um und sieht Annemarie sit-
zen.
Doktor Hartmann erhebt sich, und Annemarie stellt Marina vor. Er rückt genau wie vorher Annemarie auch Marina einen Sessel zurecht.
»Darf ich Sie bitten, mein Gast zu sein?«
Etwas hilflos blickt Marina von einem zum anderen. »Wollten wir nicht heimfahren?« meint sie. Sie möchte das Erlebnis von vorhin gern loswerden.
Doktor Hartmann antwortet, ehe Annemarie nur den Mund öffnen kann.
»Bitte machen Sie mir die Freude. Wenn Sie nicht bleiben, bin ich auch Fräulein Kolber los.«
Daraufhin nimmt Marina Platz. »Ich möchte nicht in Ihre geschäftliche Besprechung einbrechen.«
Annemarie winkt ab. »Das ist bereits klar, Liebes. Herr Doktor wird mir morgen sein Haus zeigen, erst dann kann ich meine Pläne entwickeln. Ich mußte erst die Feuerprobe als Mensch bestehen –.«
»Und haben Sie Vertrauen zu meiner Freundin?« fällt Marina ihr ins Wort.
»Unbedingt!« Und einschränkend setzt er hinzu: »Soweit ich das in so kurzer Zeit beurteilen kann.«
»Meine Freundin ist ein wunderbarer Mensch«, glaubt Marina sagen zu müssen.
Wieder lächelt Hartmann. »Also eine wirklich treue Freundschaft. Ähnliches hat mir Fräulein Kolber von Ihnen erzählt.«
Er winkt der Bedienung, bittet um ein drittes Glas, und als es auf dem Tisch steht, schenkt er es für Marina voll.
»Trinken wir auf gutes Gelingen«, schlägt er vor, und hell klingen die Gläser aneinander.
»Vielleicht machen Sie mir die Freude und kommen morgen früh mit?« wendet er sich an Marina. Sie blickt auf Annemarie, und diese nickt.
»Gern, morgen habe ich Zeit.«
Sie unterhalten sich glänzend. Von Geschäften wird nicht mehr gesprochen. Später bietet er seinen Wagen zur Heimfahrt an, doch Annemarie lehnt ab.
»Vielen Dank, mein Wagen parkt um die Ecke.«
Sie verlassen das Lokal, und Doktor Hartmann begleitet die beiden Damen zu Annemaries dunkelrotem Sportwagen, den er von allen Seiten fachkundig betrachtet.
»Sehr schön«, sagte er. »Muß eine Stange Geld gekostet haben. Scheint doch allerhand einzubringen – Ihr Beruf!«
»Es geht«, erwidert Annemarie abweisend und ärgerlich. Sie findet seine Bemerkung taktlos. Also doch ein Snob, denkt sie. Er sieht ganz wie ein erfolgreicher Geschäftsmann aus. Vielleicht kann er nur in Geld denken?
Annemarie sitzt schon hinter dem Steuer. Sie kann sich die Frage nicht verkneifen: »Und darf man fragen, was Sie für einen Wagen fahren?«
»Ooch«, macht er mit einer vagen Handbewegung. »Einen kleinen, in dem ich kaum meine langen Beine unterbringen kann.« Er winkt den beiden Damen zu. »Auf Wiedersehen, bis morgen früh. Ich hole Sie vor Ihrem Hause ab.«
»Komischer Kauz, meinst du nicht auch?« sagt Annemarie, während sie langsam den Wagen durch die hellerleuchteten Straßen ihrer Wohnung zusteuert.
»Ich fand ihn sehr nett, Annemarie.« Diese wirft Marina einen schnellen, schiefen Blick zu.
»Du findest ja alle Menschen nett.«
»Nicht alle, Annemarie.« Sie denkt an die häßliche Szene mit dem jungen Mann aus dem Konzerthaus. »Gerade bevor ich zu dir kam, habe ich eine kräftige Ohrfeige ausgeteilt.«
»Du?« Annemarie fragt so erstaunt, als habe die sanfte Marina ihr das Geständnis eines Mordes gemacht. »Das kann doch wohl nicht gut möglich sein.«
»Doch, doch, Annemarie«, versichert Marina eifrig. »Hat mich doch so ein dummer Junge auf der Straße geküßt, nachdem ich ihn abblitzen ließ.«
»Was du nicht sagst.« Annemarie schüttelt höchst verwundert den Kopf. »Sind denn plötzlich alle Männer verrückt geworden? Noch keine zwei Tage bist du hier, und schon hast du wieder ein häßliches Erlebnis.«
»Beinahe glaube ich, es liegt an mir«, sagt Marina recht kleinlaut.
»Unsinn«, widerspricht Annemarie heftig. »Du bist ganz einfach zu schön.«
Marina blickt traurig vor sich hin. »Das ist doch nicht mein Verdienst. Manchmal wünschte ich mir eine schiefe Nase oder sonst einen Makel, nur um ganz unauffällig leben zu können.«
»Nun, zumindest verstehst du dich zu wehren. Das ist die Hauptsache. Jetzt sind wir da, Kleines. Ich bringe den Wagen in die Garage. Warte solange auf mich. Aber laß dich nicht wieder küssen, hörst du?«
Marina hört die Freundin auflachen und geht auf die Haustür zu. Ob sie ihr auch von dem Begleiter des jungen Mannes erzählt, dessen tiefblaue Augen sie an einen stillen Bergsee erinnerten? Als Annemarie neben ihr auftaucht, hat sie sich entschieden. Nichts wird sie von dieser Begegnung erzählen. Das ist wie ein schönes Geheimnis, das sie in sich verwahren wird.
*
Der nächste Tag zeigt sich von seiner günstigsten Seite. Es ist strahlender Sonnenschein, als die beiden Damen aus der Haustür treten und auf den bereits wartenden Doktor Hartmann zugehen, der in lässiger Haltung neben einem Straßenkreuzer steht. Er kommt sofort auf sie zu und begrüßt sie herzlich.
Annemarie macht große Augen und blinzelt zu ihm auf. »Ist das der Wagen, in dem Sie Ihre Beine kaum unterbringen können?«
Er lacht entwaffnend. »Das ist er. Gefällt er Ihnen nicht?«
»Doch, sehr.« Und etwas boshaft setzt sie hinzu: »Ihr Beruf scheint allerhand Geld einzubringen.«
»Danke für die Retourkutsche. Ich habe sie verdient.«
Dann hilft er ihnen beim Einsteigen, schwingt sich hinter das Lenkrad, und lautlos fährt der Wagen an.
Als sie vor dem einstöckigen Haus stehen, dessen weithin leuchtende weiße Fassade ihr gleich beim Einbiegen in die Auffahrt aufgefallen ist, da staunt Annemarie wirklich.
Doktor Hartmann betrachtet nicht das Haus, sondern beobachtet den Ausdruck ihres Gesichtes.
»Mein Gott«, hört er sie bewundernd sagen, »das scheint für Generationen erbaut.«
Er lacht. »Nun – vorläufig gedenke ich erst einmal Einzug darin zu halten.« Er macht eine weit ausholend Bewegung. »Wie gefällt Ihnen die Gartenanlage?«
»Gut, sehr gut.«
»Da werden Sie wunderbar wohnen«, läßt Marina sich vernehmen, die bisher stille Bewunderin war. »Ist es für einen einzigen Menschen nicht etwas zu groß? Oder – sind Sie verheiratet?«
»Nein, noch nicht.« Er ist ernst geworden. »Und ob ich es jemals sein werde, weiß ich jetzt noch nicht. Ich bin Junggeselle und hoffe es noch eine ganze Zeit zu bleiben.«
»Genau wie meine Freundin Annemarie.« Marina wirft einen lächelnden Blick hinter Annemarie her, die die Stufen zum Portal emporsteigt. »Mich möchte sie gern verheiratet sehen. Für sich lehnt sie jede Heirat ab.«
Gedankenvoll sieht Hartmann hinter der wohlgeformten Gestalt her.
»Man hat mir erzählt, die Liebe überfalle die Menschen wie eine Naturkatastrophe, wie eine Sturzwelle, man würde ganz einfach mitgerissen und könne überhaupt nicht dagegen ankommen.«
Marina denkt sekundenlang an den Mann im Konzerthaus. Hatte sie bei seinem Anblick nicht ein Gefühl übermannt, ähnlich dem, wie es der Mann neben ihr ausdrückte?
Sie wird traurig bei dem Gedanken, ihn nie wiederzusehen. Wo sollte sie ihn auch suchen?
Wieder glaubt sie die Melodie zu hören, ihre Lieblingsmelodie, die sie in Zukunft immer mit ihm in Verbindung bringen wird.
»Du bist die Welt für mich…«
»Marina,