Brigitte Wallstabe-Watermann

Anlegen mit ETF


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zufriedengab und nicht den Ehrgeiz entwickelte, den Aktienindex übertrumpfen zu wollen. Unterstützung erhielt Bogle von Wissenschaftlern, die aufgrund ihrer Forschungsergebnisse Indexfonds als überlegene Anlageinstrumente ansehen. Sie ermunterten ihn daher weiterzumachen.

      Erst nach und nach wurde Bogle ernst genommen, und sein Indexfonds wurde tatsächlich zur Vorhut – wie die deutsche Übersetzung von „Vanguard“ lautet – einer weltweiten Entwicklung hin zum passiven Investieren, dem „Indexing“.

      Einen entscheidenden Zusatzschub erhielt seine Idee 1993, als die US-Gesellschaft State Street erstmals einen Indexfonds an die Börse brachte. Er wird genauso gehandelt wie Aktien, deshalb erhielt er den Namen Exchange Traded Fund, übersetzt börsengehandelter Fonds und abgekürzt ETF. Dieser ETF bildete den US-Aktienindex S&P 500 nach. Der SPDR S&P 500 ETF, ausgesprochen „Spider“ (Spinne), ist seit Jahren der größte ETF der Welt. Anfang 2020 verwaltete er rund 320 Milliarden US-Dollar.

       Gut zu wissen

      ETF sind börsengehandelte Indexfonds. Sie bilden einen vorher festgelegten Börsenindex – wie den Dax – nach. Im Gegensatz zu aktiv gemanagten Fonds „wetten“ sie nicht, dass bestimmte Aktien oder Anleihen besser laufen als der Durchschnitt, und sie investieren das Geld der Anleger immer komplett, egal ob die Börsenkurse steigen oder fallen.

      Ein zusätzlicher Schub für Indexfonds kam nach der Finanzkrise 2008. Großanleger wie Versicherungen, Pensionsfonds und Stiftungen erkannten zunehmend die Vorzüge des Indexing, und auch Privatanleger entdeckten ETF. Der Börsencrash und der anschließende Wiederaufschwung der Kurse hatten den Anlegern vor Augen geführt, dass es nur wenigen Profis gelungen war, sowohl im Abschwung als auch im folgenden Aufschwung besser abzuschneiden als der Markt. Diejenigen, die frühzeitig Aktien verkauft und damit einen Teil der Crash-Verluste vermieden hatten, stiegen meistens zu spät wieder ein, als die Kurse ab März 2009 steil nach oben schossen.

      image Investiere 10 Prozent in kurzfristige Staatsanleihen und 90 Prozent in einen günstigen S&P-Indexfonds.

      Warren Buffett

      Bogles Vision hat sich zwar spät, aber dafür umso beeindruckender erfüllt. Ende 2019 umfasste der weltweite Markt für ETF und ETF-ähnliche Papiere ein Volumen von rund 6,3 Billionen US-Dollar. Sogar der Milliardär Warren Buffett, der als erfolgreichster aktiver Investor der vergangenen Jahrzehnte gilt, adelte ihn mit dem Rat an seine Erben: „Investiere 10 Prozent in kurzfristige Staatsanleihen und 90 Prozent in einen günstigen S&P 500-Indexfonds. (…) Ich bin überzeugt, dass diese Investmentstrategie langfristig zu Ergebnissen führen wird, die die Mehrheit der anderen Investoren in den Schatten stellen werden, die hoch dotierte Vermögensverwalter beschäftigen.“

      In Deutschland sind für Privatanleger Indexfonds fast ausschließlich in der börsengehandelten Form als ETF erhältlich. Die Premiere ist noch nicht so lang her. Erstmals zugelassen wurden sie im April 2000 – bis Anfang 2020 kletterte die Zahl der an der Frankfurter Börse gehandelten ETF auf rund 1 800. Anders als klassische Fonds, für die es von der Fondsgesellschaft täglich nur einen offiziellen Preis gibt, werden ETF an der Börse wie Einzelaktien fortlaufend gehandelt.

      HÄTTEN SIE’S GEWUSST?

      Ende 2016 betrug der Wert aller Anlagen in ETF weltweit 3,42 Billionen Dollar, 2019 waren es bereits 6,3 Billionen – ein Plus von rund 85 Prozent binnen drei Jahren.

       Rund 80 Prozent der 6,3 Billionen Dollar verwalteten die drei größten ETF-Anbieter der Welt, die US-Investmentfirmen BlackRock (in Deutschland iShares), Vanguard und State Street.

      In Europa betrug Ende 2019 der Wert aller Anlagen in ETF gut eine Billion Dollar. Das entspricht weniger als einem Viertel des amerikanischen ETF-Marktes.

       Ende 2016 lag die Zahl aller ETF-Produkte weltweit bei 4 808, Ende 2019 waren es über 7 800. In Deutschland konnten Anleger Anfang 2020 aus rund 1 800 Aktien- und Anleihen-ETF wählen.

      Quellen: ETFGI, BlackRock, Deutsche Börse AG

      Wie aber funktionieren ETF überhaupt? Und was sollten Sie als Anleger wissen, wenn Sie sich dafür interessieren? Der sperrige Begriff ETF steht ja für „Exchange Traded Funds“, also börsengehandelte Indexfonds. Sie weisen drei Hauptmerkmale auf: Sie folgen einem Index, sind Fonds und börsengehandelt. Was hat es damit auf sich? Fangen wir mit dem Index an, denn um ihn dreht sich alles.

       Nur wenige Indizes eignen sich als Basis fürs Depot

      ETF kopieren eine große Zahl an Börsenbarometern aus aller Welt. Wie aber funktioniert die Nachbildung? Und warum weisen weltweite Indizes für viele Privatanleger große Vorteile auf?

      Wenn Sie sich darüber informieren wollen, wie sich die Aktienkurse in Deutschland entwickeln, schauen Sie vermutlich, wo der Deutsche Aktienindex, kurz Dax, steht. Der deutsche Leitindex spiegelt die durchschnittliche Kursentwicklung der 30 wichtigsten deutschen börsennotierten Unternehmen wider, von A wie Adidas bis W wie Wirecard. Am Dax lässt sich auf einen Blick der Börsentrend erkennen. Die Wertentwicklung eines bestimmten Zeitabschnitts – zum Beispiel eines Jahres – kann man dann ganz einfach durch den Vergleich von zwei Zahlen errechnen. Ausgangspunkt des Dax ist der 31. Dezember 1987, für diesen Tag wurde sein Niveau mit 1 000 Punkten festgelegt. Bis Mitte April 2020 kletterte er auf rund 10 700 Zähler, sein Wert hat in diesen gut 30 Jahren also mehr als das Zehnfache erreicht.

      Da jeder ETF einen Börsenindex nachbildet, ist die Wahl des geeigneten Index ganz besonders wichtig, denn der Anlageerfolg hängt überwiegend davon ab. Das Börsenbarometer bestimmt die Chancen und Risiken des ETF. Erst später geht es darum, welche ETF-Anbieter die besten Produkte auf den jeweiligen Index offerieren.

      Woraus ein Index genau besteht, können Sie leicht nachvollziehen, da die Regeln transparent sind und Sie die Zusammensetzung im Internet und in anderen Medien jederzeit verfolgen können. Wir haben die wichtigsten Informationen zu sinnvollen Indizes für Sie zusammengestellt. Die Übersicht finden Sie im Kapitel „Alle ETF im Überblick“, ab S. 45.

      Für die Börsentendenz in Deutschland ist der Dax zwar das wichtigste Barometer, aber als Basis für einen ETF weist er erhebliche Mängel auf – zumindest mit Blick auf die Bedürfnisse langfristig orientierter Privatanleger: Er ist auf ein Land beschränkt und mit nur 30 enthaltenen Aktiengesellschaften nicht breit gestreut.

       Mit einem ETF über 1 600 Aktien aus 23 Ländern kaufen

      Indizes, die eine Vielzahl an Aktien oder Anleihen aus verschiedenen Ländern und Branchen enthalten, eignen sich deshalb besser als ETF-Basisinvestments. Finanztest versteht darunter Indizes, die in ihrem Anlagesegment keiner Ergänzung bedürfen.

      Das beste Beispiel dafür ist der MSCI World, der mehr als 1 600 Aktien großer und mittlerer Unternehmen aus 23 Industrieländern umfasst und Wertpapiere aus allen wichtigen Branchen enthält (siehe die Grafik „Die Branchengewichtung im MSCI World“ auf S. 18). Er erfüllt damit alle Bedingungen für ein Basisinvestment. Noch besser geeignet ist der MSCI All Country World (ACWI), der zusätzlich noch die wichtigsten Aktien des Schwellenländer-Index MSCI Emerging Markets umfasst und insgesamt mehr als 3 000 Aktien aufweist.

      Die meisten ETF-Anbieter in Deutschland verwenden die Indizes des Indexanbieters MSCI, wenn sie einen Weltindex nachbilden. Aber es gibt auch einen großen Konkurrenten: FTSE Russell. Zu diesem Indexanbieter, der zur Gruppe der Londoner Börse gehört, ist 2012 der ETF-Pionier Vanguard gewechselt. Ihm waren die Gebühren, die MSCI verlangt hat, zu hoch. Das Pendant zum MSCI World ist der FTSE Developed World, zum MSCI Emerging Markets der FTSE Emerging Markets und zum MSCI ACWI der FTSE All World. Diese drei FTSE-Indizes beinhalten sogar noch einige Hundert Aktien mehr als die entsprechenden MSCI-Indizes. Die Renditeentwicklung verlief in den vergangenen Jahren