Egyd Gstattner

Hansi Hinterseer rettet die Welt


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öffentlichen Bereichen, in Schulen, Krankenhäusern, selbst in Sport, Wissenschaft, Kunst – und vor allen anderen in Rundfunk und Fernsehen. Da ist die lückenlose parteipolitische Durchdringung doppelt schlimm (effektiv).

      Während es keinen dramatischen Unterschied gibt, ob man ein Autowrack rot oder schwarz – sozialdemokratisch, bürgerlich, christlich, neoliberal, reaktionär etc. – abschleppt, einen Kranken rot, schwarz oder blau operiert (naja: blau besser nicht!), während man Holly woodsoaps schwer so oder so senden kann, macht es bedeutende Unterschiede, ob man Wirklichkeit und Wahrheit rot, schwarz, rotschwarz, schwarzblau, rotgrün in den Äther schickt und übers Volk schüttet. Andere Wahrheiten sind dem Menschen in Österreich scheinbar nicht zumutbar!

      Misstraue Nachrichtenformaten, Seher! Misstraue Dokumentationen und Hintergrundformaten! Objektivität, Unabhängigkeit: Mythen der Moderne! Hörer, denke bei diesen großen Worten stets daran: Auch die sind nur das Geschwätz von Parteisoldaten, die anders gar nicht in ihre Position und auf ihren Posten gekommen wären! Sollte sich dieses Land jemals aus der Geiselhaft der Parteiendiktatur befreien, wird vom ORF nichts übrig bleiben.

      Nächste Woche studieren wir MMM (Machtinstrument, Manipulation, Mauschelei).

       Übermensch

      Als ich unlängst auf die Straße trat, tippte mir ein seltsames Wesen auf die Schulter: Von den Zehenspitzen bis zum Halsansatz offenbar ein Mensch, aber statt des Kopfes saß ein Fernsehgerät am Hals. Der Übermensch!, dachte ich erschrocken. Nietzsche hat ihn aber anders beschrieben!

      Sein Bildschirm war finster, abgesehen von den Zickzacklinien des Elektrokardiogramms, die hektisch zu zittern begannen, als der Übermensch mich ansprach: »Dein Fernseher ist für dich da. Sei du auch da für ihn!« »Ecce Homo?«, fragte ich. »Nein, Gebühren Info Service! Aber du kannst GIS zu mir sagen!«

      »Sag einmal, GIS, warum um alles in der Welt soll ich für meinen Fernseher da sein?« Darauf hatte der Übermensch keine Antwort und überreichte mir stattdessen eine gelbe Blume. Jetzt wurde es mir zu bunt. Blumen brauche ich nicht, Humor habe ich nicht, also riss ich dem Scherzbold das Fernsehgerät vom Hals, um dem Übermenschen endlich von Aug zu Aug gegenüberzustehen. Aber wie entsetzlich war mein Erschrecken: Denn es kam kein Kopf und kein Gesicht und nicht einmal eine blutende Wunde zum Vorschein, sondern bloß ein paar abgerissene Kabel und Drähte. Das Wesen schrie auch nicht, es knisterte nur. Hatte ich einen Mord begangen? Oder bloß Sachbeschädigung? Ich sag mal: ein Fall für den Volksanwalt!

       GIS

      Gerade informierte das GIS meinen lieben Papa in einem Schreiben mit beiliegender Aufstellung über die Zusammensetzung seiner Rundfunkgebühren in allen Details. Weiters informiert das GIS meinen Papa, dass sich das ORF-Programmentgelt aufgrund einer Entscheidung des Stiftungsrats vom Dezember 2011 ab 1. Juni 2012 erhöht!

      Summa summarum hätte das GIS von Papa gern 48,59 Euro (für Papa: 668,6 öS), wovon der ORF 2/3 erhält, den Rest Bund und Länder. Mit der Landesabgabe finanzieren die Länder regionale kulturelle Aktivitäten (mich und meine künstlerische Tätigkeit z. B. seit vielen, vielen Jahren mit 0,00 Euro (0,00 öS)). Ausführliche Informationen erhält Papa außerdem im Internet oder unter der Service-Hotline. Mittels beiliegendem Erlagschein möge Papa die Gebühren bis spätestens 1.5.2012 (fett gedruckt) einzahlen.

      Ich fürchte, dass wird sich nicht ausgehen. Mein lieber Papa ist nämlich vor 14 Jahren gestorben. Als er die Welt verließ, gab es weder Euro noch Internet, jedenfalls nicht als Massenmedium. TV gab es. Es war nicht gut, aber besser.

      Trotzdem schön zu sehen, dass Papa auch nach seinem Ableben nicht vergessen und sein irdisches Wirken also nicht vergebens gewesen ist. Bisher hat Papa postum nur Post von Parteien im Wahlkampf bekommen. Jetzt lässt ihn auch die GIS auferstehen. Es wird schon ...

       Kinder

      Endlich wieder ein Themenschwerpunkt: Unsere Kinder! Zwischen »13« (»Liebe Kinder, warum furzen Heringe?«), »Kindermillionenshow« (100.000 Euro für den Knirps, der wusste, dass Österreich weder Monarchie noch Diktatur ist) und Kinder-»Was-gibt-es-Neues« eine »Einschaltung von öffentlichem Interesse«, eine »Initiative der AUVA für mehr Sicherheit«: »Baba und foll ned und schau auf di!« singt Wolfgang Ambros. Christoph Grissemanns Stimme kommt von »Wurzel 64« genialerweise auf »Gib Acht!« und verfällt dann ins Reimen: »Schulbedarf an falscher Stelle senkt die Schülerzahl sehr schnelle!« Das illustriert eine Zeichentrickfigur in der Schulklasse, die über eine Schultasche stolpert. Was für Probleme!

      Ich lebe in einer Stadt, die kollektiv unter Schock steht, weil ein neunjähriger Bub am Schulweg am Zebrastreifen von einem Lastwagen überfahren und getötet worden ist. Aus den Schlagzeilen heraus wird die schreckliche Tragödie bald wieder sein, aber sie ist nie wieder gutzumachen. Das Leid bleibt leider.

      Die Führung einer Gesellschaft, die für die Sicherheit von Leib und Leben ihrer Kinder nicht ausreichend zu sorgen weiß, muss sich die Frage gefallen lassen: Was kostet eine Sekunde Fernsehwerbung? Und was kostet eine Stunde Schülerlotsendienst? So viel zum Themenschwerpunkt Kinder.

       Tische

      Als heutiges Thema habe ich mir Tische gewählt. Denn Tische spielen im Fernsehen eine bedeutendere und geheimnisvollere Rolle, als man denkt. Da wäre einmal der ZIB-2-Tisch: Der größte und wuchtigste von allen, so lang, dass locker sechs bis sieben Personen an seiner Längsseite Platz hätten. Es sitzen aber nur der Moderator und allenfalls ein Gast dort – weit auseinander.

      Der Tisch ist völlig leer, abgesehen von einem Laptop, den der Moderator aber nie bedient. Nichts zu essen, nichts zu trinken. Keine Bücher, keine Akten oder Leitzordner, keine Hefte, kein Papier, kein Schreibzeug: kein Esstisch, kein Schreibtisch. Hier wird nicht gelebt, hier wird nicht gearbeitet, aber hier ist es wichtig. Neuerdings hat der ZIB-Tisch die Form eines Bumerangs: Der Grund müsste noch genauer erforscht werden.

      Der Tisch bei »Sport am Sonntag« ist kleiner und kompakter, und die Gegenüber-Sitzordnung gebiert eine Duellsituation zwischen Moderator und Gast. Immerhin ist Fußball nach wie vor die wichtigste Nebensache im Fußballstadion, und da kann es schon zu Auseinandersetzungen kommen. »Kreuz-und-quer«-Debatten müssen mit schmächtigen, niedrigen Glastischchen auskommen – Metaphysik ist auch so undurchsichtig genug. Und dann »Wie bitte?«. Völlig unwichtig, völlige Tischlosigkeit. Die Moderatorin schlägt gut sichtbar ein Bein über das andere. Hollarätuliööh! Den Anblick mag niemand unter den Tisch kehren!

       Report

      Nicht zum ersten Mal habe ich unlängst im »Report« eine Wortspende gegeben. Die paar Sekunden waren aber einem Interview entnommen, das sicher dreißig Minuten gedauert hat. In dem Beitrag kamen neben mir noch fünf andere Wortspender zu Wort. 60 Sekunden Sendung entsprechen also etwa drei Stunden oder 3600 Sekunden Material, von dem 3540 Sekunden nicht gesendet werden.

      Das ist ganz normal und üblich. Sendete man alles, was man gedreht und aufgenommen hat, dauerte so ein »Report« pro Folge locker 24 Stunden. Aber jeder einzelne Wortspender, der sich gesehen und gehört hat, mag sich umgekehrt denken: Ja, was ich gesagt habe, habe ich gesagt. Aber ich habe noch viel mehr gesagt: Vor dem gesendeten Gliedsatz kam ein nicht gesendeter Hauptsatz, der alles nuanciert und relativiert hätte! Und wer weiß, was die Wortspendekollegen außer dem, was sie gesagt haben, noch gesagt haben. Und es gab in der Sendung auch noch andere Beiträge ...

      Die Wahrheit hat der »Report« schon gesagt – aber nicht die ganze Wahrheit. Wenn der Löwenanteil nicht gesendet, nur ein Bruchteil gesendet wird, bleibt als Ergebnis und Kernaussage eines Beitrags das, was Redakteur und Redaktionskonferenz schon vor Drehbeginn im Kopf hatten. Und das sollte der Seher immer mitbedenken.