Ludwig Ganghofer

Die schönsten Heimatromane von Ludwig Ganghofer


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Kunde wie Feuer durch alle Köpfe fliegt und alle Herzen gruseln macht. Suche dir einen klugen Menschen, der gelegentlich die unterirdischen Hallen des Berges offen sieht. Das müßte an einem hohen Kirchenfest geschehen, wenn viele Menschen beisammen sind, am Ostertag oder an Pfingsten, wenn der Heilige Geist die frommen Seelen erleuchtet.« So plauderte Herr Friedrich in Spott. Wernherus war ernst geworden. Er lauschte, und den Propst unterbrechend, sagte er zu dem dienenden Bruder: »Was du hörst, soll nicht über deine Zunge kommen. Ich befehle dir Schweigen bei deinem klösterlichen Eid.«

      Erheitert lachte der Propst. »Schlägt mein Gedanke schon Wurzel in deiner weitblickenden Seele? Aber du mußt dir helfen lassen vom buckligen Isengrimm. Der hat Phantasie wie alle Krüppel. Und dem Mann, der das Wunder erleben soll, muß einen schweren Kummer haben. Vielleicht konnte er die Steuer nicht bezahlen und flüchtet, gehetzt von deinem wohlwollenden Medardus, auf den Untersberg. Da begegnet ihm ein freundlicher Mönch, dem Frömmigkeit und ein gutes Herz aus den blauen Augen schauen. Solche Mönche hat es einmal gegeben. Ich hoffe, es kommt eine Zeit, in der sie wieder gedeihen. Und der gute Mönch fragt deinen Mann um seinen Kummer. Dann kann er mit dem Kreuz an den Felsen schlagen, es öffnet sich der Berg, und sie steigen hinunter in goldene Kammern, in denen Edelsteine als Mond und Sterne leuchten. An steinernem Tische sitzt der Kaiser, umgeben von tausend Fürsten und Rittern. Sein roter Bart ist um den Tisch gewachsen. Dem Kaiser gib zwei traurige Augen ins Gesicht. Der alte Wute hat nur eins, mit zweien hätte er auf Erden der bösen Dinge zu viel gesehen. Und statt des Schlapphutes gib ihm die deutsche Krone!«

      »Und Tauben anstatt der Raben.«

      »Nein! Seine Raben laß ihm! Die mag das Volk sich deuten nach seinem Geschmack. ›Noch immer fliegen die Raben!‹ Das bleibt im Ohr. Und weil sie noch fliegen, drum müssen die Augen des Kaisers traurig schauen. Er sieht, wie wir hausen im Land.«

      Wernherus furchte die Stirn. »Das ist übler Spott.«

      »Nein, du Treuer! So mußt du den Kaiser reden lassen! Wenn er redet wie deine Kapläne, glauben unsere Bauern die schöne Geschichte nicht. Laß ihn schelten auf das Kloster! Je mehr, so besser! Laß ihn reden von guter Zeit, die kommen wird, wenn er mit seinen tausend Rittern einmal hervorsteigt aus dem Berg. Dann wird er allen deutschen Christen das Glück bringen, wird alle Fronboten, Vögte, Zinsmeister und Dekane kürzer machen um einen Kopf, wird steuerfreie Lehen verteilen, wird auf dem Walserfeld seinen goldenen Friedensschild an den Birnbaum hängen und aus den Steinen der gebrochenen Klöster fromme Kirchen bauen, in denen ein Gott der Liebe wohnt!«

      »Ihr redet, als wäret Ihr Eurem eigenen Märlein der erste Gläubige!«

      »Ich wollte, es wäre so! Dann wäre ich auch der erste, der sich getröstet fühlt.« Herr Friedrich schlüpfte in den Hausrock, den ihm der Bruder Kämmerer hinhielt, schmiegte sich in den Sessel und streckte die Beine. »Machst du die Sache klug, so hast du den doppelten Gewinn: einen für dein frommes Gemüt, denn du hängst ein christliches Mäntelchen um ein altes Stück Heidentum – und einen als Dekan des Stiftes, denn die Bauern, wenn sie gute Zeit erhoffen, werden deine gnädige Rute und das Wohlwollen deines Zinsmeisters geduldiger ertragen.«

      »Euer Einfall könnte nützlich werden.« Die Augen des Wernherus funkelten. »Nur eine Frage noch. Wenn der gebannte Kaiser von den überflüssigen Köpfen der Dekane spricht, soll er da nicht auch von den Pröpsten reden?«

      »Das halte, wie du magst!« Lächelnd hüllte sich der Propst in den linden Pelz seines Hausrockes. »Weshalb die Ungeduld, mit der du mich erwartet hast? Was hältst du da in der Hand?«

      Wernherus wandte sich an den dienenden Bruder. »Entferne dich! Doch lege zuvor noch ein paar schwere Klötze ins Feuer! Herr Friedrich friert soviel in der letzten Zeit.«

      »Da hast du recht! Mir ist kalt geworden an Leib und Seele.«

      »In Eurem Alter ein bedenkliches Zeichen. Ihr solltet den Medikus zu Rate ziehen.«

      In der Kaminhöhle krachte das Holz, das der Bruder Kämmerer über die glühenden Kohlen häufte. Schweigen war in der Stube, bis der junge Mönch die Tür hinter sich geschlossen hatte.

      »Nun? Dein Geschäft?«

      Wernherus, das Pergament entfaltend, trat näher zum Sessel des Propstes. »Eine Botschaft kam.«

      »Wer schickte sie?«

      »Der kaiserliche Viztum in Franken. Was er meldet, könnte für unser Stift eine kostbare Nachricht sein. Reicher Besitz, eine starke Burg mit Dörfern und Höfen, mit Forsten und Feldern, könnte an das Kloster fallen.«

      »Könnte? Mach daraus ein ›wird‹!«

      »Da ist ein Hindernis.«

      »Ein unüberwindliches?«

      »Nein.«

      »So räum es beiseite!«

      »Das will ich. Gebt Ihr zu allem Notwendigen Eure Zustimmung?«

      »Wenn nichts geschieht, was gegen ein Recht des Kaisers und meines Vetters in Bayern ist.«

      Wernherus lächelte. »Nein, Herr! Aber wollt Ihr die Botschaft nicht lesen?« Gelangweilt machte der Propst eine Bewegung mit der Hand. »Auf solche Dinge verstehst du dich besser.«

      »Es könnte sein, daß diese Botschaft Eurem Herzen eine Freude bringt.«

      Herr Friedrich sah in Zorn zu Wernherus auf. »Wenn es so wär, hättest du mir die Botschaft verschwiegen. Wir beide wollen nicht gaukeln. Ich und du, wir kennen uns. Gib her!« Kaum hatte der Propst zu lesen begonnen, da glitt ihm ein erstickter Laut des Schreckens über die Lippen. Der Inhalt des Blattes erregte ihn so sehr, daß ihm die Hände zitterten. Es war die Nachricht, daß Graf Walter von Immhof, der Herr der Immenburg, auf der Jagd von einem Bauern erschlagen wurde. Erschüttert ließ der Propst die Hände mit dem Pergament in den Schoß sinken. »Der Tod des Bruders wäre das Leben des anderen gewesen! Macht, Besitz, Tat und Freude, ein schönes, lachendes Erdenglück! Und alles begraben in schwarzer Mauer!«

      »Eine Mauer kann fallen.«

      Herr Friedrich blickte auf, als hätte er nicht verstanden.

      »Graf Walter war unvermählt, sein Erbe ist der jüngere Bruder.« Wernherus sprach mit trockener Ruhe. »Nach dem Erbrecht kann der Chorherr Irimbert von Immhof als Diener Gottes von seinem Erbe für sich selbst nicht Besitz ergreifen. Doch steht ihm das Recht zu, frei über sein Erbe zu verfügen. Er kann es an einen Blutsverwandten seines Hauses geben, an seinen Vetter Wolfgang von Immhof. Oder an das Kloster. Und er hätte wohl Ursach, dankbar gegen unser Stift zu sein, wenn wir ihm die Freiheit wiedergeben, die er verlor, und das Leben, das er durch schwere Sünde verwirkte. Meint Ihr nicht auch, Herr Friedrich?«

      Der Propst war erschrocken aufgesprungen. »Nein! Das ist übler Handel. Ich will nichts wissen davon. Er war mir lieb, ich hätte meine linke Hand dafür gegeben, um ihn zu retten. Aber jetzt? Er hat Gott gelästert, ich habe nicht den Mut, das Gesetz zu biegen. Das wag ich nicht um einen Wald und einen Acker.«

      »Sagt: um eine feste Burg, um Mannen und Bauern, um Höfe und Dörfer! Habt Ihr den Mut nicht, unserem Stifte solchen Besitz zu gewinnen, so will ich es wagen.« Wernherus lächelte. »Ich weiß, daß ich im Sinne Gottes handle. Was wir gewinnen, soll dem Wohl der Kirche dienen und wird ihr nützlicher sein als das Leben eines Narren.«

      Herr Friedrich trat mit blitzenden Augen vor Wernherus hin. »Jetzt? Da er nach vier entsetzlichen Monden in der Nacht seiner Mauer gebrochen sein muß an Geist und Körper? Jetzt, da ihn dein Ehrgeiz nimmer zu fürchten braucht? Jetzt willst du aus seinem zerstörten Leben noch einen Vorteil pressen?«

      »Das will ich.«

      Der Propst wich zurück, als ginge von dem eisigen Lächeln des Wernherus eine Kälte aus, die ihn schauern machte. »Tue, was dir gut dünkt, zur Ehre Gottes! Gelingt es dir, so will ich mich freuen, um dieses Ärmsten willen, dem das Leben wiedergegeben ist. Ich fürchte nur, deine Rechnung hat einen Fehler. Das Gesetz zu brechen und offen wider Gott zu stehen? Da wird sich mancher besinnen, dessen Stimme gehorsam in deiner Hand war, als du es versuchen wolltest, mir