Dies ist jedoch lediglich eine hinreichende, nicht aber notwendige Voraussetzung, denn die Kontrolle des künftigen wirtschaftlichen Nutzens kann auch „auf andere Weise“ (IAS 38.13) ausgeübt werden. Eine derartige faktische Beherrschung eines Vermögenswerts ist jedoch ungleich schwieriger nachzuweisen.241 Als Beispiel nennt das Rahmenkonzept das Know-how aus einer Entwicklungstätigkeit, dessen erwarteten zukünftigen Nutzen das Unternehmen durch Geheimhaltung kontrolliert (RK.4.22). Bei künftigem wirtschaftlichem Nutzen aus Qualifikationsmaßnahmen von Mitarbeitern oder aus „bestimmte[n] Management- oder fachliche[n] Begabung[en]“, die nicht rechtlich abgesichert sind, ist Verfügungsmacht i.S.d. IAS 38 hingegen nicht gegeben (IAS 38.15), da der Vorteil, wenn der betreffende Mitarbeiter das Unternehmen verlässt, nicht zurückbehalten werden kann. Wird allerdings das Wissen der Arbeitnehmer geschützt, bspw. durch rechtlich auferlegte Vertraulichkeitsverpflichtungen, ist das Kriterium der Verfügungsmacht erfüllt (IAS 38.14).242
(2) Anwendung auf den Fall: Prüfung des Kriteriums der Verfügungsmacht im Fall des Domain-Namens
Im vorliegenden Fall ist der Zugriff Dritter auf den erworbenen Domain-Namen beschränkt, da dieser von der DENIC aus technischen Gründen nur einmal vergeben werden kann; diese Beschränkung ist aufgrund der schuldrechtlichen Absicherung des Erwerbers in Form des Registrierungsvertrags auch juristisch durchsetzbar. Die Werbeagentur hat folglich die Kontrolle über den zukünftigen wirtschaftlichen Nutzen aus dem Domain-Namen und kann über den Vermögenswert i.S.d. IAS 38 verfügen.
b) Zusätzliche Definitionsmerkmale eines immateriellen Vermögenswerts
aa) Definitionsmerkmal der Immaterialität
(1) Kriterium „fehlende physische Substanz“ sowie „Nicht-Monetarität“
Nach IAS 38.8 i.V.m. IAS 38.4 grenzen sich immaterielle Vermögenswerte durch ihre fehlende physische Substanz von materiellen, in den Anwendungsbereich des IAS 16 „Sachanlagen“ fallenden Vermögenswerten ab. Das Kriterium der fehlenden physischen Substanz wird in IAS 38 nicht definiert, sondern nur beispielhaft konkretisiert. Bei Vermögenswerten, die sowohl physische als auch nicht-physische Elemente aufweisen, verlangt IAS 38.4 die Beurteilung, „welches Element wesentlicher ist“, „in eigener Ermessensausübung“.243 Bspw. gilt Computersoftware dann als wesentlich für die Nutzung einer computergesteuerten Produktionsanlage und wird demnach als Sachanlage gemäß IAS 16 behandelt, wenn die Hardware dieser Produktionsanlage ohne die entsprechende Software nicht funktionstüchtig, die Software also integraler Bestandteil der zugehörigen Hardware ist. Bei Aktivitäten, die möglicherweise zur Erstellung eines materiellen Vermögenswerts unternommen werden, wie etwa Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten, steht die immaterielle Komponente – „das durch ihn verkörperte Wissen“ – im Vordergrund (IAS 38.5).
Als weiteres Kriterium eines immateriellen Vermögenswerts wird in IAS 38.8 die „Nicht-Monetarität“ genannt. Durch die Definition von monetären Vermögenswerten als „im Bestand befindliche Geldmittel und Vermögenswerte, für die das Unternehmen einen festen oder bestimmbaren Geldbetrag erhält“ (IAS 38.8), wird eine Negativabgrenzung vorgenommen.
(2) Anwendung auf den Fall: Prüfung des Domain-Namens hinsichtlich seines immateriellen Charakters
Im vorliegenden Fall besteht der Domain-Name sowohl aus einem physischen als auch einem nicht-physischen Element. Das nicht-physische Element, also der Domain-Name an sich/die Adresse im Internet, ist in diesem Fall wesentlicher Bestandteil; das physische Element, der Datenserver, auf dem der Domain-Name gespeichert ist, tritt mithin zurück.
Darüber hinaus ist das Kriterium der Nicht-Monetarität erfüllt, da es sich bei dem Domain-Namen weder um Geldmittel noch um einen Vermögenswert handelt, der einen Anspruch auf Geldmittel verkörpert. Der Domain-Name ist folglich zweifelsfrei als immaterieller Vermögenswert zu qualifizieren.
bb) Identifizierbarkeitsmerkmale
(1) Bedeutung und Konkretisierung des Kriteriums
Für die Definition eines immateriellen Vermögenswerts gemäß IAS 38.8 i.V.m. IAS 38.11 ist ferner die Identifizierbarkeit des entsprechenden Vermögenswerts notwendig. Sinn und Zweck der Beschränkung auf identifizierbare immaterielle Vermögenswerte ist gemäß IAS 38.11 die Abgrenzbarkeit vom Geschäfts- oder Firmenwert.244 Diese Abgrenzbarkeit lässt sich durch „Separierbarkeit“ (IAS 38.12(a)) oder die „Entstehung aufgrund vertraglicher oder sonstiger juristischer Rechte“ (IAS 38.12(b)) nachweisen.
Das Vorliegen von Separierbarkeit ist ein „wichtiges Indiz“245, nicht aber notwendige Voraussetzung in Bezug auf die eindeutige Abgrenzbarkeit vom Geschäfts- oder Firmenwert.246 Sie wird gemäß IAS 38.12(a) angenommen bei (hypothetischer) Verwertbarkeit des künftigen wirtschaftlichen Nutzens aus diesem Vermögenswert. Die Separierbarkeit wird bestätigt durch die Möglichkeit der Vermietung, des Verkaufs, des Tauschs oder des Vertriebs, einzeln oder gemeinsam mit einem Vertrag, einem anderen identifizierbaren Vermögenswert oder einer identifizierbaren Schuld. Die Übertragbarkeit nur zusammen mit einer wirtschaftlich selbstständigen Unternehmenseinheit oder dem gesamten Unternehmen reicht für die Separierbarkeit hingegen nicht aus.247
Nach dem sog. Contractual-Legal-Kriterium ist ein Vermögenswert bereits dann identifizierbar, wenn er durch ein vertragliches oder sonstiges gesetzliches Recht abgesichert ist, unabhängig davon, ob der Vorteil i.S.d. Separierbarkeitskriteriums einzeln oder im Verbund verwertbar ist.248
(2) Anwendung auf den Fall: Prüfung des Domain-Namens auf seine „Identifizierbarkeit“
Der gesonderte Erwerb des Domain-Namens im vorliegenden Fall belegt die Einzelverwertbarkeit; der Domain-Name ist folglich vom Geschäfts- oder Firmenwert zweifelsfrei separierbar. Das Kriterium der Identifizierbarkeit ist aber auch i.S.d. Contractual-Legal-Kriteriums gegeben, denn durch den Registrierungsvertrag mit der DENIC hat die Werbeagentur einen rechtlich durchsetzbaren Anspruch auf Nutzung des Domain-Namens.
Im Ergebnis liegen alle Definitionsmerkmale eines immateriellen Vermögenswerts i.S.d. IAS 38 vor.
c) Zusätzliche (kumulativ zu erfüllende) Kriterien für den Ansatz eines immateriellen Vermögenswerts
aa) Kriterium „Wahrscheinlichkeit des Nutzenzuflusses“
(1) Bedeutung und Konkretisierung des Kriteriums
Die gemäß IAS 38.21(a) geforderte Wahrscheinlichkeit des Nutzenzuflusses aus dem Vermögenswert249 muss auf Basis von „vernünftigen und begründeten Annahmen“ sowie der „bestmöglichen Einschätzung seitens des Managements“ (IAS 38.22) ermittelt werden.250 Vor dem Hintergrund des Objektivierungsprinzips wird dabei „externen substanziellen Hinweisen“ ein „größeres Gewicht“ (IAS 38.23) beigemessen als bspw. internen Einschätzungen.251
Bei einzeln erworbenen immateriellen Vermögenswerten besteht die typisierende Vermutung der hinreichenden Wahrscheinlichkeit des Nutzenzuflusses (IAS 38.25). Dieser Typisierung liegt die Annahme zugrunde, dass der Bilanzierende nur deshalb bereit ist, einen bestimmten Preis für das Gut zu zahlen, weil er einen Zahlungsmittelrückfluss in mindestens gleicher Höhe erwartet. Die gleiche Typisierungsvermutung gilt auch bei im Rahmen von Unternehmenszusammenschlüssen erworbenen immateriellen Vermögenswerten (IAS 38.33).
(2) Anwendung auf den Fall: Prüfung des Domain-Namens hinsichtlich des Kriteriums des wahrscheinlichen Nutzenzuflusses
Da es sich bei dem Domain-Namen um einen