Jens Wüstemann

Bilanzierung case by case


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in Höhe der Herstellungskosten selbstständig bewerten lässt.235 Fraglich ist, ob die Webseite bereits während der Entwicklung die Vermögensgegenstandskriterien erfüllt und folglich ansetzbar ist. Da die Werbeagentur die Webseite erstellt, um ihre Dienstleistungen einem größeren Kundenkreis anbieten zu können, ist der vermögenswerte Vorteil in Form zukünftig erwarteter Umsatzerlöse zweifelsfrei gegeben. Der vermögenswerte Vorteil ist allerdings während der Entwicklung der Webseite noch nicht rechtlich abgesichert; die sich in der Entstehung befindliche Webseite stellt folglich einen rein wirtschaftlichen Vorteil dar. Dieser wirtschaftliche Vorteil ist möglicherweise nicht einzeln verkehrsfähig, denn er kann unter bestimmten Umständen an das spezifische Know-How der Mitarbeiter gebunden sein; die Übertragbarkeit mit dem gesamten Unternehmen sollte – da die Mitarbeiter im Rahmen eines potenziellen Unternehmensverkaufs ebenfalls übergehen würden – im Regelfall möglich sein. Die Greifbarkeit ist somit in der vorliegenden Fallvariation auch erfüllt. Bei der Prüfung der selbstständigen Bewertbarkeit ist insbesondere die Messbarkeit der Personalkosten relevant, da diese bei der Erstellung eines Internetauftritts den wesentlichen Kostenfaktor darstellen. Ist die auf die Entwicklung der Webseite entfallende Arbeitszeit der betroffenen Mitarbeiter klar dokumentiert, sollte eine Kostenschlüsselung möglich sein; das Prinzip der selbstständigen Bewertbarkeit wäre unter diesen Umständen erfüllt. Eine Vergleichbarkeit der Webseite zu den in § 248 Abs. 2 HGB genannten selbst geschaffenen Marken, Drucktiteln, Verlagsrechten oder Kundenlisten ist nicht gegeben, eine Aktivierung der Webseite mithin nicht durch das Ansatzverbot ausgeschlossen.

       II. Lösung nach IFRS

       1. Anzuwendende Vorschriften

       a) Anwendungsbereich von IAS 38

      Der Ansatz eines immateriellen Vermögenswerts wird gemäß den IFRS insbesondere durch IAS 38 „Immaterielle Vermögenswerte“ geregelt. Danach müssen sowohl die Definition als auch die Bedingung zur Erfassung eines immateriellen Vermögenswerts in der Bilanz erfüllt sein. Darüber hinaus darf der Vermögenswert keine Ausnahme i.S.d. IAS 38.2 darstellen. Nicht in den Anwendungsbereich des IAS 38 fallen bspw. Vermögenswerte aus der Ausbeutung von Bodenschätzen i.S.d. IFRS 6 „Exploration und Evaluierung von Bodenschätzen“ sowie finanzielle Vermögenswerte i.S.d. IAS 32 „Finanzinstrumente: Darstellung“.

      Bezogen auf die Prüfung des Vermögenswertbegriffs bedeutet dies, dass primär die Regelungen des IAS 38 zu beachten sind. Viele Regelungen des IAS 38 stimmen mit dem Rahmenkonzept überein und vermitteln das Grundverständnis des IASB zum Vermögenswertbegriff. Aus diesem Grunde können auch die Regelungen des Rahmenkonzepts unterstützend herangezogen werden.

       b) Anwendung auf den Fall: Prüfung des Domain-Namens hinsichtlich des Anwendungsbereichs von IAS 38

      Der Domain-Name fällt weder unter die in IAS 38.2 abschließend aufgezählten Ausnahmen, noch ist er mit den Ausnahmen des IAS 38.3 inhaltlich vergleichbar. Es ist also im folgenden anhand der Definitions- und Ansatzkriterien des IAS 38 zu prüfen, ob der Domain-Name gemäß den IFRS als immaterieller Vermögenswert anzusetzen ist.

       2. Ansatz eines immateriellen Vermögenswerts gemäß IAS 38

       a) Allgemeine Definition eines Vermögenswerts

       aa) Erwartung künftigen wirtschaftlichen Nutzens aufgrund von Ereignissen in der Vergangenheit

       (1) Bedeutung und Konkretisierung des Kriteriums

      Das Vorliegen von Ausgaben ist nach RK.4.18 (trotz „enge[r] Verknüpfung“) weder notwendige noch hinreichende Bedingung für die Erwartung künftigen wirtschaftlichen Nutzens; so kann auch ein geschenkter Vermögenswert zukünftigen wirtschaftlichen Nutzen generieren. Ausgaben sind daher eher als „substanzieller Hinweis“, nicht jedoch als „schlüssiger Beweis“ für das Vorliegen von künftigem wirtschaftlichem Nutzen zu verstehen.

       (2) Anwendung auf den Fall: Identifizierung des Ereignisses der Vergangenheit und Prüfung des Domain-Namens hinsichtlich des künftigen wirtschaftlichen Nutzens

      Im vorliegenden Fall ist der Domain-Name dem Unternehmen durch eine zum Bilanzstichtag abgeschlossene Transaktion zugegangen und somit zweifelsfrei als ein Ereignis der Vergangenheit zu betrachten. Da der Domain-Name erworben wurde, um eine Präsenz im Internet zu schaffen, durch die mehr Kunden angesprochen werden können, lässt er den Zufluss künftigen wirtschaftlichen Nutzens in Form zusätzlicher Erlöse erwarten.

       bb) Kriterium „Verfügungsmacht“

       (1) Bedeutung und Konkretisierung des Kriteriums

      Ein weiterer Bestandteil der Vermögenswertdefinition ist das Innehaben der Verfügungsmacht über die Ressource (IAS 38.8 und RK.4.3). Sinn und Zweck der Einschränkung der potenziellen immateriellen Vermögenswerte auf solche, die in der Verfügungsmacht des Unternehmens stehen, ist die Objektivierung der Werthaltigkeit der Vermögenswerte für das Unternehmen.