Sie mich von Hän­del und an­de­ren be­rühm­ten Meis­tern, mit de­ren Wer­ken Sie ge­nährt sind, hö­ren lie­ßen, scheint mir in vie­ler Hin­sicht herr­li­cher als das, wo­mit ich Sie be­kannt ma­chen kann. Al­lein um die­se Mu­sik ver­ste­hen zu ler­nen und mir an­zu­eig­nen, müss­te ich mich mit ei­ner neu­en mu­si­ka­li­schen Welt erst in Berüh­rung set­zen, und nur an Ih­rer Hand könn­te ich mich ent­schlie­ßen ein­zu­tre­ten, um die so lan­ge mir un­be­kann­ten oder von mir ver­schmäh­ten Schät­ze zu ge­win­nen, die Sie über mich mit vol­len Hän­den aus­schüt­ten wür­den.

      – Und ich, sag­te Con­sue­lo lä­chelnd, ich glau­be, dass ich mich mit die­ser Aus­bil­dung nicht be­fas­sen wür­de. Was ich in der Grot­te hör­te, ist so schön, so groß, so ein­zig in sei­ner Art, dass ich fürch­ten müss­te, Sand in einen kris­tall­rei­nen, dia­man­ten­hel­len Quell zu schüt­ten. O Al­bert, ich sehe wohl, dass Sie mehr Mu­sik wis­sen als ich. Aber wol­len Sie mir nicht nun auch ein Wort über die­se pro­fa­ne Kunst sa­gen, von der ich Ge­wer­be zu ma­chen ge­nö­tigt bin? Ich fürch­te zu ent­de­cken, dass ich in die­ser wie in der an­de­ren bis auf den heu­ti­gen Tag hin­ter mei­ner Auf­ga­be zu­rück­ge­blie­ben bin, in­dem ich mit der näm­li­chen Un­wis­sen­heit und dem näm­li­chen Leicht­sin­ne dar­an ging.

      – Ich bin weit ent­fernt, das zu glau­ben, Con­sue­lo! ich sehe Ihre Auf­ga­be als eine hei­li­ge an, und wie Ihr Ge­wer­be das herr­lichs­te ist, dem ein Weib sich wid­men kann, so ist Ihre See­le die wür­digs­te, ein sol­ches Pries­ter­tum zu ver­wal­ten.

      – Halt, halt, lie­ber