sieht Wyatt mich an, als würde er auf eine Offenbarung von mir warten. »Hmm, jetzt mache ich mir beinahe Sorgen um dich, statt um Sunday. Du hast sie genommen, aber nicht auf deine Art?«
»Ich habe mit ihr auf dem Bett gelegen und mich aufgeführt wie ein verliebter Teenager. Wir hatten Kuschelsex! Kannst du dir das vorstellen?«
Wyatt schüttelt überrascht den Kopf. »Nein, nicht wirklich. Zumindest nicht bei dir. Sogar Ash würde ich es zutrauen, aber nicht dir.«
»Es war aber so. Gott, diese Frau hat mich total aus den Angeln gehoben. Sie lässt mich meine ganze Lebenseinstellung infrage stellen. Als ich ihr das erste Mal begegnete, da sah ich sie vor mir, wie sie an einem Andreaskreuz hängt. Die Arme und Beine mit dicken Seilen gefesselt und ein Fick-mich-doch-Blick. Doch seit ich sie näher kenne, kommen mir immer mehr Zweifel, ob das, was ich tue, richtig ist. Ich hatte das erste Mal seit vielen Jahren wieder mal einen Höhepunkt beim Kuschelsex!«
»Erzähl weiter«, fordert Wyatt mich auf und lehnt sich interessiert an der Couch an, die Arme hinter dem Kopf verschränkt, während er mich mit ernster Miene beobachtet.
»Das geht dich einen verdammten Scheißdreck an«, poltere ich los und erschrecke über mich selbst. Eigentlich bin ich in jeder Situation kühl und distanziert; emotionale Entgleisungen sind ein Fremdwort für mich.
»Habe ich deine Achillesferse getroffen?«
»Ach, hör auf, Wyatt. Willst du mich psychologisch auseinandernehmen? Dafür bin ich heute nicht in der Stimmung.«
»Das sehe ich und ich bin kein verdammter Psychiater.«
»Tut mir leid. Da siehst du, was sie aus mir macht. Einen verblendeten Choleriker. Und sie, sie ist einfach perfekt. Und grundehrlich. Sie hat etwas Besseres als mich verdient. Aber verdammt, ich kann die Finger nicht von ihr lassen.« Dabei gehe ich wieder aufgewühlt durch den Raum, die eine Hand in der Hosentasche vergraben, die andere unablässig mit meinen Haaren beschäftigt, die ich geistesabwesend nach hinten streiche.
»Ich sehe schon, du bist heute für dumme Sprüche nicht zu haben. Was willst du jetzt tun?«, fragt Wyatt, als es an der Tür klingelt.
»Mir wird schon etwas einfallen. Das ist sicher Ash. Ich hoffe, er hat gute Nachrichten und im Club läuft alles nach Plan.«
Wyatt nimmt wieder auf der Couch Platz, während ich den Raum verlasse, um Ash die Tür zu öffnen.
»Was ist denn mit Jay los?«, wendet sich Ash direkt an Wyatt, als er den offenen Wohnraum betritt, seine Jacke über die Couchlehne wirft und sich gegenüber von Wyatt in den Relaxsessel fallen lässt.
Ich folge ihm und kann nur mit den Augen rollen. Das hat mir heute gerade noch gefehlt. Ash kann niemand etwas vormachen, er kann das Gras wachsen hören und die Flöhe husten. Er hat so etwas wie einen sechsten Sinn. Den braucht er auch bei seinem Beruf.
Wyatt zuckt nur die Achseln. »Unser Bad Boy ist verliebt.«
»Wyatt, hör endlich auf damit«, knurre ich ihn an.
Das war das Stichwort, das Ash gebraucht hat, um mich erst so richtig auf die Palme zu bringen. Aber ein Blick in mein Gesicht genügt und er gibt sein Vorhaben sofort wieder auf.
»Im Club läuft alles nach Zeitplan«, erklärt er stattdessen. »Ich fliege morgen nach Europa, ein Kollege ist krank geworden. Aber zur Eröffnung bin ich wieder zurück«, teilt Ash uns mit.
»So ein Leben möchte ich haben«, sagt Wyatt kopfschüttelnd. »Ein paar Mal im Monat seinem Hobby nachgehen und eine 747 über den Großen Teich fliegen, um dann später mit den Stewardessen in den Betten der besten Hotels zu vögeln, während ich 24 Stunden Bereitschaftsdienst schiebe. Das ist kein Krankenhaus, das ist eine Fabrik«, stöhnt Wyatt.
»Du könntest dich ganz einfach mit einer eigenen Praxis selbstständig machen«, ist mein Kommentar dazu. Wyatt ist ein hervorragender Arzt, eine Koryphäe auf dem Gebiet der plastischen Chirurgie. Aber er ist nur daran interessiert, den Menschen zu helfen. Dabei könnte er sich mit der Schönheitschirurgie eine goldene Nase verdienen.
»Mir geht es nicht darum, Frauen die Tränensäcke zu glätten oder ihre Stirnfalten wegzubügeln, geschweige denn ihre Titten zu vergrößern. Hier ein kleiner Schnitt, dort ein wenig die Haut straffen und überflüssiges Fett absaugen. Ich bin Arzt, weil ich den Menschen helfen will.«
Ash blickt von einem zum anderen, bevor er sich in unser Gespräch einmischt.
»Wenn ihr beide heute weiter so eine miese Laune an den Tag legt, dann gehe ich auf der Stelle wieder.« Dabei zeigt er mit dem Zeigefinger auf uns. »Ich kann mir etwas Besseres vorstellen, wie ich den Abend verbringe.«
»Was du nicht sagst«, verhöhne ich ihn. »Also schön, lasst uns die offenen Punkte für die Eröffnung des Clubs besprechen.«
Wyatt nickt und Ash setzt sich zu uns auf die Couch.
13 – Sunday
Die letzten Tage waren stressig. Aus dem Büro bin ich keinen Abend vor sieben Uhr herausgekommen. Aber immerhin war mein Chef erträglich. Jetzt, da er die Firma verkaufen kann und eine dicke Summe dafür einstreicht, ist er viel entspannter. Von Jay habe ich nur die üblichen kurzen Nachrichten erhalten. Er hat sicher noch im Club zu tun, ehe wir uns nachher treffen.
Ich steige aus meinem Wagen und gehe auf den Eingang zu. Plötzlich habe ich das Gefühl, als würde mich jemand beobachten. Erschrocken drehe ich mich um. Aber hinter mir ist alles ruhig. Ich bin allein. Es muss an meiner aufgewühlten Stimmung wegen der Aussicht auf das Wochenende liegen, die mich schon den ganzen Tag unter Strom hält.
Das Haus ist hell erleuchtet. Als ich die Haustür aufschließe, schlägt mir bereits laute Musik entgegen. Elijah hat einige Leute zu Besuch. Sky kommt mir aus der Küche entgegen. Er balanciert auf einer Hand ein Tablett mit Longdrinkgläsern.
»Hey, süße Prinzessin. Du kommst genau richtig.«
»Hab ich was verpasst? Gibt es was zu feiern?«
Jetzt betritt Elijah den Flur.
»Sunday, da bist du ja. Wer war denn der Mann neulich Nacht?«
»Was? Ach so, das war Jay. Das hast du gehört?« Elijah nickt grinsend. »Ich stelle ihn euch demnächst mal vor.«
Er kommt auf mich zu und haucht mir einen Kuss auf die Wange. »Mach das. Ich bin glücklich, wenn du glücklich bist. Hat der Alte dich wieder so lange in der Firma festgehalten?«
»Ich habe es ihm versprochen. Was ist denn los?«, will ich wissen.
»Wir feiern meine Eigenständigkeit. Mein Teilhaber ist raus.«
»Gratuliere.«
»Komm rein, ich habe ein paar Freunde eingeladen.« Er legt den Arm um meine Schulter, aber ich befreie mich aus seiner Umarmung.
»Tut mir leid, ich habe keine Zeit. Ich bin verabredet. Ich werde auch erst Sonntag zurück sein.«
»Du fährst weg? Jetzt noch? Es ist schon spät.« Dabei wirft er einen Blick auf seine Armbanduhr.
»Ja, zu meinen Eltern«, lüge ich ganz ungeniert. Und es fällt mir nicht mal schwer.
»Das ist ein weiter Weg. So kurzfristig? Ist was passiert?«
»Nein«, beruhige ich ihn schnell. »Aber ich muss dringend mit meinen Eltern über Sean und mich reden.«
»Sie wissen es immer noch nicht? Ich dachte, du hättest es ihnen letztes Wochenende schon gesagt«, wundert er sich.
»Hat sich nicht ergeben.«
»Ja, dann solltest du das tun. Warum fährst du nicht morgen früh?«
»Ich bin wirklich fit. Mach dir keine Gedanken. In ein paar Stunden bin ich da.«
»Wenn du meinst.« Elijah wirkt skeptisch, als würde er mir nicht abnehmen, dass ich zu meinen Eltern fahre, zumal ich letztes Wochenende erst