in Höhe von 0,1 Mio. GE.
Aufgabenstellung:
– Wie ist die Transaktion nach handelsrechtlichen GoB bzw. nach IFRS zu bilanzieren?
– Welche Möglichkeiten der Folgebewertung stehen dem Rechnungslegenden im Geschäftsjahr nach dem Unternehmenskauf offen?
I. Lösung nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Bilanzierung
1. Bilanzierung von Geschäfts- oder Firmenwerten gemäß den handelsrechtlichen GoB
Unter einem Geschäfts- oder Firmenwert wird der Unterschiedsbetrag zwischen dem Ertragswert eines Unternehmens und seinem Substanzwert verstanden;256 er repräsentiert mithin alle nicht einzeln bilanzierungsfähigen rein wirtschaftlichen Vor- und Nachteile, aufgrund des Einzelbewertungsprinzips nicht erfassbare Verbundeffekte sowie sonstige strategische oder finanzielle Vorteile.257 „Er ist Ausdruck für die Gewinnchancen, soweit sie […] durch den Betrieb des eingeführten und fortlebenden Unternehmens im Ganzen aufgrund besonderer dem Unternehmen eigener Vorteile höher oder gesicherter erscheinen als bei einem anderen vergleichbaren Unternehmen.“258 Bilanziell ist zwischen einem derivativen und einem originären Geschäfts- oder Firmenwert zu unterscheiden. Trotz der Aufhebung des Aktivierungsverbots für selbst erstellte immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens in § 248 HGB259 stellen Gesetzgeber und Rechtsprechung ausdrücklich klar, dass ein selbst geschaffener Geschäfts- oder Firmenwert weiterhin nicht anzusetzen ist.260 Wird hingegen ein Unternehmen261 als Ganzes (entgeltlich) übernommen, bezeichnet man die (positive) Differenz aus der bewirkten Gegenleistung und den im Zugangszeitpunkt beizulegenden Zeitwerten der einzelnen Vermögensgegenstände und Schulden als entgeltlich erworbenen Geschäfts- oder Firmenwert (§ 246 Abs. 1 S. 4 HGB). Der Streit im deutschen Schrifttum bezüglich der Frage, ob ein solcher Geschäfts- oder Firmenwert einen Vermögensgegenstand darstellt,262 wurde durch das BilMoG beendet: Der Gesetzgeber stellt klar, dass ein derivativer Geschäfts- oder Firmenwert „als zeitlich begrenzt nutzbarer Vermögensgegenstand“ gilt (§ 246 Abs. 1 S. 4 HGB).
2. Aktivierungsvoraussetzungen für einen Geschäfts- oder Firmenwert im Jahresabschluss
a) Übernahme eines Unternehmens im Zuge eines Asset Deal als erste Aktivierungsvoraussetzung
aa) Bedeutung der Ansatzvoraussetzung der Unternehmensübernahme
Gemäß dem Vollständigkeitsgebot besteht eine Ansatzpflicht für einen im Rahmen einer Unternehmensübernahme erworbenen Geschäfts- oder Firmenwert (§ 246 Abs. 1 S. 4 HGB). Der Begriff des Unternehmens bezieht sich „nicht auf ein rechtlich selbständiges Gebilde, sondern auf eine Sachgesamtheit, die alle betriebsnotwendigen Grundlagen besitzt, um selbständig am Wirtschaftsverkehr teilnehmen zu können“263. Demzufolge können nicht nur Personen- und Kapitalgesellschaften als Unternehmen gelten, sondern auch ein Teilbetrieb kann ein Unternehmen i.S.d. § 246 Abs. 1 S. 4 HGB sein.264 Der Teilbetrieb muss jedoch (zum Zeitpunkt der Übernahme) als selbstständige Einheit am Wirtschaftsverkehr teilnehmen können,265 die Abwicklung der Außenbeziehungen über das Gesamtunternehmen steht dem oft entgegen.266
Bei einem sog. Share Deal vollzieht sich die Übernahme durch den Erwerb von Anteilen, welche im Jahresabschluss direkt auf der Aktivseite des übernehmenden Unternehmens als Beteiligung auszuweisen sind.267 Übernimmt hingegen das erwerbende Unternehmen die Vermögensgegenstände und Schulden einzeln, muss es diese direkt in der eigenen Bilanz (neubewertet) ansetzen, es handelt sich mithin um einen Asset Deal. Der Unterschiedsbetrag zum Kaufpreis ist der derivative Geschäfts- oder Firmenwert.268
bb) Anwendung auf den Fall: Überprüfung der Transaktion zwischen der A-AG und B-GmbH auf Vorliegen eines Asset Deal
Die B-GmbH ist eine Kapitalgesellschaft. Als solche ist sie eine rechtlich selbstständige Einheit mit der Fähigkeit, am Wirtschaftsverkehr teilzunehmen. Die A-AG hat daher ein Unternehmen i.S.d. § 246 Abs. 1 S. 3 HGB erworben. Sie hat dabei direkt sämtliche Vermögensgegenstände und Schulden der B-GmbH übernommen, folglich handelt es sich bei diesem Unternehmenszusammenschluss um einen Asset Deal, und die erste Ansatzvoraussetzung ist erfüllt.
b) Positiver Unterschiedsbetrag als zweite Aktivierungsvoraussetzung für einen Geschäfts- oder Firmenwert nach handelsrechtlichen GoB
aa) Wert der bewirkten Gegenleistung
(1) Bestimmung des Werts der bewirkten Gegenleistung
Da der derivative Geschäfts- oder Firmenwert als Unterschiedsbetrag zwischen dem Kaufpreis eines Unternehmens und dessen neubewerteten Vermögensgegenständen und Schulden auftritt, ist für dessen Ermittlung die Bestimmung des Werts der hingegebenen Sache notwendig. Die Ermittlung richtet sich grundsätzlich nach § 255 Abs. 1 HGB. Demnach bestimmt sich die Gegenleistung anhand des Kaufpreises unter Beachtung von eventuellen Anschaffungskosten bzw. Anschaffungspreisminderungen. Handelt es sich um einen Tausch, besteht die Gegenleistung also in der Hingabe von eigenen Vermögensgegenständen, wird der Wert mittels der für den Tausch geltenden Grundsätze bestimmt.269 Wird die Leistung erst zu einem späteren Zeitpunkt erbracht (bspw. in Form einer Rente oder gegen eine Umsatz- bzw. Gewinnbeteiligung), bestimmt sich ihr Wert anhand des versicherungsmathematischen Barwerts; maßgeblich für dessen Berechnung sind die Verhältnisse im Zeitpunkt der Übernahme.270
(2) Anwendung auf den Fall: Bewertung der Leistung an die ursprünglichen Gesellschafter der B-GmbH
Im vorliegenden Fall erfolgt die Gegenleistung an die ursprünglichen Gesellschafter der B-GmbH in Form von Zahlungsmitteln der A-AG, (annahmegemäß) werden sie zum Zeitpunkt der Unternehmensübernahme gezahlt. Folglich beträgt der Wert der bewirkten Gegenleistung 0,8 Mio. GE.
bb) Berücksichtigung der Vermögensgegenstände und Schulden des übernommenen Unternehmens
(1) Bestimmung der zu aktivierenden Vermögensgegenstände und der zu passivierenden Schulden
In der Bilanz des übernehmenden Unternehmens sind alle greifbaren und selbstständig bewertbaren Vermögensgegenstände des erworbenen Unternehmens anzusetzen.271 Der anzuwendenden Neubewertungsmethode liegt grundsätzlich die Fiktion zugrunde, dass das erwerbende Unternehmen die Vermögenswerte und Schulden des übernommenen Unternehmens (einzeln) erwirbt,272 folglich erfolgen deren Ansatz und Bewertung losgelöst vom Jahresabschluss der B-GmbH.
So kann die Aktivierung eines vermögenswerten Vorteils als Vermögensgegenstand im Jahresabschluss der A-AG geboten sein, obwohl er bezüglich des Jahresabschlusses der B-GmbH dem Verbot des § 248 Abs. 2 S. 2 HGB unterliegt. Der eigentliche Schutzzweck der Norm kommt bei einem Unternehmenserwerb nicht zum Tragen, da eine Aktivierungsrestriktion nicht die Ausschüttung höchst unsicherer Gewinne verhindert, sondern nur zu einer Erhöhung des derivativen Geschäfts- oder Firmenwerts führen würde. Dies aber liefe dem Einzelbewertungsgrundsatz entgegen, nach dem sich die planmäßigen Abschreibungen zu richten haben: Für selbst erstellte immaterielle Vermögensgegenstände werden sich regelmäßig andere Wertverläufe ergeben als für den derivativen Geschäfts- oder Firmenwert, des Weiteren sind vollständig abgeschriebene (jedoch weiterhin genutzte) Vermögensgegenstände in der Bilanz des erwerbenden Unternehmens zu aktivieren.273 Schulden des übernommenen Unternehmens sind nur zu bilanzieren, soweit sie eine Verpflichtung gegenüber Dritten darstellen. Rechnungsabgrenzungsposten müssen als Vermögensgegenstände und Schulden besonderer Art berücksichtigt werden, wenn sie einen originären Anspruch bzw. eine originäre Verpflichtung für das übernehmende Unternehmen darstellen.