Egyd Gstattner

Hansi Hinterseer rettet die Welt


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Dank der Fünf-Sterne-Jahrhundertsaga weiß ich jetzt endlich wirklich, wie es vor dem Ersten Weltkrieg war!

      Großes Kino (wenn auch bloß im TV)! Thomas Mann! Tolstoi! Bockelmann! Buddenbrooks. Krieg und Frieden. Aber bitte mit Sahne. Man kann die Gesamtwirkung und die Aura eines deutschen Schlagerstars in ihrem ganzen Umfang erst ermessen, wenn man das Schicksal seines Großvaters in den Wirren des Ersten Weltkriegs kennt – und die Wirrungen des Vaters im Zweiten. So erhellt sich auch sein eigenes Heldendrama, sich gegen den Schrott der Plattenfirmen zu wehren (z. B. »Roter Wein aus Portofino«) und musikalisch das durchzusetzen, was er selbst ist und eine ganze Generation und Nation bewegt (z. B. »Merci Chérie«, »Siebzehn Jahr, blondes Haar«, »Was ich sagen will, sagt mein Klavier« ...). Naja.

      Interessieren würde mich jetzt schon: Was hat der Großvater von Freddy Quinn gemacht? Was der Großvater von Karel Gott? Was die Großväter von Lordi und Ruslana? Was die Großväter von Roberto Blanco und Mireille Mathieu?

       Bildung

      Nicht Animosität, nicht Aversion, nur das Unwidersprochene zieht mich hinan. Und es war eben wieder einmal Udo Jürgens, der in einem Interview gesagt hat: »Mein Publikum ist durch die Bank nicht ungebildet!« Der andächtige Journalist ist nickend zur nächsten Frage übergegangen. Ich hätte sofort zurückgefragt: Woher wissen Sie denn das? Gibt’s an der Kassa Eignungsprüfungen? Muss man sein Maturazeugnis mitbringen? Ui, dann müssten aber einige Politiker, die sich als Ihre Fans deklarieren, leider draußen bleiben ... Wird man, bevor man zu Ihrem Konzert darf, nicht bloß von Security-Leuten, sondern auch von einem Security-Philosophen perlustriert?

      Oder war Ihr Statement einfach eine »captatio benevolentiae?« (Übrigens: Weiß Ihr Publikum, was das heißt?) Ist Latein noch zeitgemäß und was halten Sie von der Zentralmatura? Von Multiple-Choice-Test-Bildung? Ist das normierte Kreuzerlmachen nicht gleichzeitig Ende des Alphabetismus und Anfang des Analphabetismus? Ach ja! Der Vorhang zu und alle Fragen offen. (Weiß Ihr Publikum übrigens, von wem das ist?)

      Wenn ich so indiskret sein darf: Mein Publikum war in »Deutsch« nie schlechter als »Befriedigend« – außer der Professor ist ihm aufgesessen. Dann lautete die Parole: »Widerstand!«

      Das führt uns, Herr Prof. h. c., zur zentralen Frage: »Was ist Bildung? Ist Bildung nicht das, was übrig bleibt, wenn alles andere vergessen ist?«

       Wetten, dass ...?

      »Wetten, dass ...?«, die Wärmestube alternder deutscher Tennisspieler, war wieder am Programm. Das Format stammt aus einer Zeit, als das Wort Format eine Bedeutung hatte, die heute weitgehend in Vergessenheit geraten ist.

      Die Sendung begleitet schon drei Generationen durchs Leben: Meine Eltern kannten sie. Ich kenne sie. Meine Kinder kennen sie. Immer war der Fernseher eingeschaltet. Aber interessanterweise hat nie jemand zugeschaut: Der Vater legte Patiencen. Die Mutter studierte Kochbücher. Ich beschäftigte mich mit meiner Freundin oder meiner späteren Frau. Die Tochter spielt mit ihren Barbiepuppen oder Nintendo und erschafft irgendwelche virtuelle Kreaturen, hauptsächlich natürlich next Topmodels. Wirklich auf den Bildschirm schauen nur unsere beiden Kaninchen.

      Der Fernseher läuft einfach, weil er zur Familie gehört, und weil es unhöflich wäre, ihn auszuschalten. Aber ich bin so ignorant, dass ich kein Interesse für das Privatleben deutscher Wimbledonsieger von 19irgend was habe. Könnte der ORF nicht wenigstens während des elendiglichen Beckersmalltalks ausblenden und etwas Eigenes senden? Meinetwegen das Testbild! Ich habe es satt, ein Nebenmarkt zu sein!

      Bei der letzten Ausgabe gab es übrigens noch einen schweren Fehler! Ist er Ihnen aufgefallen? Ohne einsichtigen Grund gab es keinen Auftritt von Peter Maffay.

       Gottschalk!

      Kaum ist der griechische Premier zurückgetreten, gibt es auch schon einen neuen. In Italien geht’s ebenso. Sogar ein ÖVP-Obmann lässt sich im Fall der Fälle über Nacht austauschen. Wirklich schwer zu ersetzen aber ist ganz ein anderer, und seit einem Jahr hat die westliche Welt kaum noch ein anderes Thema: Wer wird der neue »Wetten, dass ...?«-Moderator?

      Das Anforderungsprofil ist heikel: Der Smalltalkaholic muss mit Schauspielerinnen, Modeschöpfern, Models und Fußballern über nichts und wieder nichts plaudern können, Wettangebote vorlesen, die ihn selbst am allerwenigsten interessieren, und die Musik seiner Enkel ansagen. Außerdem jede Sendung ein paar Augenblicke schweizerln und nasal wienerln und nuscheln wie Hans Moser.

      So ein Mann ist schwer zu finden. Manche meinen, man sollte »Wetten, dass ...?« einstellen. Manche plädieren dafür, das ganze ZDF zuzusperren oder das Fernsehen schlechthin rückgängig zu machen. Wenn schon Lagerfeuer, dann richtig. Ich denke, Gottschalk lässt sich überhaupt nur durch Gottschalk ersetzen, das heißt, durch ein Gottschalk-Double. Man sollte in Deutschland einen Gottschalk-Imitationswettbewerb veranstalten, wie es die Elvis-Fans in den USA praktizieren: Germany’s next Top-Gottschalk. Apropos: Hans Moser selbst wurde bei einem Hans-Moser-Ähnlichkeitswettbewerb einmal Dritter ...

       Nichts am Freitag

      Mein bester Freund ist weg! Einfach abgehauen. Einfach so. Er heißt Michael Niavarani. Ich habe ihn nie persönlich kennen gelernt – aber wer kennt in Zeiten wie unseren seinen besten Freund schon persönlich? Man muss schon froh sein, wenn man überhaupt einen hat! Seine Feinde bekommt man ja auch nicht mehr zu Gesicht. Die sitzen unsichtbar irgendwo in irgendwelchen Kuben aus Glas, Chrom und Stahl, hecken irgendwelche Gemeinheiten aus, intrigieren einen ins Abseits und mobben einen ins Out. Der Vorteil, wenn man seine Freunde nicht kennt, ist, dass man nicht mit ihnen streiten kann. Daran zerbrechen ja die meisten Freundschaften. Niavarani (wir sind per Sie) war sehr beschäftigt. Viel Zeit hatte er nie für mich. Aber am Freitagabend immer. Wir hatten viel Spaß miteinander. Er hat mich gelehrt, jedes Phänomen zwischen Himmel und Erde dahingehend zu überprüfen, ob es als Ding der Woche taugt. Er hat mich gelehrt, dass man sich von einem Peter-Alexander-Imitator wegen seiner Nutellasucht aufziehen lassen kann, ohne gleich auszuzucken. Menschlich sehr berührend. Und zum »Traumschiff« hat er »Bettnässer« assoziiert, der König der Kalauer! Was haben wir gelacht! Und letzten Freitag steht er einfach auf und sagt: »So. Sommerpause. In zwei Monaten sehen wir uns wieder!« Ja, darf man das als bester Freund? Ich bin entsetzt. Jetzt stehe ich vor dem Nichts. Zumindest am Freitag.

       Büchergutschein

      Es gibt Freitage, an denen auch die österreichische Paradekabarettformation, die Hektiker, vor halbleeren Sälen auftritt. Konnte das Publikum ahnen, dass 38 Euro Eintritt zu teuer sind für zehn Jahre alte, in Routine erstarrte Gags, Sketches und Parodien, die man schon vor Äonen im Fernsehen konsumieren konnte? Nein. War die Generalprobe des Musikantenstadls eine zu große Konkurrenz? Wohl kaum. Andere Zielgruppe. Viktor Gernot und Florian Scheuba waren eine übermächtige Konkurrenz für sich selbst. Denn während sie sich live zum x-ten Mal wiederholten, waren sie gleichzeitig, wenn auch aufgezeichnet, im Fernsehen bei »Was gibt es Neues?« neu und spritzig und witzig: Ein neuer Beleg für die alte These, dass das Fernsehen nicht nur viel, viel billiger, sondern auch viel, viel besser als die Wirklichkeit ist. Man ist stets enttäuscht, wenn man Menschen kennen lernt, die man nur aus dem Fernsehen kannte: Sie sind in Wirklichkeit kleiner und dicker, älter und langweiliger, von den Hautunreinheiten einmal ganz abgesehen.

      »Was gibt es Neues?« jedenfalls halte ich für eines der ganz wenigen wirklich gelungenen Formate im ORF: Es war auch schon alt, musste nicht eigens herbeireformiert werden. Und Kultstatus hat die Sendung für mich schon, weil es 300-Euro-Büchergutscheine zu gewinnen gibt. Sensationell! Wo findet man das sonst noch?

       »Hurenkind«

      Eines der großen Ziele meines Lebens