Daphne Niko

DER FEUERVOGEL


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es mit einer Vision zu tun?«

      Nakai bedachte ihn mit einem stechenden Blick. »Wie kommst du denn darauf?«

      Daniel begriff seinen Fehltritt. Außer durchs Lauschen hatte er keine Möglichkeit, die Information zu kennen, die Phoebe ausschließlich Nakai anvertraut hatte. Er überspielte es mit einem Trick. »Geraten. Phoebe hatte schon früher Visionen. Es ist eine Narbe aus ihrer Vergangenheit. Ich versuche nur, ihr zu helfen, das ist alles.«

      »Hör mal, Phoebe und ich sind gute Freunde. Sie redet mit mir, weil sie weiß, dass ich ihre Geheimnisse für mich behalte.« Er trank die Teedose aus und stand auf. »Ich will nicht mehr darüber sprechen. Wenn du was wissen willst, frag sie.«

      Daniel sah zu, wie Nakai davonging. Sein Schritt war überaus selbstsicher, als würde er irgendwas kompensieren. War er Phoebe gegenüber wirklich loyal oder war das ein Vorwand? Daniel spürte, dass mehr hinter dem jungen Navajo steckte, als sie wussten – und es könnte Ärger bedeuten.

      Kapitel 7

      Sarah studierte die Stempelung auf dem Holzfragment und versuchte, aus ihr schlau zu werden. Ein Großteil der Abdrücke war verblasst, sodass nur wahllose Spuren zurückblieben, die sich weigerten, sich in ein zusammenhängendes Ganzes zu fügen. Sie zeichnete die Formen auf einen Block und kritzelte Notizen daneben. Es schien alles so willkürlich, vielleicht die Folge von Schlafmangel oder Ablenkung. Sie schob den Zeichenblock in die Tasche ihrer Fleecejacke und ging frustriert auf und ab.

      Die Tür öffnete sich einen Spalt und Daniel stand auf der Schwelle. Der Himmel hinter ihm hatte sich tiefblau gefärbt.

      »Du weißt schon, dass du ein ziemlich leichtes Ziel wärst, wenn es jemand auf dich abgesehen hätte?«, sagte er.

      »Mach bloß keine Witze über so was.« Sie nahm einen Schluck Kaffee, verzog das Gesicht über die Flüssigkeit, von der sie nicht erwartet hatte, dass sie so kalt und bitter wäre. »Wie ist es mit Nakai gelaufen?«

      »Nicht gut. Er war nicht gerade mitteilsam. Hat einen auf treuer Freund gemacht.«

      »Konntest du gar nichts aus ihm rausbringen?«

      »Vielleicht schon. Als ich die Vision erwähnt hab, hat mich seine Antwort davon überzeugt, dass das alles war, worum es im Gespräch mit dem Hopi ging.«

      »Natürlich hat er das nicht weiter ausgeführt.«

      »Nein. Er hat gesagt, Phoebe vertraut ihm, weil er ihre Geheimnisse nicht ausplaudert.«

      »Ich weiß nicht, welches Netz Nakai gesponnen hat, damit sie sich ihm anvertraut. Er ist ein meisterlicher Manipulator.«

      »Ich fange an, deinen Standpunkt ihm gegenüber zu verstehen. Er war ziemlich ausweichend, als ich ihn nach seinem Cousin fragte. Ich erkenne einen Mann, der etwas verheimlichen will, wenn ich ihn sehe.«

      Sarah konnte das Gespräch mit Phoebe nicht weiter auf die lange Bank schieben. Der Konflikt zwischen ihnen hatte sie zu fahrig werden lassen, um zu arbeiten, zu angespannt, um zu schlafen. Sie musste die Sache richtigstellen – wenn auch nur für ihren eigenen Seelenfrieden.

      »Ich schätze, ich sollte mit ihr reden – bevor er es tut.«

      »Klingt nach einem Plan«, sagte er. »Lass dich nicht verunsichern, falls sie noch sauer ist. Bleib aufgeschlossen und ruhig. Und was immer du tust, schimpfe bloß nicht über Nakai. Sie glaubt, dass er übers Wasser gehen kann.«

      Sie zwang sich zu einem Lächeln. »Das ist ein guter Rat. Danke, Danny.«

      »Komm. Ich begleite dich rüber.«

      Die Wolken, die den blaugrauen Mond bedeckten, warfen einen magischen Glanz über das Ödland und die fünf Hogan, in denen das Expeditionsteam untergebracht war. Der erste Hogan auf dem Weg war Phoebes.

      Seltsamerweise zitterte die Flamme der Kerosinlampe im Eingang.

      »Ich lass dich jetzt allein«, sagte Daniel. »Denk dran, cool bleiben.«

      »Danny, warte. Da stimmt was nicht.«

      »Was meinst du?«

      »Die Tür ist offen. Das sieht Phoebe nicht ähnlich. Normalerweise hält sie alles verriegelt und dunkel.«

      »Vielleicht macht sie einen Spaziergang.«

      »Um diese Zeit?«

      »Alles ist möglich. Schauen wir mal nach.«

      Sarah stand im Eingang und rief nach Phoebe. Als sie keine Antwort erhielt, trat sie ein. Das Bett war zerwühlt. Ihre Kleider, die sonst an einem Ständer beim Waschtisch hingen, waren größtenteils fort und ihre Reisetasche fehlte.

      Sarah hob eine Hand zum Mund.

      »Wir sollten keine voreiligen Schlüsse ziehen«, sagte Daniel. »Sieh dich weiter hier drinnen um. Ich überprüfe die Umgebung.«

      Sarah suchte jeden Zentimeter nach Anzeichen von Fremdeinwirkung ab. Nichts deutete auf einen Kampf hin, doch die Unordnung, welche Phoebe hasste, verwies auf einen schnellen Abgang. Und das Fehlen von Reisetasche und Kleidern bekundete Absicht. Ihr Blut gefror, als sie die reale Möglichkeit in Betracht zog, dass Phoebe weggelaufen war.

      »Sarah!«

      Daniels dringlicher Ton ließ sie nach draußen rennen. Sie folgte dem Strahl seiner Taschenlampe zu einem Paar roter Lichter, die auf der unbefestigten Straße, die zum Camp führte, auf und ab hüpften.

      »Los«, rief sie, und die beiden hetzten über die rote Erde.

      Der Jeep war am anderen Ende des Geländes geparkt. Sie erreichten ihn atemlos und kletterten hinein, wobei Daniel den Fahrersitz beanspruchte. Der Schlüssel steckte im Zündschloss, wie immer. Er drehte den Schlüssel wieder und wieder um, doch der Motor startete nicht.

      »Verdammt.« Er schlug mit der offenen Hand aufs Lenkrad. Er verließ die Kabine und öffnete die Motorhaube. Während Sarah ein Licht auf den Motor richtete, überprüfte er den Verteiler. »Die Kabelverbindung ist getrennt.«

      Er fummelte an der Verkabelung herum. Er brauchte weniger als eine Minute, um sie zu reparieren und den Platz hinter dem Lenkrad wieder einzunehmen, aber wertvolle Zeit waren verloren.

      Der Motor erwachte mit einem Brummen zum Leben. Daniel trat aufs Gas und die schweren Reifen des Jeeps kreischten über den Kiessand. Es war zu spät. Bis sie die offene Straße erreicht haben würden, gäbe es keine Spur des anderen Fahrzeugs mehr; nur eine Asphaltschleife, die sich durch ein leeres Stück Hinterland zog. Daniel drückte sich in den Sitz und stieß hörbar den Atem aus.

      Die Erkenntnis traf Sarah wie eine Abrissbirne. Phoebe war fort. Die Frage war nur, ob sie entführt wurde oder freiwillig gegangen war. Es gab nur einen Mensch, der die Antwort darauf kannte.

      Kapitel 8

      Phoebe saß gegen das Fenster gelehnt da und starrte die dunkle Landschaft an, die vorbeirauschte: auf einer Seite ein steiler Abhang, auf der anderen eine kantige Felswand, die über der zweispurigen Straße wie ein Oger aufragte. Nachdem sie eine Stunde lang gefahren waren, zweifelte sie daran, dass sie die richtige Entscheidung getroffen hatte.

      Das Knacken einer Verschlusslasche, das Zischen von Kohlensäure. Sie warf einen Blick zum Fahrer.

      Er schlürfte, dann fragte er: »Orangenlimo?«

      Sie schüttelte den Kopf. »Wie lange noch?«

      »Noch ungefähr eine Stunde.« Er lachte und seine runden, glänzenden Augen verschwanden unter fleischigen Lidern. »Kannst es kaum abwarten, dort anzukommen, was?«

      Dort war Nakais Haus in Black Mesa. Er hatte ihr einen Zufluchtsort versprochen, so lange sie mochte. Nach ihrem letzten Gespräch hatte sie das Angebot sofort bereitwillig angenommen. Sie wollte im Schutz der Nacht verschwinden, damit Sarah und Daniel ihre Abwesenheit