Ludwig Ganghofer

Die schönsten Heimatromane von Ludwig Ganghofer


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Toni!«

      Mazegger stand am Tisch und reinigte mit einem Lappen den Lauf seiner Büchse.

      »Was sind dös für Leut da droben? Is wer kommen? A Bsuch zum Herrn Fürsten?«

      »Ja, mir scheint.«

      »Wer denn?«

      »Ein Herr Sensburg. Und eine Baronin.« Mazegger wandte das Gesicht über die Schulter. »Die Kutscher sagen: die wär so schön wie der selbig Engel, der grad noch rechtzeitig vom Himmel gefallen wär, um dem heiligen Antoni aus der Versuchung zu helfen.« Die Fäuste des Jägers umklammerten die Büchse. »Sonst wär vielleicht der Teufel Herr über ihn worden!«

      »Geh, du Narr, was redst denn da für a Zeug daher!« brummte der Förster. Dann sah er zum Jagdhaus hinauf und kraute sich hinter den Ohren. »So, schön! Jetzt is d' Überraschung da, und der Herr Fürst is net daheim!« Er ging zu seiner Hütte und traf mit Pepperl zusammen, der in gereizter Stimmung war.

      »Grüß Gott, Herr Förstner! Und gut, daß S' da sind!« Pepperl trat in die Hütte und griff nach der Büchse. »Ich muß auf d' Abendpirsch!«

      »No, no, no! Was hast denn?«

      »Schwarze Mucken im Schädel. Die muß ich ausfliegen lassen.«

      »Du tust ja grad wie a verliebter Kaplan, der net heiraten därf.«

      »So?« Brennende Röte flog über das Gesicht des Jägers. »Kunnt schon sein, daß ich weiß, wie dem z'mut is!«

      Kopfschüttelnd sah im der Förster nach. Dann ging er zum Stall hinunter. Noch hatte er den Platz nicht erreicht, wo der Wagen stand, als er auf dem Weg, der von der Ache über die Lichtung heraufführte, zwei Reiter auf abgehetzten Pferden kommen sah. Den einen erkannte Kluibenschädl auf den ersten Blick – das war Graf Goni Sternfeldt. Den Hut schwingend, in Freude, lief der Förster ihm entgegen. »Herr Graf! Ja, grüß Ihnen Gott, Herr Graf! Wie kommen denn Sie daher?«

      Sternfeldt winkte mit der Reitpeitsche und versetzte dem Pferd einen Hieb. Das Tier war ausgepumpt und konnte nicht mehr; es machte nur ein paar kurze Galoppsprünge und fiel wieder in müden Schritt. Der Reiter saß ohne Spur von Ermüdung im Sattel, trotz des schweren vierstündigen Rittes und trotz seiner fünfzig Jahre. Er trug einen flachen Strohhut, einen lichtbraunen Sommeranzug von modischem Schnitt und Lackschuhe, alles grau verstaubt – ein Anzug, der eher für einen behaglichen Bummel auf dem Bürgersteig der Großstadt passen mochte als für einen Ritt, der dem Pferde den weißen Schaum aus Hals und Flanken getrieben hatte.

      Der lebhaften Gestalt nach hätte man den Grafen für einen Dreißiger nehmen können. Aber Haar und Bart – ein glatt geschnittener Spitzbart, der das schmale Gesicht verlängerte – waren schon völlig ergraut, beinahe weiß. Die klugen grauen Augen waren von wulstigen Brauen überschattet, das einzig Derbe in diesem vornehm gezeichneten Rassegesicht. Die Anstrengung des Rittes hatte das Gesicht gerötet, dessen ernste Erregung die sarkastischen Linien nicht verwischen konnte, die tief um den feingeschnittenen Spöttermund und um die Augenwinkel gezogen waren.

      Ehe das Pferd noch anhielt, sprang er aus dem Sattel und warf die Zügel dem Reiterknecht zu, der ihm folgte.

      »Grüß Sie Gott, lieber Förster!«

      »Grüß Gott, Herr Graf!« Kluibenschädl quetschte die Hand, die ihm Sternfeldt gereicht hatte. »Weil S' nur wieder da sind, Herr Graf! Und die Freud, die der Herr Fürst haben wird! An Zwölfender hat er auch schon! Und zwei sakrische Gamsböck!«

      Dieser weidmännische Erfolg schien den Grafen nicht sonderlich zu interessieren. Er fragte hastig und erregt: »Der Fürst hat heute Besuch bekommen? Natürlich, da stehen ja die Wagen. Aber sagen Sie mir –« Sternfeldt zog den Förster aus der Hörweite des Reitknechtes. »Wie hat der Fürst diesen Besuch empfangen?«

      »Der Herr Fürst weiß noch gar nix von der Überraschung, die heut eingetroffen is. Er ist net daheim!«

      »Nicht daheim? Und daß sie heute kommt? Das wußte er nicht?«

      »Net a Wörtl! Na!«

      »Gott sei Dank! Und wo ist er?«

      »Draußen im Sebenwald. Aber jeden Augenblick muß er heimkommen.«

      »Ich muß ihn sprechen, bevor er nach Hause kommt. Welchen Weg müssen wir nehmen?«

      »Da über d' Lichtung aussi, durch'n Tillfußer Wald.«

      »Und er hat keinen anderen Heimweg? Wir müssen ihn treffen? Sicher?«

      »Vom Sebenwald eini, da gibts keinen andern Weg.«

      Der Graf wandte sich an den Reitknecht. »Führen Sie die Pferde in den Stall!« Er reichte ihm eine Banknote. »Das gehört Ihnen für die halbe Stunde, die wir gewonnen haben. Aber jetzt sorgen Sie für die Tiere so gut wie möglich! Sie sollen frottiert werden, bis sie völlig trocken sind, und sollen kein Futter und keinen Trunk bekommen, bevor sie nicht ruhige Lungen haben! – Kommen Sie, Herr Förster!«

      Während Graf Sternfeldt über die Lichtung hinausschritt gegen den Wald, klopfte er mit der Reitpeitsche den Staub von den Beinkleidern. Und Förster Kluibenschädl murrte: »Sakra! Da muß was los sein! Mir scheint, die Gschicht mit der Überraschung stimmt net ganz!«

      Siebzehntes Kapitel

       Inhaltsverzeichnis

      In lautloser Stille lag der Tillfußer Wald. Unter den Bäumen war tiefer Schatten, doch um die Wipfel glühte noch der Glanz der Sonne, die sinken wollte. Wie goldfunkelnde Riesenmauern, von purpurnen Schattenlinien durchzogen, standen die grell beleuchteten Berge hinter den Lücken des Waldes.

      Auf einem Baum, den der Sturm geworfen hatte, saßen Graf Sternfeldt und der Förster. Nicht weit von ihnen zweigte sich der Pfad – der eine Weg führte zur Jagdhütte im Sebenwald, der andere zur Sebenalpe und zum See. Diesen letzteren Pfad konnte man auf eine weite Strecke übersehen.

      Je länger die beiden warten mußten, desto ungeduldiger wurde Sternfeldt.

      »Endlich! Da kommt er!« Der Graf erhob sich. »Bleiben Sie, Herr Förster, ich geh ihm entgegen!«

      In Gedanken versunken, behaglich schlendernden Ganges, kam Ettingen über den Pfad heruntergeschritten. Sein Hut war rings um die Krempe mit Blüten besteckt, mit Edelrosen vom Sebensee.

      »Heinz!«

      Ettingen blickte auf, als könnte er dem Klang dieser Stimme nicht glauben. Da leuchtete ihm die Freude aus den Augen. »Goni! Du?« Er stieß den Bergstock in die Erde und streckte dem Freund die Hände entgegen. »Du? Wahrhaftig? Goni, die Freude, die ich habe! Sagen kann ich das nicht – aber sieh mich an, und du mußt es fühlen!«

      »Ja, Heinz!« Tiefe Bewegung klang aus der Stimme des Grafen. »So deutlich wie in diesem Augenblick hab ich es noch nie empfunden, daß du mir gut bist!«

      »Goni? Hast du je daran gezweifelt?«

      »Nein. Aber wer Geld besitzt, will auch wissen, wieviel es wert ist, und freut sich der Stunde, die ihn zählen läßt. Solch eine Zählstunde war jetzt der Blick in deine Augen! Aber dich so sehen zu dürfen, das hat noch eine andere Freude für mich. Heinz? Was ist aus dir geworden?«

      »Ein gesunder, froher Mensch. Das hab ich dem Wald zu danken. Und dir! Du warst es, der diesen herrlichen Fleck Erde für mich ausgesucht. Und du weißt nicht, was du da alles für mich gefunden hast! Ich danke dir, Goni! Aber was machst du denn für Augen?« Lachend beugte Ettingen das Gesicht bis dicht vor die Nase des Freundes. »Ich bin es schon! Wirklich! Ja, ja, ja!«

      »Daß du so gesund vor mir stehst, so sonnverbrannt, so lachend? Das allein ist es nicht! An dir ist was Neues. Wär ich dir so in der Stadt begegnet, ohne zu ahnen, daß du das bist, ich glaube, ich hätte dich auf den ersten Blick nicht erkannt. Wie ein ganz anderer stehst du da! Und der neue Heinz gefällt mir! Aus