(2) Anwendung auf den Fall: Identifizierung der in der Bilanz der A-AG anzusetzenden (übernommenen) Vermögensgegenstände und Schulden der B-GmbH
In der Bilanz der A-AG sind alle wirtschaftlichen Vorteile der B-GmbH anzusetzen, die die Vermögensgegenstandskriterien (aus Sicht der A-AG) erfüllen. Ebenso werden alle wirtschaftlichen Nachteile der B-GmbH auf ihren Verbindlichkeitscharakter überprüft, welche von den Eventualverbindlichkeiten nicht erfüllt werden. Folglich sind diese nicht im Jahresabschluss der A-AG anzusetzen.
cc) Bewertung der Vermögensgegenstände und Schulden des übernommenen Unternehmens
(1) Bewertung der erworbenen Bilanzpositionen zum Zeitwert
Gemäß § 246 Abs. 1 S. 4 HGB erfolgt die Bewertung der übernommenen Schulden und Vermögensgegenstände in Höhe der beizulegenden Zeitwerte zum Übernahmezeitpunkt unter Berücksichtigung des § 252 Abs. 1 Nr. 4 1. Hs. HGB. Mithin ist die ursprüngliche Bilanzierung für die Bewertung ebenfalls nicht von Belang.275 Die Bestimmung der Zeitwerte erfolgt anhand objektiver Wertverhältnisse und kann damit von vereinbarten Preisen zwischen den Unternehmen abweichen.
Übersteigen die ermittelten Zeitwerte in der Summe die bewirkte Gegenleistung, sind diese (Kassenbestand, Bundesbankguthaben, Guthaben bei Kreditinstituten und Schecks selbstverständlich ausgenommen) zu reduzieren. Ein anschließend verbleibender, negativer Unterschiedsbetrag ist ggf. zu passivieren, denn andernfalls wäre ein Gewinn aus dem Unternehmenskauf auszuweisen, der noch nicht realisiert ist, sondern lediglich erwartet wird.276
(2) Anwendung auf den Fall: Identifizierung des in der Bilanz der A-AG anzusetzenden Unterschiedsbetrags
Laut Sachverhalt sind sowohl die Aktiva als auch die Passiva neu bewertet worden: Der Zeitwert der Vermögensgegenstände beträgt 2 Mio. GE, der der Schulden 1,5 Mio. GE.
Die bewirkte Gegenleistung der A-AG belief sich auf 0,8 Mio. GE. Da das (nach den handelsrechtlichen GoB) neubewertete Reinvermögen der B-GmbH nur 0,5 Mio. GE beträgt, ergibt sich eine Differenz in Höhe von 0,3 Mio. GE. Somit sind alle Ansatzkriterien erfüllt und die A-AG hat den gesamten277 Unterschiedsbetrag als derivativen Geschäfts- oder Firmenwert zu aktivieren.
3. Folgebewertung eines aktivierten Geschäfts- oder Firmenwerts gemäß den handelsrechtlichen GoB
a) Planmäßige Abschreibung eines immateriellen, zeitlich begrenzt nutzbaren Vermögensgegenstands
Die zweckadäquate Folgebewertung eines Geschäfts- oder Firmenwerts ist in der Theorie umstritten.278 Die Möglichkeit einer erfolgsneutralen Verrechnung mit dem Eigenkapital, die bisher im Konzernabschluss nach GoB gestattet war, lehnt der Gesetzgeber ab.279 Des Weiteren weist er trotz des Ziels einer Annäherung an die IFRS die dortige Charakterisierung als einen Vermögenswert mit unbestimmter Nutzungsdauer, mit der Folge der ausschließlichen Zugänglichkeit zur außerplanmäßigen Abschreibung (sog. Impairment Only Approach), zurück:280 Der „entgeltlich erworbene Geschäfts- oder Firmenwert […] gilt als zeitlich begrenzt nutzbarer Vermögensgegenstand“ (§ 246 Abs. 1 S. 4 HGB). Durch die Streichung der bisherigen Normen bezüglich der Folgebewertung soll „[g]esetzestechnisch [erreicht werden], dass der entgeltlich erworbene Geschäfts- oder Firmenwert aktivierungspflichtig ist und den allgemeinen handelsrechtlichen Bewertungsvorschriften unterliegt.“281 „Der entgeltlich erworbene zeitlich begrenzt nutzbare Geschäfts- oder Firmenwert ist nach Maßgabe des § 253 HGB planmäßig, oder, bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen, außerplanmäßig abzuschreiben.“282 Gemäß § 253 Abs. 3 HGB ist die Nutzungsdauer zu schätzen und ein entsprechender Abschreibungsplan zu erstellen.
Fehlt es ausnahmsweise an der verlässlichen Schätzbarkeit der voraussichtlichen Nutzungsdauer des Geschäfts- oder Firmenwerts, so ist gemäß § 253 Abs. 3 S. 3 und 4 HGB eine pauschale Abschreibung über zehn Jahre vorzunehmen. Angesichts der Tatsache, dass eine objektivierte Schätzung der Nutzungsdauer eines Geschäfts- oder Firmenwerts nur in den wenigsten Fällen problemlos möglich sein sollte,283 bezweifelt Lüdenbach den unterstellten „Ausnahmecharakter“ der Vorschrift und geht davon aus, dass „die Zehnjahresabschreibung […] zum Standard wird“.284
Eine Besonderheit im Vergleich zu anderen Vermögensgegenständen ergibt sich bezüglich der Wertaufholung: Ein niedriger Wertansatz ist unabhängig vom Weiterbestehen der Gründe zwingend beizubehalten (§ 253 Abs. 5 S. 2 HGB).
b) Anwendung auf den Fall: Bestimmung der Abschreibung des Geschäfts- oder Firmenwerts seitens der A-AG
Empirische Untersuchungen ergaben, dass die branchenübliche Nutzungsdauer eines Geschäfts- oder Firmenwerts zwischen 15 und 20 Jahren liegt.285 Im vorliegenden Fall legt die A-AG die Nutzungsdauer des erworbenen Geschäfts- oder Firmenwertes mangels verlässlicher Schätzbarkeit auf zehn Jahre fest.
4. Ergebnis nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Bilanzierung
Die oben dargestellte Transaktion erfüllt die Voraussetzungen eines Unternehmenszusammenschlusses. Da die A-AG die B-GmbH im Rahmen eines Asset Deal erwirbt und sich ein positiver Unterschiedsbetrag ergibt, kann sie den vollen Unterschiedsbetrag in Höhe von 0,3 Mio. GE aktivieren. Die A-AG schreibt den Geschäfts- oder Firmenwert aufgrund der fehlenden verlässlichen Schätzbarkeit der Nutzungsdauer pauschal über zehn Jahre ab.
II. Lösung nach IFRS
1. Bilanzierung von Geschäfts- oder Firmenwerten und Unternehmenszusammenschlüssen gemäß den IFRS
Aufgrund der Klassifizierung als Vermögenswert (IFRS 3 „Unternehmenszusammenschlüsse“, Anhang A) und dem nicht vorhandenen physischen Charakter liegt es nahe, einen Geschäfts- oder Firmenwert als immateriellen Vermögenswert nach IAS 38 „Immaterielle Vermögenswerte“ zu bilanzieren. Jedoch werden Geschäfts- oder Firmenwerte, die im Rahmen eines Unternehmenszusammenschlusses erworben werden, explizit als Ausnahme benannt (IAS 38.3(f)). Ihre Bilanzierung richtet sich stattdessen nach den spezielleren Regelungen des IFRS 3. Ein selbst geschaffener Geschäfts- oder Firmenwert fällt hingegen in den Anwendungsbereich des IAS 38; für ihn gilt ein ausdrückliches Ansatzverbot (IAS 38.48).286
2. Aktivierungsvoraussetzungen für einen Geschäfts- oder Firmenwert im Einzelabschluss
a) Unternehmenszusammenschluss als Anwendungsvoraussetzung des IFRS 3
aa) Konkretisierung des Unternehmenszusammenschlusses: Identifizierung des Erwerbers und des Transaktionszeitpunkts
(1) Bestimmung des Erwerbers
Unter einem Erwerber wird das Unternehmen, welches im Rahmen eines Unternehmenszusammenschlusses die Beherrschung über das übernommene Unternehmen erlangt, verstanden (IFRS 3, Anhang A); folglich ist das Vorhandensein eines Erwerbers zwingende Voraussetzung für das Vorliegen eines Unternehmenszusammenschlusses. Die Bestimmung folgt ebenfalls einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise, die Beurteilung kann von der rechtlichen Gestaltung abweichen.287
Die Bestimmung des Erwerbers erfolgt anhand der Leitlinien des IFRS 10 „Konzernabschlüsse“ (IFRS 3.7).288 Die übergeordnete Definition wird durch das Control-Konzept konkretisiert. Demnach wird ein beherrschender Einfluss unterstellt, wenn ein Investor „aufgrund seines Engagements bei dem Unternehmen variablen wirtschaftlichen Erfolgen ausgesetzt ist oder Rechte daran hat und die Möglichkeit besitzt, diese wirtschaftlichen Erfolge durch