Ludwig Ganghofer

Die schönsten Heimatromane von Ludwig Ganghofer


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is denn?«

      Es handle sich um eine »freudige Überraschung« für Seine Durchlaucht, erklärte Martin. Eine hohe Dame, natürlich eine nahe Anverwandte des Herrn Fürsten, käme nächster Tage zu Besuch ins Jagdhaus – wann, das wäre noch nicht genau bestimmt –, aber um Seiner Durchlaucht die »ungeahnte Freude« nicht zu verderben, müsse die Sache so geheim wie möglich gehalten werden. Vor allem müsse für den hohen Besuch das Grafenstüberl entsprechend eingerichtet werden, und da hätte er nun soeben von Innsbruck die Mitteilung erhalten, daß der Wagen mit dem Mobiliar und der Dekorateur mit seinen Gehilfen schon am nächsten Abend eintreffen würden. Und da müsse nun um jeden Preis ein Mittel gefunden werden, um die Durchlaucht für zwei Tage vom Jagdhaus zu entfernen – zwei Tage wären zur »Adaptierung« des Zimmers unumgänglich notwendig.

      Der Förster, der sich ehrlich freute, bei einer angenehmen Überraschung für seinen Herrn mithelfen zu dürfen, brauchte nicht lang zu überlegen. Die Sache wäre leicht zu machen: man müsse dem Herrn Fürsten zureden, einen längeren Jagdausflug zu unternehmen, vielleicht zum Sebensee. »Denn wissen S', der Sebensee, der gfallt ihm. Dös hab ich schon gmerkt. Morgen um Mittag kann er mit'm Pepperl abmarschieren, in der Sebenwaldhütten bleibt er über Nacht – dös Hütterl is gut im Stand –, am ersten Tag macht er an Pirschgang übern Sebensee nauf, und für den zweiten Tag verarranschier ich a netts Treibjagderl. Dös macht ihm Freud. Da geht er.«

      Mit Eifer nahm der Förster auch gleich die »Verarranschierung« in Angriff und schickte durch den Postboten die Nachricht an die Leutascher Jäger, binnen zwei Tagen mit sechs Treibern im Jagdhaus einzutreffen. Als er dabei hörte, daß Mazegger, den er die Tage her nicht gesehen hatte, am Abend zuvor in Leutasch gewesen wäre, gab's ein Gewitter mit Blitz und Hagelschlag. Und damit ihm Mazegger, wenn er spät am Abend in die Hütte zurückkehren würde, nicht wieder auskäme, legte er ihm einen Zettel auf den Tisch: »Morgen bleibst Du daheim. Ich muß was reden mit Dir! Förster Kluibenschädl.«

      Beim Diner trug er dem Fürsten sein »Planerl« vor und schilderte ihm die Weidmannsfreuden einer Gemspirsche beim Sebensee und einer Treibjagd auf Hirsche im Geißtal mit so verlockenden Farben, daß Ettingen sofort einverstanden war. Martin, der dieses Gespräch beim Servieren hören konnte, atmete erleichtert auf.

      Pepperl aber, als er von diesem »Planerl« hörte, schien nicht erbaut zu sein. Er machte ein langes, höchst bedenkliches Gesicht.

      »Was hast denn?« fragte der Förster. »Zwei Tag mit'm Herrn Fürsten jagen? Dös muß dir doch Freud machen?«

      »No ja, schon! Aber –« In beklommener Sorge scheuerte Pepperl über dem Scheitel die Kreuzerschneckerln durcheinander.

      »Was, aber?«

      »Die ganze Zeit her wart ich schon allweil auf den Brenntlinger. Morgen oder übermorgen, hätt ich gmeint, müßt er kommen.«

      »Was willst denn von dem Schnapsbruder?«

      »Was z'reden hätt ich halt mit ihm – wegen meiner Mutter, ja, und – a bißl arbeiten sollt er halt.«

      »Der? Und arbeiten? Laß dich net auslachen! Auf den kannst lang warten! Neulich, in Leutasch, is er an der Straß im Graben gsessen, und da hat ihm der Herr Fürst an Zehner gschenkt.«

      »So is schön!« stotterte Pepperl erschrocken. Und im stillen kalkulierte er gleich: einen Gulden bringt der Brenntlinger durch am Tag, da braucht er sich nicht zu plagen; fünf Tage sitzt er bereits; also hat er noch einen Fünfer, und bevor er mit dem nicht fertig ist, kommt er nicht. »Da kann ich freilich noch lang warten! Derweil bin ich wieder daheim!« –

      Am anderen Vormittag gab's in der Jägerhütte zwischen Mazegger und Kluibenschädl einen erregten Auftritt. Das heißt, erregt war nur der Förster, Mazegger lächelte und schwieg. Und je länger der Jäger mit diesem stummen Lächeln dastand, in desto heißeren Zorn geriet der Förster. »Jetzt sag ich dir im guten 's letzte Wörtl! Wenn du von morgen an den Dienst net in der Ordnung machst, so wachsen wir zamm. Weil in drei Wochen den Kufer packen mußt, deswegen därfst net glauben, daß d' mit deiner Zeit jetzt machen kannst, was dir einfallt! Übrigens – was hast denn vorgestern in Leutasch draußen zum Suchen ghabt?«

      »Nichts.« Das war das erste Wort, das Mazegger sprach.

      »So? Nix? Warum bist denn nacher naus?«

      Der Jäger hob schweigend die Schultern und grub die Hände in die Taschen.

      »Gelt, du, kegel dir nur dein Züngl net aus! Aber ich kann mir schon denken, was dich naustrieben hat. Ich weiß ja, wer draußen is. Du bist ja rein wie der hungrige Fuchs im Winter, wo er die Hasenfährt gleich gar nimmer auslaßt. Ja, schau mich nur an mit deine wällische Guckerln!«

      Mazeggers Gesicht wurde fahl wie Kalk; doch er schwieg.

      »Morgen gehst nunter nach Ehrwald und bleibst beim Jager über Nacht. Und übermorgen in der Fruh um drei, da seids alle zwei beim Sebener Almzaun. Da haben wir 's Randewuh zum Treibjagen. Und dös sag ich dir, Toni: wenn ich erfahren sollt, daß d' an andern Schritt machst, als den ich dir vorschreib, da brauchst deine drei Wochen nimmer warten. Da kannst marschieren auf der Stell und kannst –«

      Erschrocken verstummte der Förster.

      Unter der Tür der Jagdhütte stand der Fürst. Bei einem Spaziergang über das Almfeld hatte er die laute Stimme gehört, und nun sagte er lächelnd: »Nicht ärgern, lieber Förster!«

      »Ich bitt um Entschuldigung, Duhrlaucht«, stotterte Kluibenschädl, während Mazegger den Fürsten mit funkelnden Augen maß, »aber wenn ich mein Gallenhinkerl gleich zubinden möcht mit sieben ausglühte Dräht, es hilft ja nix. D' Leut reißen's wieder auf.«

      »Sie haben Verdrust gehabt?«

      «Ja! Wieder amal! Und weil Duhrlaucht grad dazukommen – sagen hätt ich's doch amal müssen –, der Mazegger-Toni hat die vorig Wochen den Dienst aufgsagt.«

      »Weshalb?« Ettingen wandte sich an den Jäger und sagte freundlich: »Fühlen Sie, daß Ihnen der harte Gebirgsdienst zu beschwerlich ist? Sie sind nicht in den Bergen geboren, und da kann ich begreifen, daß Ihnen der Dienst nicht so leicht fällt wie den anderen Jägern. Aber deshalb brauchen Sie die Stelle nicht aufzugeben. Der Herr Förster wird Ihnen jede Rücksicht gewähren und nicht mehr von Ihnen verlangen, als Sie ohne Überanstrengung leisten können. Oder haben Sie eine andere Klage? Was macht Sie unzufrieden? Sie können sich offen aussprechen. Wenn Ihre Wünsche nicht unbillig sind, wird sich über alles reden lassen. Deshalb brauchen Sie nicht gleich zu gehen! Nun? – Aber so sprechen Sie doch! – Kommen Sie vielleicht mit Ihrem Gehalt nicht aus?«

      Ein paarmal hatte Mazegger die Lippen geöffnet, ohne daß ihm ein Laut von der Zunge kam. Es schien, als könnte er den freundlichen Blick des Fürsten nicht ertragen. Die brennenden Augen senkend, preßte er mühsam die Worte heraus: »Ich habe keine Klage, Herr Fürst! Gehalt bekomm ich mehr, als ich verdien. Aber der Förster hat nicht die Wahrheit gesagt. Den Dienst hab nicht ich gekündigt. Der Herr Förster hat mir aufgesagt.«

      Ettingen sah verwundert auf den Förster.

      Dem schoß das Blut ins Gesicht. »Ja, Duhrlaucht, stimmt! Aber wenn ich d' Wahrheit a bißl übers Knie bogen hab – es is bloß geschehen, daß ich's dem Burschen leichter mach, und daß ich ihm net schad.«

      »Was hat er verschuldet?«

      »Er hat sich – er hat –« Nein! Daß Mazegger ungebührlich über den Fürsten gesprochen hatte, das konnte Kluibenschädl seinem Herrn nicht ins Gesicht sagen. »Er hat sich unanständig geäußert. Über mich. Ja, über mich.«

      Aber der Förster verstand sich so schlecht aufs Lügen, daß Ettingen die Wahrheit leicht erriet. Er betrachtete den Jäger, und da begegnete ihm ein so glühender Blick des Hasses, daß Ettingen befremdet zurücktrat. Was hatte er diesem Menschen getan, um solchen Haß in ihm zu erwecken? War das der törichte Zorn des widerwillig Dienenden gegen seinen Herrn? Die Eifersucht des Unbemittelten gegen den Besitzenden? Oder war es etwas anderes?

      Ettingen hatte sich aufgerichtet. Auch