nickte. »Wir sind befreundet. Vielleicht werde ich sie sogar heiraten«, fügte er lächelnd hinzu.
»Gut«, meinte Adrian. »Dann können Sie mir sicher Auskunft darüber geben, ob Frau Burgmer schon mal über starke Rückenschmerzen geklagt hat. Oder war sie gar wegen irgendwelcher Beschwerden beim Arzt?«
»Aber nein! Susanne ist kerngesund. Ich wüßte nicht, daß sie irgendein Problem hätte. Warum wollen Sie das wissen?«
Adrian zögerte, dann entschloß er sich zur Wahrheit. Wenn Jonas Johannson und die Patientin Burgmer sich so nahe standen, daß sie sogar schon an Heiraten dachten, war es nur recht und billig, daß der Rennfahrer von der Verdachtsdiagnose erfuhr.
»Da Frau Burgmer dem Notarzt noch an der Unfallstelle sagen konnte, daß sie kein Gefühl in ihren Beinen verspürt, wurde sie mit dem Verdacht auf einen Wirbelbruch eingeliefert«, erläuterte er. »Ich habe eine Computertomographie angeordnet, dabei aber eine mich irritierende Feststellung gemacht…«
»Und das wäre?« Jonas runzelte die Stirn. »Nun reden Sie doch schon, Doktor!«
»Nun ja… es ist noch nichts bewiesen, aber alles deutet darauf hin, daß Ihre Freundin einen Tumor im Rücken hat. Ich wollte jetzt von Ihnen wissen, ob Frau Burgmer diese Diagnose bereits kennt – und Sie eventuell auch.«
»Aber nein!« Jonas schüttelte den Kopf. »Das ist mir völlig neu. Und auch Susanne weiß mit Sicherheit nichts davon. Ich denke, das hätte sie doch auch spüren müssen!«
Adrian schüttelte den Kopf. »Im Frühstadium noch nicht unbedingt. Jetzt hat sich ein Blutgerinnsel gebildet, und ich vermute, daß dieser Bluterguß die Lage des Tumors verändert hat – und eventuell eine Lähmung verursacht. Leider ist Ihre Freundin noch bewußtlos, wir können also keine Tests mit ihr durchführen.«
Jonas schloß sekundenlang die Augen. »Gelähmt… Susanne ist vielleicht für immer gelähmt«, murmelte er, und blankes Entsetzen malte sich auf seinem Gesicht ab. Als er Dr. Winter ansah, flackerten seine Augen. »Das… das ist ja furchtbar! Können Sie denn gar nichts tun?«
Adrian zögerte, dann sagte er: »Noch ist gar nichts erwiesen, Herr Johannson. Ich wollte mich nur bei Ihnen erkundigen, ob Sie vielleicht etwas von einer Tumorerkrankung wissen.«
»Aber nein! Nichts!« Der Rennfahrer schüttelte den Kopf. »Susanne hat nie was gesagt, und sie war immer fit.«
»Na ja, vielleicht stellt sich alles noch als recht harmlos heraus«, meinte Adrian, der den Patienten nicht mehr als notwendig belasten wollte. »Wir werden noch ein paar weitere Untersuchungen anstellen, bis wir genau wissen, was zu tun ist. Ihnen erst einmal gute Besserung, Herr Johannson.«
»Danke.« Jonas lehnte sich wieder in den Kissen zurück. »Ach ja, Doktor…« Er streckte die Hand ein wenig nach Adrian aus. »Können Sie bitte veranlassen, daß man mir ein Telefon bringt? Ich muß mit meinem Manager und den Leuten vom Rennstall telefonieren.«
»Natürlich. Aber bitte – in Maßen. Sie sind nicht gesund«, warnte Adrian, dann verließ er den jungen Mann.
Irgendwie hatte Dr. Winter ein ungutes Gefühl. Es rührte zum Teil daher, daß er im Fall der jungen Susanne Burgmer noch relativ im Dunkeln tappte, andererseits gefiel ihm die Reaktion des Rennfahrers nicht. Er war zwar schockiert gewesen, als er von der Lähmung und dem Tumorverdacht, der bei seiner Freundin bestand, hörte, aber… irgendwie hatte Adrian Winter den Eindruck, daß der blonde Rennfahrer mehr seine eigenen Interessen als die seiner Freundin im Auge hatte. Vielleicht tat sie ihm ja leid – aber sicher überlegte er auch, was es für ihn bedeutete, wenn Susanne wirklich eines Tages im Rollstuhl sitzen mußte.
»Welche Laus ist dir denn über die Leber gelaufen?« Dr. Julia Martensen, die Internistin der Kurfürsten-Klinik, kam gerade aus einem Krankenzimmer und sah Adrian forschend an.
»Ach, es gibt Probleme, die sich nicht so einfach lösen lassen«, erwiderte der Chirurg. »Und du weißt ja, daß mir so was ganz und gar nicht behagt.«
»Wem behagen schon ungelöste Probleme«, erwiderte die Ärztin lächelnd. »Aber wenn es dir hilft, dann sprich mit mir darüber, vielleicht kann ich was für dich tun.«
»Ja, vielleicht…« Adrian nickte. »Kommst du mit in die Kantine? Ich habe seit dem Frühstück nichts mehr gegessen und wahnsinnigen Hunger.«
»Dann stärke dich mal. Und während du ißt, erzählst du mir von deinem Problem.«
»Es ist nur indirekt mein Problem«, erwiderte Dr. Winter. »Ich befürchte aber, daß meine neue Patientin schon bald vor einem Berg von Problemen stehen wird. Und ich wünschte, ich könnte ihr wenigstens bei der Bewältigung der medizinischen Sorgen helfen.«
Doch noch während er das sagte, wurde ihm klar, daß dies reinstes Wunschdenken war. Susanne Burgmers Fall war einer der schwersten, mit denen Dr. Winter in den letzten Monaten in Berührung gekommen war.
*
Es war dunkel, als Susanne zum ersten Mal erwachte. Sie sah sich verwirrt um, konnte aber nicht sofort ausmachen, wo sie sich befand. Erst als sie die weiße Bettwäsche sah, den kleinen Waschtisch in der Ecke und den schmalen Resopaltisch an der Längsseite des Raums, an dem zwei Stühle standen, dämmerte ihr, daß sie sich wohl in einem Krankenhaus befand.
Sie versuchte, sich zu bewegen, sie wollte sich aufrichten, um alles besser überblicken zu können, doch das war ihr einfach nicht möglich. Sie lag wie in einem Korsett eingeschnürt.
Panik erfaßte die junge Frau, und sie wollte schon laut losschreien, als sich die Tür öffnete und eine Schwester erschien.
»Schön, daß Sie wach sind, Frau Burgmer.« Die Pflegerin, deren dunkles Haar zu einem aparten Pagenkopf geschnitten war, trat näher. »Ich bin Oberschwester Walli.« Sie nahm Susannes Hand und kontrollierte gewohnheitsmäßig den Puls. »Sie hatten einen Unfall, erinnern Sie sich?«
Susanne zögerte kurz, dann nickte sie. »Ja, Jonas und ich sind auf eine Kreuzung gefahren, und dann kam…« Sie brach ab, ihre Augen weiteten sich in der Erinnerung an diese furchtbaren Sekunden. »Was ist mit Jonas?« fragte sie dann.
»Er ist nur leicht verletzt worden und konnte nach ambulanter Behandlung schon wieder entlassen werden.«
»Gut.« Susanne schloß kurz die Augen, dann sah sie die Schwester wieder forschend an. »Und ich? Was ist mit mir? Ich kann mich überhaupt nicht bewegen!«
Schwester Walli legte ihr tröstend die Hand auf den Arm. »Keine Sorge, das wird alles wieder. Aber wir vermuten, daß Sie sich bei dem Unfall das Rückgrat ein wenig geprellt haben, deshalb hat unser Chefarzt Sie in ein Gipsbett gelegt. So können Sie sich nicht bewegen, es kann nichts passieren, das den Heilungsprozeß gefährden könnte.«
»Es ist also nichts Schlimmes?«
Walli zögerte, dann erwiderte sie: »Ich kann Ihnen nichts Genaues sagen, Frau Burgmer, dazu bin ich auch gar nicht berechtigt. Aber ich bin sicher, daß Dr. Winter – das ist unser Chef – Sie gleich zur Visite besuchen wird. Er kann Ihnen dann genauere Auskünfte geben.«
Zum Glück ließ sich die Patientin damit erst einmal beschwichtigen. Walli half ihr, einen Schluck Wasser zu trinken, dann fielen Susanne die Augen wieder zu. Das beruhigende und schmerzstillende Mittel, das man ihr zusammen mit der Infusion verabreichte, tat seine Wirkung.
Schwester Walli sah mitleidig auf die attraktive junge Frau nieder. Sie war so schön, das ebenmäßige Gesicht glich dem der jungen Catherine Deneuve, und die dichten dunklen Augenwimpern warfen lange Schatten auf die jetzt viel zu blassen Wangen.
Walli konnte sich vorstellen, daß die junge Frau viele Verehrer gehabt hatte, denn sie war einfach wunderschön. Doch jetzt… wie würde das in Zukunft sein? Wer würde sich um sie bemühen, wenn sie wirklich im Rollstuhl sitzen mußte? Der Schwester fiel ein, daß sie gehört hatte, ein berühmter Rennfahrer hätte am Steuer des Unfallwagens gesessen. Ob er Susanne Burgmers Freund war? Ob er auch jetzt, da so schwere Zeiten auf die Kranke zukamen, zu ihr stehen