Erfassung eines Geschäfts- oder Firmenwerts im Einzelabschluss setzt einen Unternehmenszusammenschluss in Form eines Asset Deal voraus, da andernfalls die Beteiligung analog den GoB direkt zu aktivieren ist.290
(2) Bestimmung des Transaktionszeitpunkts: Erlangung der Beherrschung
Die einzig zulässige Bilanzierungsmethode ist nach IFRS 3.4 die Erwerbsmethode.
Folglich bestimmt der genaue Zeitpunkt die Höhe eines möglichen Geschäfts- oder Firmenwerts bzw. nach IFRS insbesondere die Aufteilung zwischen planmäßig und ausschließlich außerplanmäßig abzuschreibenden Vermögenswerten. Der Zeitpunkt des Unternehmenserwerbs fällt dabei mit dem Zeitpunkt der Erlangung der Beherrschung zusammen (IFRS 3.8). Es gilt die Vermutung, dass dieser mit dem rechtsgültigen Transfer der Rechte bzw. Vermögenswerte, die die Beherrschung begründen, zusammenfällt. Einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise folgend kann der Erwerbszeitpunkt indes der rechtlichen Übertragung vor- sowie nachgelagert sein (IFRS 3.9).291 Durch das Trennungsprinzip im deutschen Rechtskreis übernimmt der dingliche Vollzug (Verfügungsgeschäft), die Übertragung der Vermögenswerte und Schulden bzw. die Abtretung der Anteile, eine Indikatorfunktion; indes kann der Erwerbszeitpunkt durch noch ausstehende Genehmigungen dahinter liegen.292 Wenn durch ein Memo of Understanding oder eine öffentliche Bekanntmachung ein faktischer Zwang entsteht, kann der Erwerbszeitpunkt sogar noch vor der Unterzeichnung des Vertrags liegen; folglich ist in der Regel eine Einzelfallwürdigung vonnöten.293 Darüber hinaus ist der Beginn des Erwerbs zu bestimmen, da vorherige Geschäftsbeziehungen dem Unternehmenszusammenschluss nicht zuzurechnen sind (IFRS 3.51).
bb) Anwendung auf den Fall: Überprüfung der Transaktion auf die Anwendbarkeit des IFRS 3
Da die B-GmbH bisher eigenständig am Wirtschaftsverkehr teilnahm, ist die Definition eines Geschäftsbetriebs erfüllt. Aufgrund der Übernahme sämtlicher Vermögenswerte und Schulden seitens der A-AG erlangt sie einen beherrschenden Einfluss über das Nettovermögen der B-GmbH, sie ist somit der Erwerber. Da kein Hinweis auf eine Ausnahme im Sinne des IFRS 3.2 vorliegt, sind die Anwendungsvoraussetzungen des IFRS 3 erfüllt. Infolge des Zusammenschlusses in Form eines Asset Deal ist, vorbehaltlich eines positiven Unterschiedsbetrags, im Einzelabschluss der A-AG ein Geschäfts- oder Firmenwert zu aktivieren. Der 1. 1. des Jahres 01 ist der Erwerbszeitpunkt.
b) Positiver Unterschiedsbetrag als zweite Ansatzvoraussetzung: Anschaffungskosten eines derivativ erworbenen Geschäfts- oder Firmenwerts – Residuum aus Kaufpreis und neubewertetem Nettovermögen
aa) Ermittlung des Kaufpreises
(1) Ermittlung der Anschaffungskosten des Unternehmenserwerbs
Die Konzeption des Geschäfts- oder Firmenwerts als Residuum erfordert im ersten Schritt die Bestimmung der Anschaffungskosten des erworbenen Unternehmens, mithin zunächst des Werts der hingegebenen Leistung. Wurden nur Zahlungsmittel bzw. -äquivalente geleistet, gestaltet sich dies einfacher als bei der Ausgabe von Eigenkapitalinstrumenten oder der Übertragung von nicht monetären Vermögenswerten und Schulden. Der Wert der hingegebenen Gegenleistung wird mit dem Fair Value zum Erwerbszeitpunkt bewertet (IFRS 3.37), später fällige oder erbrachte Leistungen sind dementsprechend zu diskontieren.294
Im Zuge der Änderung des IFRS 3 sind Anschaffungsnebenkosten nun sofort aufwandswirksam im Jahr des Unternehmenszusammenschlusses zu erfassen (IFRS 3.53); anschaffungsbedingte Emissionskosten sind gemäß IFRS 9 „Finanzinstrumente“ zu berücksichtigen.
Die Bestimmung des beizulegenden Zeitwerts ist in IFRS 3.33 für den Fall der Hingabe von Eigenkapitalinstrumenten näher konkretisiert. Für diese stellt ein öffentlicher Börsenkurs den besten Anhaltspunkt dar, jedoch können sich Probleme insbesondere durch eine Beeinflussung des Kurses aufgrund der Ankündigung des Unternehmenszusammenschlusses ergeben.295 Ansonsten ist ihr Wert IAS 39296 entsprechend zu schätzen. Liegt ein sukzessiver Unternehmenserwerb vor, ist für zuvor gehaltene Titel der beizulegende Zeitwert zum Erwerbszeitpunkt zu bestimmen, und Differenzen zum Buchwert sind erfolgswirksam zu erfassen (IFRS 3.42).
(2) Anwendung auf den Fall: Bewertung der Leistung an die ursprünglichen Gesellschafter der B-GmbH
Der Wert der hingegebenen Leistungen der A-AG im Rahmen des Unternehmenszusammenschlusses zwischen A-AG und B-GmbH entspricht den an die Gesellschafter der B-GmbH gelieferten Zahlungsmitteln; der Betrag ist nicht zu diskontieren, weshalb die Zahlungsmittel einen Wert von 0,8 Mio. GE haben.
bb) Allokation des Kaufpreises auf die einzelnen Vermögenswerte, Schulden und Eventualverbindlichkeiten des erworbenen Unternehmens
(1) Bedeutung des Unternehmenszusammenschlusses für den Ansatz und die Bewertung von Vermögenswerten und Schulden
Der Erwerbsmethode liegt grundsätzlich die Fiktion zugrunde, dass das erwerbende Unternehmen die Vermögenswerte und Schulden des erworbenen Unternehmens einzeln erwirbt.297 Demgemäß werden in einem nächsten Schritt die anzusetzenden Vermögenswerte und Schulden des erworbenen Unternehmens vollständig neu ermittelt, d.h. weder Ansatz noch Bewertung der Bilanzposten im Einzelabschluss des übernommenen Unternehmens sind relevant.298 „Um im Rahmen der Anwendung der Erwerbsmethode die Ansatzkriterien zu erfüllen, müssen die erworbenen identifizierbaren Vermögenswerte und die übernommenen Schulden den im Rahmenkonzept für die Aufstellung und Darstellung von Abschlüssen dargestellten Definitionen von Vermögenswerten und Schulden zum Erwerbszeitpunkt entsprechen“ (IFRS 3.11).299 Ansatzerleichterungen gegenüber den Einzelstandards ergeben sich insbesondere für immaterielle Vermögenswerte und Eventualschulden. So enthält IFRS 3 nicht die Ansatzverbote des IAS 38.63.300 Eventualverbindlichkeiten sind trotz des Nichterfüllens des Wahrscheinlichkeitskriteriums anzusetzen, die Wahrscheinlichkeit wird im Rahmen der Bewertung berücksichtigt (IFRS 3.23). Der Ansatz und die Bewertung eines latenten Steueranspruchs bzw. einer latenten Steuerschuld erfolgt gemäß IAS 12 „Ertragsteuern“ (IFRS 3.24). Ebenso sind Verbindlichkeiten oder Vermögenswerte, die aus Leistungen an Arbeitnehmer resultieren, gemäß IAS 19 „Leistungen an Arbeitnehmer“ zu bilanzieren (IFRS 3.26).
Alle anzusetzenden Vermögenswerte und Verbindlichkeiten werden – bis auf die bereits genannten Ausnahmen – mit dem beizulegenden Zeitwert bewertet (IFRS 3.18). Dieser ist als Betrag definiert, „zu dem zwischen sachverständigen, vertragswilligen und voneinander unabhängigen Geschäftspartnern unter marktüblichen Bedingungen ein Vermögenswert getauscht oder eine Schuld beglichen werden könnte“ (IFRS 3, Anhang A). Außerdem sind von der Fair-Value-Bewertung anteilsbasierte Vergütungssysteme und zur Veräußerung gehaltene Vermögenswerte ausgenommen. Deren Bewertung richtet sich nach den entsprechenden Bestimmungen der relevanten Einzelstandards (IFRS 3.29–3.31).
(2) Anwendung auf den Fall: Identifizierung und Bewertung der in der Bilanz der A-AG anzusetzenden (übernommenen) Vermögenswerte und Schulden
Im Rahmen des Unternehmenszusammenschlusses zwischen der A-AG und der B-GmbH, in dem die A-AG als Erwerber identifiziert wurde, müssen alle Vermögens- und Verbindlichkeitspositionen der B-GmbH neu geprüft werden, bevor sie im Einzelabschluss der A-AG angesetzt werden können. Die Summe der Fair Values der anzusetzenden Aktiva beträgt 2 Mio. GE. Daneben muss die A-AG Verbindlichkeiten in Höhe von 1,6 Mio. GE passivieren, da nach IFRS 3 auch Eventualverbindlichkeiten zu berücksichtigen sind.
cc) Geschäfts- oder Firmenwert als beteiligungsproportionaler positiver Unterschiedsbetrag
(1) Bestimmung des Geschäfts- oder Firmenwerts nach IFRS 3
Das Wahlrecht bezüglich